Weitingen · Kommunalpolitik

„Entscheidungen treffen, wenn es nötig ist“

Im Interview mit der SÜDWEST PRESSE erklärt Rainer Himmelsbach, wie er Weitingen als neuer Ortsvorsteher voranbringen möchte. Zudem bezieht der 60-jährige Diplom-Ingenieur Stellung zum Adler-Areal, dem Hallenumbau und dem ÖPNV.

01.08.2019

Von Maik Wilke

Rainer Himmelsbach in seinem Haus in Weitingen. Der 60-Jährige ist neuer Ortsvorsteher von Weitingen. Bild: Karl-Heinz Kuball

Rainer Himmelsbach in seinem Haus in Weitingen. Der 60-Jährige ist neuer Ortsvorsteher von Weitingen. Bild: Karl-Heinz Kuball

SÜDWEST PRESSE: Herr Himmelsbach, es hat mehrere interne Gespräche der neu-gewählten Weitinger Ortschaftsräte gebraucht, um einen Nachfolger für Roland Raible zu finden. Wie hat man Sie letztlich überzeugen können?

Rainer Himmelsbach: Dass es mehrere Gespräche brauchte zeigt mir, dass es sich der neue Ortschaftsrat nicht leicht gemacht hat, sondern verantwortungsvoll nach einer Lösung gesucht hat, die gut für Weitingen passt und die auch mindestens fünf Jahre hält.

Ist Ihnen die Entscheidung schwer gefallen?

Gefragt zu werden, ob man sich das Amt des Ortsvorsteher eines Ortes wie Weitingen mit 1700 Einwohnern für sich vorstellen kann, ist an sich schon eine Ehre. Trotzdem habe ich mir die Entscheidung für das Amt nicht leicht gemacht. „Ganz oder gar nicht“ war auch schon mein Motto, als ich das Amt des Kassierers im Musikverein Weitingen übernommen habe und zehn Jahre inne hatte. Ich bin seit Anfang des Jahres in Altersteilzeit „passiv“, also zuhause. Mir war klar: Die ersten Monate sind wie Urlaub, aber danach werde ich eine neue Herausforderung brauchen. Der neue Ortschaftsrat bildet in vielen Aspekten einen guten Querschnitt unseres Ortes ab und es sind für mich wichtige persönlichen Eigenschaften vorhanden wie kritisches Fragen, eigene Vorschläge einbringen, Engagement und sachliche Streitkultur. Mit dem neuen Ortschaftsrat und mir als neuem Ortsvorsteher findet eine Art Generationswechsel statt. Ich halte uns für das richtige Team für Weitingen für diese Zeit. Deshalb ist mir die Entscheidung leicht gefallen.

Welche Eigenschaften machen Sie zu einem guten Ortsvorsteher?

Ich kann Projekte durch schwieriges Fahrwasser vorantreiben, bin ein guter Zuhörer und kann auf unterschiedlichste Menschen eingehen. Ich war im Berufsleben lange Jahre Teamleiter und habe einige Projekte geplant und vorangetrieben. Vor dieser neuen Aufgabe habe ich den gebührenden Respekt, aber ganz sicher keine Angst. Zudem halte ich mich für jemanden, der Dinge hinterfragt, Meinungen integriert und aus unterschiedlichen Ansichten neue, mehrheitsfähige Vorschläge entwickelt. Ich bin geradlinig und mag eine strukturierte Vorgehensweise – und tue auch einfach mal was, wenn’s getan werden muss.

Diskussionen, die sich im Kreis drehen, gibt es bei Ihnen also nicht?

Diskussionen halte ich für wichtig, aber es gibt immer einen Punkt, an dem eine Entscheidung zu treffen ist. Ich mag die demokratische Meinungsbildung und mich kann man mit guten Argumenten von einer anderen Meinung als der meinen überzeugen. Aber alle diese Eigenschaften nutzen relativ wenig, wenn man keine ausreichende Unterstützung aus dem Ortschaftsrat hat. Für mich war es ein wichtiges Signal, vom Ortschaftsrat einstimmig gewählt worden zu sein. Aber ich nehme unseren Ortschaftsrat auch wörtlich: Er ist für mich der beratende und impulsgebende Rat aus dem Ort und in die Verwaltung. Ich glaube seine Wähler dürfen damit rechnen, dass er sich für ihre Interessen einsetzt und diese gemeinsam mit mir voranbringt.

In welchen Vereinen sind Sie vor Ort vernetzt?

Aktiv bin ich im Musikverein Weitingen und glauben Sie mir: Als Musiker bin ich auf vielen Veranstaltungen im Ort und in der Gemeinde nicht nur unterwegs, sondern auch bekannt. Als guter Zuhörer nehme ich da viel mit, aber auch von Freunden und Bekannten im Ort. Meine Frau spielt im TSV-Jaunerstadl-Theater und bringt aus ihrem Umfeld immer wieder Interessantes aus dem Ort mit nach Hause. Ich vertraue aber auch auf den neuen Ortschaftsrat. Gemeinsam sind wir meiner Meinung nach sehr gut vernetzt.

Haben Sie sich bei Ihrem Vorgänger Roland Raible Tipps geholt?

Na klar, wie naiv müsste man sein, so eine große Erfahrung auszuschlagen. Herr Raible und ich hatten uns schon im Vorfeld getroffen und auch bei der Übergabe kam vieles zur Sprache, was mir den Einstieg erleichtern wird.

In diesem Amt und mit den Entscheidungen, die man trifft, macht man sich nicht bei jedem Bürger beliebt. Wie gut können Sie Kritik von Bürgern einstecken?

Jede konstruktive Kritik kann berechtigte Gründe haben – ich werde mir Kritik in dieser Form anhören und wenn möglich berücksichtigen. In einem demokratischen Prozess sind Kompromisse gefragt, aber es gewinnt immer die Mehrheit. Vielleicht ist meine Meinung heute Teil der Mehrheit und morgen Teil der Minderheit. Meine Aufgabe ist es, zusammen mit dem Ortschaftsrat und dem Gemeinderat, mehrheitsfähige, bestmögliche Vorschläge zu machen und gute Entscheidungen für Weitingen und die Gesamtgemeinde zu treffen.

Welche Nutzung könnten Sie sich persönlich am ehesten für das Adler-Areal vorstellen?

Wenn ich mir das frei von allen Zwängen wünschen könnte, wäre eine Gastronomie oder ein Café mit Sitzmöglichkeiten im Freien eine Bereicherung in der Ortsmitte. Bei einer Café-Lösung hätten wir sogar eine alteingesessene Konditorei und Bäckerei im Ort, die sich vielleicht über einen attraktiven Standort mit Parkplätzen direkt an der Dorfstraße freuen würde. Im mittleren und hinteren Bereich des Areals würde ich mir eine Einrichtung wünschen, in der Senioren so wohnen können, wie es für ihre Lebensumstände gut passt. Mit zubuchbaren Serviceleistungen, Betreuung, Mittagstisch, Treffpunkt und weiteres. Das wäre auch eine ideale Ergänzung zu dem reinen Pflegeheim in Eutingen – da könnte es Synergieeffekte geben. Auch Büroräume für ein Ingenieurbüro für Architekten, für Entwicklung oder Ähnliches kann ich mir sehr gut vorstellen. Vielleicht fallen auch irgendwo noch Lagermöglichkeiten ab, die von Vereinen genutzt werden können. Im Schafstall sind die Räumlichkeiten sehr begrenzt.

Kosten von knapp sechs Millionen Euro für die Weitinger Halle wurden im alten Gemeinderat kritisiert. Wie wichtig ist der Umbau inklusive Unterbringung der Feuerwehr?

Sechs Millionen Euro für beide Maßnahmen, Umbau und Feuerwehr, sind richtig viel Geld. Aber ich empfehle jedem Kritiker einen offenen, unvoreingenommenen Blick in die Räumlichkeiten der Weitinger Sporthalle. Danach erkläre er bitte den Vereinen, der Schule, den Weitingern seine Gründe, warum der Hallenumbau nicht erforderlich sei.

Der Hallenumbau wird Weitingen prägen und lässt finanziell nicht viel Spielraum für weitere Projekte. Welche kleinen Maßnahmen müssen dennoch zeitnah umgesetzt werden?

Ich denke, die nicht vorhandene Barrierefreiheit im Eutinger Rathaus ist ein ganz dringliches Problem, für das wir Gemeinderäte eine Lösung finden müssen. Was den finanziellen Spielraum für wichtige zusätzliche Projekte im Ort angeht, für die keine Mittel im Haushalt vorgesehen sind, halte ich in Zeiten anhaltend niedriger Zinsen eine abgegrenzte, zweckgebundene Darlehenslösung für vertretbar.

In welchem infrastrukturellen Bereich muss sich Weitingen noch verbessern, um weiter ein attraktives Dorf zu bleiben?

Eutingen im Gäu deckt laut Bürgermeister Armin Jöchle bereits 90 Prozent seines Energiebedarfs mit regenerativen Energien ab. Das ist sehr gut, aber kein Grund nachzulassen. In Zeiten des Klimawandels und der „Fridays for Future“-Bewegung möchte ich dazu beitragen, unseren ökologischen Fußabdruck weiter zu optimieren. Unsere Kinder sollen freitags zur Schule gehen können, statt auf die Demo, weil sie wissen, dass ihre Gemeinde ihre Umwelt und ihre Zukunft schützt und bewahrt. Da können kleine Maßnahmen viel helfen wie der Ausbau von Photovoltaik auf vorhandenen Dächern und bei Neubauten, der Ausbau des ÖPNV, um die Ortsteile zusammen und die umliegenden Städte näher an uns zu bringen und den Individualverkehr zu reduzieren.

Die Anbindungen waren ja auch vor der Kommunalwahl ein wichtiges Thema…

Mit dem Bus zum Edeka nach Eutingen, zum Einkaufen und Bummeln nach Horb, Nagold und Rottenburg und zu den Bahnhöfen, täglich und am Wochenende und mit einem annehmbaren Takt. Das wäre zukunftsweisend und umweltschonend. Da muss sich der Landkreis endlich auch in den Randgebieten deutlich engagieren. Ergenzingen ist jetzt im VVS, das freut mich für unsere Nachbarn. Wenn Weitingen hoffentlich weiter wächst, kann die Verkehrsbelastung ein Thema werden. Schon jetzt ist das Verkehrsaufkommen aus Richtung Eyach und in Richtung Rohrdorf deutlich gestiegen. Das werde ich im Auge behalten. Möglicherweise brauchen wir zur Sicherheit der Fußgänger, Schüler und Kinder ein Tempolimit auf der Dorfstraße.

Was möchten Sie nach Ihren ersten fünf Jahren als Ortsvorsteher über Weitingen sagen können?

Weitingen ist gewachsen und hat sich positiv weiterentwickelt. Das Adler-Areal fügt sich wunderbar in den Ortskern und die dort ansässigen Einrichtungen werden sehr gut angenommen. Der Umbau der Weitinger Sporthalle ist im Kostenrahmen geblieben und das Ergebnis wird von der Bevölkerung und den Vereinen gut angenommen.

Und was über die Erfahrung als Ortsvorsteher?

Nun, ich bin der Meinung, dass neue Besen nicht zwangsläufig besser kehren müssen als alte. Aber ich bin der Meinung, dass neue Besen ganz sicher anders kehren und dabei eigene Spuren hinterlassen. Ich wünsche mir, dass dabei die positiven Erfahrungen deutlich überwiegen.

Zur Person: Musik und Umwelt

Rainer Himmelsbach ist 60 Jahre alt. Der Diplom-Ingenieur für Informatik und Elektronik ist verheiratet und wohnt seit über 23 Jahren in Eutingen im Gäu. Seit 27 Jahren ist Himmelsbach Angestellter bei der IBM Forschung und Entwicklung in Böblingen. Dort war er überwiegend als Teamleiter tätig.

Himmelsbach ist aktives Mitglied im Musikverein Weitingen, war dort über zehn Jahre Kassier und ist nun als Ausschussmitglied tätig. Er ist zudem aktives Mitglied im Förderverein des MVW, förderndes Mitglied im Angel- und Naturschutzverein Weitingen sowie aktives Mitglied bei Bündnis 90/Die Grünen. Beim Einkaufen achtet Himmelsbach auf eine „weitestmögliche Unterstützung regionaler und ökologisch produzierender Betriebe und Geschäfte“.

In seiner Freizeit arbeitet der 60-Jährige an Haus und Garten, geht Wandern und Radeln im Allgäu und in der Bodenseeregion.

Zum Artikel

Erstellt:
01.08.2019, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 5min 44sec
zuletzt aktualisiert: 01.08.2019, 01:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Newsletter Prost Mahlzeit
Sie interessieren sich für gutes und gesundes Essen und Trinken in den Regionen Neckar-Alb und Nordschwarzwald? Sie wollen immer über regionale Gastronomie und lokale Produzenten informiert sein? Dann bestellen Sie unseren Newsletter Prost Mahlzeit!