Ewige Jugend

Ewige Jugend

Halb melancholisch, halb komödiantisch ziehen zwei betagte Künstler in einem Schweizer Luxushotel die Bilanz ihres Lebens.

04.01.2016

Von Dorothee Hermann

Ewige Jugend
01:58 min

Siehe auch: „Ewige Jugend“ räumt beim Europäischen Filmpreis ab

Es sieht nach Eskapismus vom Feinsten aus: In einem teuren Wellnesshotel in den Schweizer Alpen urlauben der Komponist Fred Ballinger (Oscar-Preisträger Michael Caine, 82) und der kaum jüngere Regisseur Mick Boyle (Harvey Keitel, 76). Wie die anderen meist bejahrten Gäste lassen sie sich in dem sanatoriumsmäßig gedämpften Ambiente die verwitterten Körper kneten.

Regisseur Paolo Sorrentino („La Grande Bellezza“) hat keinen „Zauberberg“ im Sinn. Ein Heer jüngerer Dienstboten, Massagekräfte und Trainer/innen bewegt sich und die betuchten Oldies in fast soldatisch disziplinierten Kohorten durch die weitläufigen Räumlichkeiten - zum nächsten Gymnastikangebot oder Pool. Gleichzeitig wirken diese Arbeitskräfte im Vergleich zu den von ihnen betreuten Luxus-Geschöpfen wie kuriose Abgesandte der normalen Welt. Als weitere Figurengruppe bekommen die Animateure der Unterhaltungsindustrie ihr Fett ab.

Fred und Mick sind schon jenseits der Aufregungen des Sex-Lebens und tauschen diesbezüglich allenfalls noch ein paar Anspielungen aus. Mick hält sich anderweitig in Form: Mit einer deutlich jüngeren Crew arbeitet er an seinem letzten Film, und alle zittern, ob der vorgesehene Star (eine Wucht: Jane Fonda als Brenda Morel) rechtzeitig eintreffen wird.

Fred wird durch das überraschende Auftauchen seiner Tochter Lena (Rachel Weisz) aus seinem entspannten Gleichmaß gerissen, die statt eines gemeinsamen Südseeurlaubs mit ihrem Ehemann Julian (Ed Stoppard) das heulende Elend einer Verlassenen durchmacht.

Das alles ist so unglaublich elegant in Szene gesetzt (Kamera: Luca Bigazzi), dass die bleierne Langeweile, die sich solcher Edelorte sonst so rasch bemächtigt, keine Chance hat. Die beiden charismatischen Alt-Künstler finden ein Gegengewicht in dem enigmatischen Jung-Amerikaner (Paul Dano als Schauspieler Jimmy Tree), der wie ein bleicher ureuropäischer Dandy durch die Szenen geistert. Die Figur, die er in der Kurhotel-Zurückgezogenheit entwickelt, entpuppt sich als Polit-Trash, der wie eine Bombe in eine Frühstücksgruppe von Bademantelträgern einschlägt. Es versteht sich von selbst, dass in dieser ironischen Version des mythischen Jungbrunnens eine moderne Aphrodite ihren Auftritt hat, und auch der Tod und die Liebe Einlass begehren.

Bissig-amüsantes Zerrbild des Alten Europa, das sich die morschen Glieder kneten lässt.

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Erstellt:
04.01.2016, 16:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 04sec
zuletzt aktualisiert: 04.01.2016, 16:00 Uhr

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Mr. Klex 28.11.201521:22 Uhr

Wie schon "La Grande Bellezza" ein echter Geniestreich. Michael Caine als Balinger und Harvey Keitel als Boyle übertreffen ihr bisher schon sehr eindrucksvolles Selbst. Die beiden philosophieren über das Leben und die Jugend und die Frauen, haben unter anderem eine interessante Wette wegen einem stummen Paar laufen (mit wirklich überraschendem Ausgang), bewundern eine Schönheitskönigin und Maradona auf dem Tennisplatz. In Nebenrollen brillieren Jane Fonda (als Boyles Nemesis), Rachel Weisz als Balingers Tochter (der Film ist auch ein guter Vaterfilm), Paul Dano als berühmter Roboterdarsteller auf der Suche nach einer neuen Rolle, Madalina Ghenea als Miss Universe, und Sumi Yo als Abschlussschmankerl.
Kann sein, dass der Film nicht allen Frauen so gefällt wie immerhin DH, aber sie können darin manches über Männer lernen, was sie vielleicht schon wussten, aber noch nie so schön erzählt kriegten. Ein Hochgenuss für Gefühl und Verstand, echt witzig und doch mit erheblichem Tiefgang.