Horb · Justiz

Erste Plädoyers im Prozess um Michael Riechers Ermordung

Die geforderten Strafen reichen von 2 Jahren auf Bewährung bis lebenslänglich.

19.12.2019

Von Manuel Fuchs

Landgericht Rottweil. Bild: Manuel Fuchs

Landgericht Rottweil. Bild: Manuel Fuchs

Der gestrige Verhandlungstag am Rottweiler Landgericht begann mit einer Erklärung des zweiten Angeklagten: Er bat die Hinterbliebenen erneut um Entschuldigung und sei um Wiedergutmachung des Schadens bemüht. Verwandte haben ihm 1501 Euro zur Verfügung gestellt – was seinem Anteil an der Beute entspreche. Er wolle diese Summe den Nebenklägerinnen, den Schwestern Michael Riechers übergeben. „Das ist ja lächerlich!“, entgegnete eine von diesen prompt. Nach einer kurzen Besprechung nahmen die Nebenklägerinnen den Betrag an, um ihn einer gemeinnützigen Organisation zu spenden, die Opfer von Gewaltverbrechen unterstützt. Der Vorsitzende Richter Karlheinz Münzer gab zu Protokoll, dass eine Verständigung nicht stattgefunden habe.

Oberstaatsanwalt Dr. Christoph Kalkschmid zeichnete den Tatablauf nach, wie er sich nach Abschluss der Beweisaufnahme darstellte. Demnach habe der zweite Angeklagte am Abend des 2. November 2018 Michael Riechers Wohnung betreten, um von diesem – unter Androhung oder Ausübung von Gewalt – Geld zu erpressen. Nach einem kurzen Gerangel habe Riecher dem Angreifer 3000 Euro ausgehändigt. Zu diesem Zeitpunkt hatte der erste Angeklagte, dem Michael Riecher ein väterlicher Freund gewesen sein soll, die Wohnung ebenfalls betreten. Er musste befürchten, von Riecher mit der Tat in Verbindung gebracht zu werden, habe ihn deswegen von hinten angegriffen und erwürgt. Vieles spreche dafür, dass der – als notorisch klamm bekannte – erste Angeklagte außerdem 10000 Euro von Riecher erhalten hatte, um für diesen Goldmünzen zu kaufen, und die Rückzahlung dieser Summe umgehen wollte.

Kalkschmid stellte mehrfach fest, dass der zweite Angeklagte Michael Riechers Wohnung ohne Tötungsabsicht betreten habe. „Ich habe jedoch erhebliche Schwierigkeiten damit, dass er den Würgevorgang nicht wahrgenommen und ihn sich auch nicht vorgestellt hat.“ Ein Eingreifen, um Michael Riechers Tod abzuwenden, sei ihm möglich und zumutbar gewesen. Jede andere Darstellung bezeichnete Kalkschmid als Schutzbehauptung. Deshalb forderte er für den zweiten Angeklagten eine Freiheitsstrafe von 10 Jahren und 6 Monaten wegen räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Totschlag durch Unterlassen. Das Handeln des ersten Angeklagten hingegen weise wesentliche Mordmerkmale, nämlich die Verdeckung eines anderen Verbrechens und Heimtücke, möglicherweise auch Grausamkeit auf. Deshalb sei er mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe zu belegen und die besondere Schwere der Schuld festzustellen.

Die Vertreter der Nebenklage schlossen sich diesen Ausführungen an und ergänzten, dass im juristischen Sinne zwar einzig Michael Riecher das Tatopfer sei, seine Hinterbliebenen aber ebenfalls massiv unter der Tat und dem langwierigen Verfahren gelitten haben. Rechtsanwalt Kaulmann, der eine Schwester Michael Riechers vertritt, forderte gar eine höhere Strafe: Er gehe davon aus, dass der zweite Angeklagte seinen Komplizen in einem Anruf zur Tatzeit darüber informierte, dass Michael Riecher eine Verbindung zwischen den beiden Tätern ahnte. Dass diese Information den Tod Michael Riechers nach sich ziehen würde, habe er wissen müssen. Beide Angeklagte seien daher wegen Mordes zu lebenslänglichen Freiheitsstrafen zu verurteilen. Beim zweiten Angeklagten liege Verdeckungsabsicht vor, besondere Schwere der Schuld treffe jedoch nur den ersten. Eine Nebenklägerin ergänzte, sie „fände es ziemlich unerträglich, wenn meine Schwestern oder auch ich in ein paar Jahren einem dieser Täter wieder auf der Straße begegnen müssten“.

Die Rechtsanwälte Fischer und Frank, Verteidiger des zweiten Angeklagten, äußerten Verständnis für diese Haltung, „aber wir Justisten sollten das differenzierter sehen“, formulierte Fischer. Sein Mandant habe mit dem Vorsatz, höchstens leichte Gewalt auszuüben, um Geld zu erbeuten, Michael Riechers Wohnung betreten. Die Tat sei beendet gewesen, bevor der erste Angeklagte Michael Riecher erwürgte.

Das umfassende Geständnis des zweiten Angeklagten unmittelbar nach dessen Festnahme, auf das die Staatsanwaltschaft ihre Anklagte stütze, sowie die Ergänzungen im Hauptverfahren sei in die Zumessung des Strafrahmens einzubeziehen. Fischer und Frank sahen ihren Mandanten lediglich der räuberischen Erpressung schuldig. Ihn treffe keine Schuld an Michael Riechers Tod. Dafür sei eine Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren angemessen, die wegen günstiger Sozial- und Legalprognose zur Bewährung ausgesetzt werden könne. Die Plädoyers der Verteidiger des ersten Angeklagten sollen am Freitag, 20. Dezember, folgen, das Urteil der Kammer wird am 8. Januar 2020 erwartet.