Digitalisierung

Es bleibt der Mensch im Mittelpunkt

Wie und in welchem Maß man sich gerade in der Arbeitswelt auf Herausforderungen einstellen muss, wurde beim Wirtschaftsdialog der Wirtschaftsförderung Nordschwarzwald in Pfalzgrafenweiler diskutiert.

09.05.2018

Von Gerd Braun

Einen Experten nach dem nächsten interviewte Moderatorin Carmen Hentschel in der altehrwürdigen Turn- und Festhalle. Impulse gab es dabei für die rund 100 Zuhörer aus Unternehmen, Politik und Verwaltung, umfassende Pauschallösungen allerdings nicht. Bilder: Kuball

Einen Experten nach dem nächsten interviewte Moderatorin Carmen Hentschel in der altehrwürdigen Turn- und Festhalle. Impulse gab es dabei für die rund 100 Zuhörer aus Unternehmen, Politik und Verwaltung, umfassende Pauschallösungen allerdings nicht. Bilder: Kuball

Durch und durch erleuchtet dürfte keiner der rund 100 Teilnehmer des Wirtschaftsdialog Nordschwarzwald aus der Halle gegangen sein. Dazu ist das Thema Digitalisierung in vielen Bereichen schlicht zu wenig griffig, zu diffus. Inspiration, gewiss, das bot die Veranstaltung der Wirtschaftsförderung Nordschwarzwald (WFG) durchaus. Nicht zuletzt aber blieb die zentrale Frage nicht rundum beantwortet im Raum stehen: Wo steht der Mensch inmitten des Allmachts-Themas Digitalisierung und wo wird er stehen bleiben?

Dass digitale Technologien ihrem Unternehmen, ihrer Institution eine Profit-Chance bietet, darin waren sich rund drei Viertel derer, die in Pfalzgrafenweiler an einer spontanen Blitzumfrage – natürlich digital – mitgemacht haben, einig. Aber wie und in welchem Ausmaß? Und was ist dafür zu tun? Auch diese Fragen werden pauschal kaum zu beantworten sein, sondern relativ individuell.

Veränderung durch Digitalisierung – was ist da zu erwarten? Stefan Bogenrieder, Geschäftsführer des im Aufbau befindlichen Campus Nordschwarzwald in Freudenstadt, meinte da: „Es ist ganz banal das: Wie die Menschen miteinander zusammenarbeiten.“ Der Wandel schreite rasend schnell voran, und nicht jeder könne im selben Tempo mitgehen.

In eine ähnliche Richtung argumentierte Armin Wüstner, Leiter der kaufmännischen Eduard-Spranger-Schule in Freudenstadt. „Was in zehn oder 20 Jahren gebraucht wird, weiß man nicht“, sagte Wüstner auf die Frage von Moderatorin Carmen Hentschel; was man aber brauche, sei ein sehr hohes Maß an Offenheit und Flexibilität bei den angehenden Berufstätigen. Und so seien es eher Persönlichkeits-Kompetenzen, die zur Integration auf einem sich wandelnden Arbeitsmarkt notwendig sind. Denn, so prognostiziert eine Studie: 70 Prozent der Berufe, die die Kinder von heute später ausüben werden, gebe es heute noch gar nicht. Überraschend auch diese Aussage von Armin Wüstner: „Um Schule handlungsfähig zu machen, braucht’s nicht Millionen, sondern es braucht Milliarden.“

Wie aber die Gesellschaft mit den digitalen Möglichkeiten umgeht, dürfte auch aus der kulturellen Grundhaltung hervorgehen. Denn, wie Florian Ohmenhäsuer vom Nagolder Beschlagtechnik-Unternehmen Häfele ausführte, gebe es in Fernost schon heute Hotels, in denen sich die Gäste mit ihrem Smartphone das Zimmer öffnen statt mit einem Schlüssel von der Rezeption. Noch aber, entgegnete René Skiba, Geschäftsführer der Tourismus Nordschwarzwald, sei dies kein für die Region hier passendes Prinzip: „Die Gäste wollen ankommen“ – und zwar mit einem Empfang an der Rezeption. Dies belege das Feedback der Gäste, die auch immer noch gerne Tipps des Personals nachfragten, wo man denn was in der Region erleben kann. Social-Media-Kanäle seien im hiesigen Tourismus zwar interessante Marketing-Instrumente, „die Gäste vor Ort sind aber der entscheidende Faktor.“

Menschen sind naturgemäß entscheidende Faktoren beim Thema Digitalisierung in Kliniken und für Krankenkassen. Dominik Nusser, Regionaldirektor der Enztalkliniken prognostizierte in dem Bereich zwar große Innovationen in den kommenden Jahren – unter anderem das Thema Videosprechstunde oder das digitale Zuschalten von Experten bei Diagnose- und Behandlungsfragen; „das größte Problem aber ist der Datenschutz“, sagte er. Wobei er auf sehr restriktive Grundsätze seiner Kliniken beim Thema IT-Sicherheit verwies.

Menschen, in diesem Fall Patienten und Ärzte, sind es auch, die die fortschreitende Digitalisierung bei der AOK auch hemmen. Hartmut Keller, Geschäftsführer der AOK Nordschwarzwald, berichtete einerseits von großem Fortschreiten der internen Digitalisierung. Nach außen, also im Austausch mit Patienten und Ärzten, gebe es aber noch Ängste und Vorbehalte.

Freudenstadts Landrat Dr. Klaus Michael Rückert forderte in seinem Interview mit Carmen Hentschel auch moralische Ansätze: „Wir müssen uns Gedanken machen über das Thema Werte in der digitalen Kommunikation“, sagte er. Bei aller Aufgeschlossenheit für digitale Tools zur Terminvereinbarung oder fachlich-sachlicher Abläufe sei er aber immer noch ein „großer Freund von Face-to-Face-Kontakten“. Ohnehin sei es noch ein langer Weg, bis eine Behörde wie etwa ein Landratsamt ohne Formulare, also auch ohne Ordner mit Papier funktioniert.

Ein Blick noch in die Medienlandschaft gefällig? Hier, so verriet Thomas Satinsky, Geschäftsführender Verleger der Mediengruppe Pforzheimer Zeitung, werde im Grundsatz ja schon lange voll digital gearbeitet. Allein der Kanal, mit dem derzeit (noch) die entscheidenden Erträge erwirtschaftet werden, sei die gedruckte Zeitung. Ansonsten habe sein Medienhaus schon nahezu alle erdenklichen digitalen Medien bespielt – mit unterschiedlich großem Erfolg.

Auch er setzte den Menschen in den Mittelpunkt des Denkens: Zum einen müsse man jungen, fähigen Digital-Experten als attraktiver Arbeitgeber neben einem angemessenem Gehalt auch die Möglichkeit zur Entfaltung bieten. Auf der anderen Seite sagte Satinsky: „Der Faktor Mensch, der Journalist, wird bleiben“ – und zwar unabhängig vom Weg, über den Nachrichten verbreitet werden. Ganz kess frage Moderatorin Hentschel noch, ob der Medien-Experte einen „digitalen Super-Tipp“ habe. Satinsky schlagfertig: „Wenn ich diese Geschäftsidee hätte, würde ich sie hier sicher nicht verraten.“

Dr. Klaus Michael Rückert

Dr. Klaus Michael Rückert

Thomas Satinsky

Thomas Satinsky

Stefan Bogenrieder

Stefan Bogenrieder

Armin Wüstner

Armin Wüstner

Hartmut Keller

Hartmut Keller

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Erstellt:
09.05.2018, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 24sec
zuletzt aktualisiert: 09.05.2018, 01:00 Uhr

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