Mühringen · Ärgernis

Empörung in Mühringen

Die Bebauungspläne der Mühringer Dorfmitte sind ins Stocken geraten. Über die Gründe sind sich Stadt und Ortschaftsrat uneins.

18.12.2019

Von Dagmar Stepper

Die Mühringer Dorfmitte ist kein Schmuckstück. Jetzt könnte sich die Bebauung aufgrund querender Leitungen verzögern. Bilder: Karl-Heinz Kuball

Die Mühringer Dorfmitte ist kein Schmuckstück. Jetzt könnte sich die Bebauung aufgrund querender Leitungen verzögern. Bilder: Karl-Heinz Kuball

Sanft schimmern die Lichter des Weihnachtsbaums auf die Mühringer Dorfmitte, doch von friedlicher Stimmung ist im Ort gerade wenig zu spüren. Die Mühringer sind stinksauer auf die Stadt Horb, auf Oberbürgermeister Peter Rosenberg sind sie nicht gut zu sprechen. Denn ihr derzeit größtes Projekt droht zu scheitern: die Umgestaltung der Ortsmitte, die man in ihrem derzeitigen Zustand ruhig als „Schandfleck“ bezeichnen kann. Sie ist ein leerer Platz, auf dem Autos parken und man sich die Schuhe schmutzig macht. Immer wieder werden hier alte Autoreifen entsorgt oder der Platz gar für Ölwechsel missbraucht.

Noch immer fassungslos sind die Ortschaftsräte über den Beschluss der Stadt, dass die Planungen jetzt erst mal auf Eis gelegt sind. Aber sprachlos sind sie nicht, als die SÜDWEST PRESSE mit ihnen das Gespräch sucht, nachdem bei der Ortschaftsratssitzung am 6. Dezember – ausgerechnet am Nikolaustag – die Bombe platzte: Seit mehr als 20 Jahren wird die Dorfmitte überplant, in diesem Jahr schien es endlich so weit zu sein, dass sich konkret etwas tut. Ortsvorsteherin Monika Fuhl berichtet, dass ein Investor ein Wohnobjekt mit bis zu zehn barrierefreien Wohneinheiten bauen will, eine Arztpraxis und eine Tagespflege könnten ebenfalls unterkommen, zudem wäre Platz für ein Doppelhaus oder zwei Einfamilienhäuser.

Wer trägt die Kosten?

Eine perfekte Lösung für den „Schandfleck“. In Mühringen kann aufgrund der Kessellage kein Baugebiet mehr ausgewiesen werden, junge Familien würden aber gern im Ort wohnen bleiben. Genauso wie ältere Menschen, die sich eine barrierefreie Wohnung wünschen. Und vor allem: Mit der Bebauung würde das Postulat „Innen- vor Außenentwicklung“, das sich alle Fraktionen des Horber Gemeinderats auf die Fahne geschrieben haben, voll erfüllt.

Doch jetzt kam kurz vor Weihnachten die böse Überraschung: Das Gelände kann vorerst nicht bebaut werden, weil Wasser- und Abwasserkanäle diagonal im Boden verlaufen. Sie müssten verlegt werden, die Kosten dafür werden auf 50- bis 60000 Euro geschätzt. Überschaubar bei einem Millionenprojekt, möchte man meinen. Doch die Stadt Horb lehnt es laut Fuhl ab, diese Kosten zu übernehmen. Der Investor fordert aber ein bebauungsfertiges Grundstück.

Im Ortschaftsrat kann man das nicht fassen. Seit Jahren ist man dran, aus der Fläche etwas zu machen. Fuhl hat direkten Kontakt mit Bauträgern aufgenommen, mit ihnen das Grundstück begutachtet. Das alte Bauernhaus, das am Rande der Fläche steht, könnte mit Mitteln aus dem Sanierungsprogramm abgerissen werden und würde so keine Kosten für die Stadt verursachen. „Der Bauträger würde sofort anfangen, sobald er das Okay von der Stadt bekommt“, berichtet Ortschaftsrat Eckard Lacher. Was der Bauträger allerdings nicht einsieht: die Leitungen selbst zu verlegen. „Wir waren noch nie so nah dran, das wäre die Chance“, meint Lacher, der seit über 20 Jahren im Ortschaftsrat sitzt. „Jetzt so eine Bremse von der Stadt, das kann nicht sein“, sagt Fuhl.

Die Räte sind der Überzeugung, dass die Stadt die Kosten für die Verlegung übernehmen soll. „Es ist ein städtisches Grundstück, da kann man nicht sagen, das geht uns nichts an“, sagt Lacher. „Wir sprechen hier nicht von Millionensummen. Dafür von einem Mehrwert für Horb“, sagt Oliver Zahn. „Und der Schandfleck von Mühringen wäre endlich weg.“ Was im Rat auch nicht verstanden wird: In Talheim kauft die Stadt das ehemalige Flair-Gebäude – was alle für völlig richtig halten – aber in Mühringen will sie kein Geld in die Hand nehmen. Dabei werden die Wohnungen dringend benötigt: „Es herrscht Bedarf an barrierefreien Wohnungen“, sagt Maika Göttert. „Es müsste doch eigentlich im Interesse der Stadt sein, das Projekt abzuschließen, vor allem wenn es um Innenentwicklung geht“, meint Michael Kramer. „Eigentlich ist es doch ganz einfach für Horb. Warum tut sich aber nichts? In Mühringen munkelt man schon, dass politische Motive dahinterliegen“, berichtet Simon Wright. Für Gabriele Butenschön wäre das Ärgernis mit Müll, Altöl und alten Autoreifen endlich gelöst, wenn dort gebaut wird. „Die Stadt muss als Eigentümer doch danach schauen, dass keine Gefahr von dem Grundstück ausgeht. Es ist schließlich Wasserschutzgebiet.“

Der Ortschaftsrat hat am 9. Januar ein Treffen mit OB Rosenberger in Horb. Er wurde vom OB anberaumt. Da wollen die Mühringer nochmals ihre Position deutlich machen und vor allem eine schnelle Lösung einfordern. „Wir brauchen einen Zeitplan, den wir dem Bauträger vermitteln können“, betont Fuhl. „Wir erwarten, dass die Stadt Lösungsvorschläge bringt“, ergänzt Lacher. Er befürchtet, dass der Bauträger ansonsten abspringen könnte. „Und dann war’s das, und keiner kommt mehr.“ Das befürchtet auch Fuhl: „Spätestens im März muss das Grundstück bebaubar sein, sonst ist der Investor weg.“

Dieses städtebauliche Konzept der Dorfmitte stammt aus dem Oktober 2015. Der Ortschaftsrat befürchtet, dass bei weiteren Verzögerungen der Investor abspringt und kein neuer mehr kommt.

Dieses städtebauliche Konzept der Dorfmitte stammt aus dem Oktober 2015. Der Ortschaftsrat befürchtet, dass bei weiteren Verzögerungen der Investor abspringt und kein neuer mehr kommt.

Ortsvorsteherin Monika Fuhl

Ortsvorsteherin Monika Fuhl

Stellungnahme der Stadt

Die Stadt weist die Vorwürfe des Mühringer Ortschaftsrates zurück. Auf Anfrage der SÜDWEST PRESSE schreibt Stadtsprecher Christian Volk, die Stadt beabsichtige, das Grundstück von noch vorhandenen Anlagen – wie dem querenden Kanal und dem alten Gebäude – frei zu machen und anschließend nochmals zur Veräußerung auszuschreiben. „Insofern ist die Aussage, (...) dass die Stadt die Freimachung nicht über Mittel des Sanierungsgebietes und der Innenentwicklung finanzieren wolle, definitiv falsch“, sagt Volk. Eine neue Ausschreibung sei notwendig, weil ein Investor am 31. Oktober 2019 sein Interesse zurückgezogen hat, mit einem weiteren Bauträger sei man sich laut Volk nicht einig geworden. „Im Übrigen glauben wir, dass der zweite Erwerber nicht der geeignetste Partner ist, wenn er mit Äußerungen in einem Brief an die Stadtverwaltung (Zitat: ‚Mühringen ist eine der abgelegensten und unattraktivsten Ortschaften von ganz Baden-Württemberg‘) versucht, den Preis zu diktieren“, schreibt Volk weiter. Weitere Details zu den Grundstücksverhandlungen könne die Stadt – wie in solchen Fällen üblich – nicht mitteilen.