Altmeister Stanley Kubrick stellt der Zweierbeziehung die Vertrauensfrage.

Eyes Wide Shut

Altmeister Stanley Kubrick stellt der Zweierbeziehung die Vertrauensfrage.

24.11.2015

Von che

Eyes Wide Shut

Wie schön wäre die Liebe, gäbe es nicht diese verdammte Gier nach fremdem Fleisch, die sich wie eine Schlange um den Hals ehelicher Eintracht windet. Auch das wohlhabende Arzt-Ehepaar Harford ist nach neun Jahren trauten Familienglücks in so eine Krise geschlittert. Sie (Nicole Kidman) lässt sich auf einer Party lasziv gurrend von einem graumelierten Lebemann beinahe flachlegen; er (Tom Cruise) landet umgehend zwischen zwei willigen Miezen. Zum großen Beziehungs- Crash kommt?s aber erst, als sie ihm tags darauf eine Sex-Fantasie mit einem Matrosen vor den Latz knallt. Darob wird Tom Cruise arg von der Eifersucht gepiesackt, schmutzige Wahnvorstellungen über eine ehe brecherische Gattin martern seine Seele, und aus Rache und zur Ablenkung entschließt sich der Gepeinigte zu einem nächtlichen Trip durch Bordelle und in einen als karnevalseke Geheimgesellschaft getarnten Sex-Club. Doch der vermeintliche Lustwandel gerät alsbald zum fürchterlichen Nachtmahr mit allerdings pädagogischem Effekt: Cruise wird von seiner Rachsucht gereinigt und rüde zu den eigentlichen Grundlagen seines Glücks zurück gestaucht.

Mit „Eyes Wide Shut? hat der kurz nach der Fertigstellung des Films verstorbene Stanley Kubrick das bescheidenste und zugleich wärmste Werk seiner letzten 30 Karrierejahre abgeliefert. Wobei bescheiden meint: Hier wird kein universelles Anliegen monumental bebildert (wie in „2001?), sondern ganz dicht am wahren Leben und seinen eher trivialen Problemen operiert. Überraschend erweist sich Kubrick als Meister des seelenschürfenden Kammerspiels, wenn er zärtlich Anteil nehmend in den Eingeweiden einer Ehe wühlt und mit allen Mitteln, die Kunst und Technik hergeben, der nackten Psyche von Kidman/Cruise auf die Pelle rückt. Nur mäßig interessant, weil allzu spießig-chic poliert, ist dagegen der mit dekadentem Mummenschanz überreichlich ausstaffierte Cruise?sche Höllentrip.

Und die Message? Kubrick stellt der Zweierbeziehung die Vertrauensfrage, bohrt nach, wie viel Fremdheit Liebe erträgt, und gibt eine kleine, genügsame - fast möchte man sagen: altersweis versöhnliche - Antwort. Das, werden Sie sagen, klingt aber banal. Stimmt schon. Nur: Oft und so auch hier sind die simplen Botschaften die eigentlich wichtigen.

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Erstellt:
24.11.2015, 12:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 03sec
zuletzt aktualisiert: 24.11.2015, 12:00 Uhr

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