Altheim · Landwirtschaft

Erntezeit im Steinachtal

Während das Getreide beim Dreschen fällt, zieht der Altheimer Gerhard Faßnacht auf seinem Mähdrescher Zwischenbilanz.

15.08.2020

Von Annette Maria Rieger

Ernte in Altheim

Erntezeit im Steinachtal: Gerhard Faßnacht, Vollerwerbslandwirt aus Altheim, prü...
Erntezeit im Steinachtal: Gerhard Faßnacht, Vollerwerbslandwirt aus Altheim, prüft im Feuchtigkeitsmesser den Wasseranteil im Dinkel. Bild: Mathias Huckert

© NC

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Gerhard Faßnacht zerreibt eine Dinkel-Ähre in der Hand, lässt die Körner in das Feuchtigkeitsmessgerät rieseln und nickt bald darauf zufrieden: Mit 13,5 Prozent Wasseranteil ist die Lagerfähigkeit gewährleistet. Jetzt kann der Mähdrescher zwischen Bohl und Fuchsgrube aufs Dinkelfeld. Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Wind entscheiden, wann der Mähdrescher anrollt und die Grillen übertönt, das Getreide drischt und ein Stoppelfeld hinterlässt.

Ernte in Altheim

Erntezeit im Steinachtal: Gerhard Faßnacht, Vollerwerbslandwirt aus Altheim, prü...
Erntezeit im Steinachtal: Gerhard Faßnacht, Vollerwerbslandwirt aus Altheim, prüft im Feuchtigkeitsmesser den Wasseranteil im Dinkel. Bild: Mathias Huckert

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Faßnacht, seit 36 Jahren Landwirt, begutachtet die Frucht.

Faßnacht, seit 36 Jahren Landwirt, begutachtet die Frucht.

Hat man die Leiter über die mannshohen Vorderräder in die Kabine erklommen, ist es, als sitze man im ersten Stockwerk eines Hauses, das sich gemächlich mit vier Kilometern pro Stunde übers Land bewegt. Das Dröhnen des Motors und Rattern des Schneidemessers dringen kaum in die klimatisierte Fahrerkabine. Die Haspel dreht sich vorneweg durch die Dinkelhalme. Das Messer im Schneidebalken flitzt knapp über dem Boden hin und her und kappt die soeben noch so aufrechten Halme unentwegt. Im Rücken der Fahrerkabine füllt sich der Getreidetank mit den zerriebenen, braun-beigen Dinkel-Ähren. Faßnacht dreht sich zufrieden um, klopft auf die Tank-Scheibe und sagt: „Da sieht man einfach, dass man was geleistet hat.“

Auch Jochen Beck zieht es jedes Jahr zur Ernte aufs Feld.

Auch Jochen Beck zieht es jedes Jahr zur Ernte aufs Feld.

Vor drei Jahren hat er in den Mähdrescher 240 000 Euro investiert. Jetzt, da der Dinkel seit etwa drei Wochen die Ähren-Köpfchen hängen lässt und damit seine Reife anzeigt, teilt er sich mit Sohn Stefan (24), der den Hof übernehmen wird, und dem Altheimer Jochen Beck das Mähdreschenfahren ein. Jeder darf mal, sagt Gerhard Faßnacht, und lacht. „Mähdrescherfahren ist noch entspannter als Motorradfahren“, stimmen er und Beck, der dafür seine Freizeit drangibt, überein.

Wie man da zum Abend hin übers Feld schnurrt, SWR1 im Ohr und den Blick frei über die Felder im Sommerlicht bis zum blauen Albtrauf am Horizont, da bleibt die Ehrfurcht vor dem prächtig gewachsenen Korn nicht aus. Zugleich ist eine leichte Wehmut herauszuhören, wenn Faßnacht angesichts der fallenden Ähren nachdenklich sagt: „Bedenkt man das im Respekt vor den Kulturpflanzen, geht das fast ein bisschen zu schnell.“ Auf die Erntezeit im August, heuer aufgrund der Trockenheit rund acht Tage vor dem üblichen Erntestart, hat Faßnacht im Familienbetrieb mit fünf Mitarbeitern das ganze Jahr hingeschafft: „Dann kommt der Mähdrescher – und alles ist vorbei.“

Dieses Jahr stehen die Ähren fadengerade wie eine Eins. Kein Unwetter hat sie ins Feld gelegt. Die Preise könnten höher sein, waren aber auch schon niedriger. Generell wüsste Faßnacht ganz gerne, mit was man über zehn Jahre hinweg rechnen könnte, um Investitionen wie in den Mähdrescher zu bezahlen.

Der Vollerwerbsbetrieb Faßnacht – 600 Schweine, 100 Milchkühe und Ackerland, von dem ein Großteil gepachtet ist – arbeitet mit fünf Festangestellten. Um alles am Laufen zu halten, setzt der 55-Jährige auf eine Mischkalkulation – und sieben Kulturen auf den Feldern: Von der Wintergerste, die zuerst geerntet wird, bis zum Hafer.

Klimawandel bemerkbar

Seit der Aussaat im Oktober sind die Felder gewachsen. Die Erträge bei Raps und Weizen liegen dieses Jahr knapp unter dem Durchschnitt der Vorjahre. Die Wintergerste wuchs nur 25 Zentimeter hoch – was der ersten Trockenheit in diesem Frühjahr geschuldet ist. Das Stroh wird zur Einstreu, hauptsächlich jedoch als Futter verwendet: „Und das fehlt ganz arg dieses Jahr.“

Der Klimawandel, stellt Faßnacht fest, macht sich durch die wärmeren Winter bemerkbar. Die Landwirte hätten deshalb in den vergangenen Jahren verstärkt mit Spätfrost zu kämpfen: Die Pflanzen keimen und entwickeln sich früher im Jahr – bis die Eisheiligen („die kommen jedes Jahr mit gleicher Wucht, daran ändert sich nichts“) unerbittlich die frühzeitige Entwicklung zunichtemachen.

Dieses Jahr waren die oberen drei Ährchen der Wintergerste hohl und leer. Erklären lässt sich das Faßnacht zufolge nur damit: Die früh entwickelte Wintergerste ist während der Eisheiligen von oben herab erfroren. Fasnacht: „Sowas habe ich in den 36 Jahren, seit ich meinen landwirtschaftlichen Betrieb führe, noch nie gesehen.“

Schon ist das Feldende erreicht. Gerhard Faßnacht kurbelt das Lenkrad seines Mähdreschers – 367 PS, 6,60 Meter Schnittbreite – und zieht die nächste Bahn. An die 200 Hektar werden es dieses Jahr sein, die sie zu dritt im Steinachtal dreschen.

Ein paar große Heuschrecken springen verschreckt vor dem Mähdrescher davon. Lange nach dem Raps und Weizen, so Faßnacht, wird er den Mais ernten. Der Vorsitzende des Kreisbauernverbands räumt ein weitverbreitetes Missverständnis aus: Raps ist keinesfalls beliebter bei Wildschweinen als alles andere – Mais bietet ihnen nur länger im Jahr Unterschlupf. Im Übrigen ertrage Mais als subtropische Pflanze die steigenden Temperaturen noch am besten - benötige aber auch mehr Wasser. Getreide erträgt Temperaturen über 28 Grad Celsius nur schwer und „verbrennt“, wenn es zu lange sengende Hitze aushalten muss. Dann kristallisiert das Salz in der Pflanze, die Blätter werden weiß.

Der Piepton signalisiert einen vollen Tank. Faßnacht steuert den Feldrand an, betätigt zwei, drei Knöpfe, und schon rieselt die Dinkelernte auf den Anhänger am Feldrand – ohne dass er aussteigen müsste.

Weiter geht’s, zur nächsten Runde, in der Faßnacht Rückschau hält. Etwa 14 Tage nach der Aussaat hat er als konventioneller Landwirt mit Herbiziden dafür gesorgt, dass der Muschelkalk-Mischboden dem Getreide vorbehalten bleibt und kein Unkraut wuchert. Anders als beim Bio-Landwirt werde der Boden nicht sechsmal gestriegelt, so sagt er, und setze somit auch kein CO2 frei. Im Mai, etwa zwei Monate vor der Ernte, werden Fungizide gesprüht, um zu verhindern, dass sich Toxine bilden. Bodenbrüter wie Feldhasen oder Rebhühner beeinträchtigt das nicht, sagt Faßnacht: „Das geschieht ja im geschlossenen Bestand und erreicht den Boden gar nicht.“ Grundsätzlich vertritt er die Ansicht: Wenn bis im Jahr 2050 rund 10 Milliarden Menschen ernährt werden sollen, gehe das nur mit einer Landwirtschaft, die effizient sei – also der konventionellen.

Von der Walzmühle zum Bäcker

Eineinviertel Stunden später sind 1,64 Hektar geerntet und der Dinkel vom Mähdrescher-Tank auf den großen Ladewagen verladen. Auf einem Hektar Acker lassen sich im Schnitt etwa 60 Doppelzentner Dinkel ernten. Das Stroh liegt mittig auf den Stoppelfeld-Bahnen, die Faßnacht gezogen hat. Das Getreide kommt ins Trockenlager und dann in die Altheimer Walz-Mühle. Von dort bezieht die Horber Bäckerei Saur ihr Mehl und backt daraus regionales Dinkelbrot und -brötchen.

Wenn doch nur der Verbraucher bereit wäre, für sein Weckle ein paar Cent mehr zu bezahlen, so Faßnacht: „Wir wollen keine uferlosen Preise, sollten aber wissen, dass wir über zehn Jahre hinweg kontinuierlich so viel verdienen, dass man auch mal ein schlechtes Jahr überbrücken kann.“

Letztlich ist es der Weltmarktpreis, der darüber entscheidet, was die Ernte unterm Strich einbringt. In seinem bislang schlechtesten Jahr, so Faßnacht, lag der Weltmarktpreis für Weizen bei 8 Euro für 100 Kilogramm, im besten bei 24 Euro. Dieses Jahr wird Weizen zwischen 17 und 18 Euro auf dem Weltmarkt gehandelt.

Bis jetzt, sagt Faßnacht und reibt am Feld nebenan Weizenkörner von Hand aus der goldgelben Ähre, war dies ein gutes Jahr im Steinachtal.

Erntezeit im Steinachtal
Landwirtschaft Während das Getreide fällt, zieht der Altheimer Gerhard Faßnacht auf seinem Mähdrescher Zwischenbilanz. Erntezeit im Steinachtal

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Erstellt:
15.08.2020, 01:05 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 37sec
zuletzt aktualisiert: 15.08.2020, 01:05 Uhr

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