Große Solidarität mit Entringer Brandopfer

Es helfen die Freunde aus Kindertagen

Beim Brand seines Bauwagens verlor der Entringer Dietmar Lemke seine ganze Habe. Was er seither an Hilfsbereitschaft erlebt, macht ihn sprachlos.

03.01.2017

Von Uschi Hahn

Die kläglichen Reste von Dietmar Lemkes materieller Existenz: Freunde aus dem Ort halfen dem ausgebrannten Entringer am Tag vor Silvester den Schutt zu beseitigen. Bild: Vetter

Die kläglichen Reste von Dietmar Lemkes materieller Existenz: Freunde aus dem Ort halfen dem ausgebrannten Entringer am Tag vor Silvester den Schutt zu beseitigen. Bild: Vetter

Frost und Raureif hatten die Wiese am Ortsrand von Entringen noch fest im Griff, als vergangenen Freitag die Helfer da standen. Hartmut Vetter, 53, hatte sie zusammengetrommelt, um den Schutt zu beseitigen, den der Brand zwei Tage vor Weihnachten vom Bauwagen von Dietmar Lemke übriggelassen hatte (das TAGBLATT berichtete). Drei Container füllten die zehn Männer. Dann war die Arbeit getan. Drei Frauen sorgten anschließend fürs Vesper.

Vetter und Lemke kennen sich seit dem Kindergarten, verbrachten ihre Jugend gemeinsam in Entringen. Später, als Lemke die kleine Metzgerei in der Kirchstraße hatte, holte Vetter immer seine Wurst bei dem Freund aus Kindetagen. Als Lemke die Metzgerei aufgab, zum Daimler nach Sindelfingen ging, verloren sich die Kumpels etwas aus den Augen, wie Vetter sagt.

Doch als der Vollzugsbeamte bei der Stadt Tübingen hörte, was Lemke zugestoßen ist, musste er nicht lange überlegen. Binnen kurzem hatte er Kleidung und Schuhe für den Freund organisiert, dem das Feuer nur das gelassen hatte, was er am Körper trug. „Endlich hat so eine What’s App-Gruppe mal was Gutes“, sagt Vetter über die Vernetzung per Handy.

Untergekommen ist Lemke, 52, bei einem anderen guten Bekannten. Auch ihn kennt er von Kindesbeinen an, wurde später Patenonkel bei seiner Tochter. Schon zwei Tage nach dem Brand habe er in seinem Zimmer „vor lauter Klamotten kaum noch laufen können“, sagt Lemke. Die Welle der Hilfsbereitschaft hat ihn überwältigt. „Mich hat es einfach auf den Arsch gesetzt“, beschreibt er seine Überraschung und gesteht, dass er „manchmal den Tränen nahe war“ vor Rührung.

Das Leben hat es bisher nicht gut gemeint mit dem Entringer. Schon vor vier Jahren war die Scheune neben seinem Haus in der Kirchstraße abgebrannt. Kurz zuvor hatte Lemke die Diagnose Osteoporose bekommen. Der schmerzhafte Knochenschwund machte ihn zum Frührentner. Als die Scheuer wieder aufgebaut war, gab es Schwierigkeiten mit der Versicherung. Vor einem Jahr schließlich wurde das gesamte Anwesen zwangsversteigert. Die Ehe von Lemke war da schon in die Brüche gegangen. Kontakt zu seiner Familie hat er kaum noch. Nur sein Sohn half ihm vergangenes Jahr, den Bauwagen auszubauen, in den Lemke einzog, nachdem er im April das Haus räumen musste.

Ein Spendenkonto für Didi

Immer wieder brechen bei Lemke Knochen, er musste sich deshalb schon an der Halswirbelsäule operieren lassen. Dazu kommen Herzprobleme. Acht Wochen vor dem Verpuffungsbrand, der im Dezember seine materielle Existenz vollends zerstörte, musste er sich drei Stents einpflanzen lassen. Wegen der Osteoporose nimmt er seit Jahren starke Medikamente. „Wenn sich die Schmerzen in Grenzen halten, geht’s mir einigermaßen gut“, sagt er über seine Verfassung.

Was ihm geblieben ist, sind seine Tiere: Die zwei Hunde, die sieben Gänse, sechs Ziegen, zwei Schafe, ein paar Hühner und Kaninchen. Zu denen auf die Baumwiesen an den Ortsrand von Entringen würde er gerne wieder ziehen. „Die Zeit, in der ich noch auf meinen zwei Beinen laufen kann, will ich mit meinen Tieren genießen“, sagt Lemke.

Doch dafür braucht er wieder einen Bauwagen. Er müsse sich um nichts kümmern, hätten ihm die Freunde versichert, berichtet Lemke. Im Zweifelsfall würden sie auch eine neue mobile Bleibe für ihn organisieren. „Er muss sich nur entscheiden, ob er jetzt wieder sesshaft werden will oder nicht“, bestätigt Hartmut Vetter. Der hat inzwischen auch ein Spendenkonto für „den Didi“ organisiert. Das habe „Nerven gekostet“, sagt Vetter. Aber auch den Chef der Volksbank Ammerbuch kennt Vetter schon lange. Und so klappte es mit dem Konto. So sei das eben im Dorf, sagt Vetter: „Man hilft sich.“

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Erstellt:
03.01.2017, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 03.01.2017, 01:00 Uhr

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