Gedenken

Erinnerung wach halten

Schüler/innen des Rottenburger Paul-Klee-Gymnasiums gestalteten in der ehemaligen Baisinger Synagoge die Gedenkfeier zur Reichspogromnacht.

11.11.2016

Von Dunja Bernhard

Am 9. November wurde in der Gedenkstätte Synagoge Baisingen an die Reichspogromnacht erinnert. Der Schulchor des Paul-Klee-Gymnasiums sang das jiddische Lied „Tumbalalaika“, begleitet von Julia Kiesewalter am E-Piano. Bild: Bernhard

Am 9. November wurde in der Gedenkstätte Synagoge Baisingen an die Reichspogromnacht erinnert. Der Schulchor des Paul-Klee-Gymnasiums sang das jiddische Lied „Tumbalalaika“, begleitet von Julia Kiesewalter am E-Piano. Bild: Bernhard

An die Reichspogromnacht vor 78 Jahren gedachten am Donnerstag in der ehemaligen Baisinger Synagoge rund 60 Menschen. Mit der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 begann die systematische Verfolgung und Tötung von rund 6 Millionen Juden. In der Reichspogromnacht wurden in Deutschland über 1400 jüdische Gebetshäuser, aber auch Wohnungen und Arbeitsstätten zerstört.

Die Baisinger Synagoge blieb nur deswegen erhalten, weil bei der dichten Bebauung ein Übergreifen der Flammen auf die Nachbargebäude befürchtet wurde. Das Innere des jüdischen Gotteshauses fiel jedoch der Verwüstung zum Opfer.

Es sei wichtig, Jahr für Jahr der Geschichte zu gedenken, sagte Rottenburgs Oberbürgermeister Stephan Neher. Damit Fehler sich nicht wiederholten. Er wolle keine Analyse der amerikanischen Präsidentenwahl vornehmen, aber einen Wahlkampf zu führen, in dem Hass gegen Einwanderer, Homosexuelle und Frauen geschürt werde, sei nicht der richtige Weg. „Nationalismus hat noch nie zu etwas Gutem geführt.“ Er hoffe, dass das nur Wahlkampfgetöse war und die Realität besser aussieht.

Die Gedenkstunde in der ehemaligen Synagoge in Baisingen gestalten jedes Jahr Jugendliche einer Rottenburger Schule. Heuer waren es Schüler/innen des Paul-Klee-Gymnasiums.

Sie lasen mit verteilten Rollen eine Passage aus „Damals war es Friedrich“ von Hans Peter Richter. Der namenlose Ich-Erzähler, der als Pimpf und später als Hitlerjunge bezeichnet wird, ist der beste Freund des Juden Friedrich. Doch in der Reichspogromnacht lässt er sich von der Zerstörungswut der anderen anstecken und zerschlägt lustvoll die Wohnungseinrichtung der jüdischen Nachbarn.

Mit sehr sachlichen und doch durch die Schilderung der Diskriminierung bedrückenden Augenzeugenberichten von Erich Kästner und Elias Canetti machten die Jugendlichen die damalige Zeit noch einmal in die Synagoge gegenwärtig. Hoffnungsvoll war das Gedicht des jüdischen Jungen Ivo Katz. Um so schwerer wog, dass er als 11-Jähriger im Konzentrationslager umkam.

Der Schulchor umrahmte die Wortbeiträge mit jüdischen und israelischen Lieder. Celine Kühn spielte auf der Geige „Sabbat prayer“ aus dem Musical „Anatevka“. Kohlezeichnungen des Neigungskurses Kunst, die ganz unterschiedliche Persönlichkeiten zeigten, hingen an den Wänden und zogen die Blicke auf sich.