Interview

„Frauen machen anders Politik“

Die Geburtsstunde des Frauenwahlrechts war vor 100 Jahren. Über das historische Ereignis und Frauen in der Politik sprachen wir mit Saskia Esken.

13.11.2018

Von Dagmar Stepper

Wahlsonntag Horb 25.5.2014.Bild: Kuball

Wahlsonntag Horb 25.5.2014.Bild: Kuball

Am 12. November 1918 wurde mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs das Wahlrecht für Frauen beschlossen. Im Interview mit der SÜDWEST PRESSE spricht die SPD-Bundestagsabgeordneten Saskia Esken (57) über Frauen, Wahlen und ihr Mandat.

Frau Esken, wählen Frauen anders?

Saskia Esken: Das hätten wir vielleicht gern, das ist aber nicht so. Gerade in der Kommunalpolitik zeigt sich: Auch wenn es Frauenlisten gibt, bekommen wir nicht mehr Frauen rein. Frauen wählen nicht automatisch Frauen, sondern auch Männer.

Frauen dürfen nicht nur wählen, sondern auch gewählt werden. Sind Frauen die besseren Politiker/innen?

Naja, das möchte ich nicht so sagen. Frauen machen anders Politik und kommunizieren auch anders. Sie benutzen weniger die Ellenbogen. Durch das Rollenverhältnis haben sie auch eine andere Lebenssicht. Das macht sich besonders in Gremien bemerkbar, die nur aus Männern bestehen. Wenn beispielsweise Bildungspolitik aus Sicht von Männern mit Enkelkindern gemacht wird, die ihre Enkel schon lange nicht mehr gesehen haben. Das ist kein Vorwurf, aber hier würden Frauen eine andere, bessere Politik machen.

Erinnern Sie sich noch an Ihre erste Wahl?

Das war die Bundestagswahl 1980. Ich weiß noch, dass an diesem Wahlsonntag in der katholischen Kirche ein Hirtenbrief zur desaströsen Staatsverschuldung verlesen wurden. Das war eindeutig ein Aufruf zur Wahl der CDU. Obwohl ich damals links von der SPD war, habe ich die Genossen gewählt.

Schon mal eine Wahl geschwänzt?

Nein, das geht überhaupt nicht! Wählen geht man, auch wenn man an dem Wahltag verhindert ist. Es gibt ja schließlich Briefwahl.

Ihre letzte Wiederwahl 2017 am war ja eine ziemliche Hängepartie. Wie war das Gefühl an diesem Sonntagabend?

Ich kannte das ja, beim ersten Mal war es genauso. Ich konnte an diesem Abend nicht feiern, da das Ergebnis erst in der Nacht feststand. Die Wahlnacht war für mich also eine sehr lange Nacht. Morgens um 3 Uhr war dann klar, dass ich wieder in den Bundestag eingezogen war. Da konnte ich mich dann freuen. Nicht für mich persönlich, auch wenn ich sehr gern meine Arbeit mache. Ich hatte auch keine Angst davor, nicht wieder einzuziehen. Es gibt eine Menge Sachen, mit denen ich mich auch außerhalb des Parlaments beschäftige. Aber für den Wahlkreis wäre es schade gewesen.

Als Hillary Clinton als Präsidentin scheiterte, lag das auch an der mangelnden Unterstützung von Frauen. Fehlt die Solidarität?

Solidarität ist sehr schwer zu organisieren, und Frauenunterstützung ist weniger Wert als Mänennetzwerke. Die Old-Boys-Netzwerke funktionieren einfach, Frauennetzwerke hat schon so einen Touch in Richtung Feminismus. Aber Frauen sind bestimmt nicht weniger solidarisch. Insgesamt muss ich aber sagen: In der Politik fehlt es generell an Solidarität – egal welches Geschlecht.

Wie gewinnt man junge Frauen dazu, sich bei Wahlen aufstellen zu lassen?

Das ist eine spannende Frage, denn zur Zeit suchen wir ja Kandidatinnen und Kandidaten für die Kommunalwahl 2019. Wenn wir junge Frauen ansprechen, zweifeln diese allerdings oft, ob sie dafür kompetent sind. Das würde ein Mann nie sagen. Frauen wählen auch oft Männer, weil sie diese für die besseren Kandidaten halten. Sie glauben, die Männer seinen qualifizierter, würden den Job besser machen. Da erklären wir dann, dass niemand für alles Kompetenz besitzt, niemand das ganze Spektrum eines Gemeinderats abdecken kann. Das teilt man sich auf. Außerdem gibt es Fortbildungen und Hilfen. Für Frauen kommt eine Kandidatur oft auch wegen ihrer Kinder nicht in Frage. Sie wissen nicht sie wie das Ehrenamt schaffen sollen. Da muss man Angebote schaffen, wie beispielsweise Kinderbetreuung während den Sitzungen oder einen Babysitter bezahlen.

Denken Sie manchmal, „Oh man, der Politikerbetrieb ist echt ne Männerdomäne“?

Ja, klar! Die Netzwerke der Jungs funktionieren einfach so gut, Frauen agieren anders. Gegen die Ellbogen-Mentalität, den Chauvinismus der Männer muss man sich echt wappnen. Da muss man Hürden überwinden und sich durchsetzen, wenn man beispielsweise nicht ausreden darf.

Wird 100 Jahre Frauenwahlrecht in Berlin besonders gefeiert?

Es gibt verschiedene Veranstaltungen, ich bin allerdings in Paris beim „Internet Governance Forum“, einer Diskussionsplattform für Politik und Internet, bei dem auch Emmanuel Macron und der kanadische Präsident Justin Trudeau dabei sind. Jetzt habe ich schon zwei Männer genannt (lacht). Daher wird der Fokus weniger beim Frauenwahlrecht liegen – aber mit dem Herzen bin ich natürlich dabei.

Am 12. November 1918 wurde das Wahlrecht für Frauen in Deutschland beschlossen, am 19. Januar 1919 duften sie zum ersten Mal an die Urne. Heute bestimmen Frauen oft die Wahlen. Archivbild. Karl-Heinz Kuball

Am 12. November 1918 wurde das Wahlrecht für Frauen in Deutschland beschlossen, am 19. Januar 1919 duften sie zum ersten Mal an die Urne. Heute bestimmen Frauen oft die Wahlen. Archivbild. Karl-Heinz Kuball

Saskia Esken

Saskia Esken

Zum Artikel

Erstellt:
13.11.2018, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 12sec
zuletzt aktualisiert: 13.11.2018, 01:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Newsletter los geht's
Nachtleben, Studium und Ausbildung, Mental Health: Was für dich dabei? Willst du über News und Interessantes für junge Menschen aus der Region auf dem Laufenden bleiben? Dann bestelle unseren Newsletter los geht's!