Stuttgart

FSJler Bilal Halimi: „Respekt ist megawichtig“

Immer wieder gibt es an beliebten Treffpunkten Stress mit jungen Leuten. Seit?August 2020 werben „Respektlotsen“ für ein faires Miteinander.

13.07.2021

Von Sylvia Rizvi

Bilal Halimi ist beim Projekt „Respektlotsen“ dabei. Foto: Sylvia Rizvi

Bilal Halimi ist beim Projekt „Respektlotsen“ dabei. Foto: Sylvia Rizvi

Rund 20 Respektlotsinnen und Respektlotsen hat die Stadt Stuttgart bisher gefunden, die mit jungen – aber auch älteren – Leuten das Gespräch suchen und Vorurteile abbauen helfen. Ziel ist es, durch gegenseitigen Respekt ein Klima zu schaffen, das Aggressionen wie etwa in der Krawallnacht im Juni 2020 vermeiden hilft. Das Projekt wird vom Stuttgarter Integrationsamt und der Kommunalen Kriminalprävention getragen. Die Leitung hat die stellvertretende Stuttgarter Integrationsbeauftragte Ayse Özbabacan.

Bilal Halimi ist seit September 2020 Respektlotse. Der 19-Jährige macht gerade sein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ). Selbstkritisch blickt er auf seine Pubertät: „Es gab mal eine Zeit, da hatte ich keinen so ,tollen? Umgang, sag' ich mal. Wenn ein Erwachsener kam und uns sagte, wir sollten leiser sein, mussten wir uns aufspielen und ,unseren Mann stehen? nach dem Motto: ,Was hast du uns zu sagen!'“ Heute weiß Halimi, dass sich auf diese Weise kein Problem löst. Mit seinen Erfahrungen möchte er helfen, unnötige Konflikte zu vermeiden. Außerdem macht ihm das Ehrenamt Spaß: „Man hat neue Eindrücke und trifft nette Leute.“

Die Respektlotsinnen und Respektlotsen arbeiten ehrenamtlich und waren bis Anfang Juni 2021 zwölf Mal an Wochenenden im Einsatz – etwa am Killesberg, am Marienplatz, im Freibad, am Max-Eyth-See oder auf der Königstraße. „Die jungen Leute können Menschen in acht verschiedenen Sprachen ansprechen“, sagt Gregor Belgardt, Leiter der Stabsstelle Sicherheitspartnerschaft in der Kommunalen Kriminalprävention. Die 18- bis 34-Jährigen kommen aus Schule, FSJ, Studium, Vereinen oder Berufen wie der Krankenpflege. Zwei Drittel sind Männer. Alle wurden vor ihrem Einsatz in Konfliktmanagement und Gesprächsführung geschult.

„Viele Jugendliche verwechseln Respekt mit Angst“, sagt Bilal Halimi. „Sie versuchen, sich Respekt zu verschaffen, indem sie dafür sorgen, dass andere sich vor ihnen fürchten.“ Das sei jedoch ein Irrtum. „Respekt beruht auf Gegenseitigkeit. Jemand kann mich als Mensch nur achten, wenn ich ihn auch achte.“ Von Anfang an dabei ist Fatimazahra Idkhafif. Die 21-Jährige studiert International Business an der Hochschule Reutlingen. Schon ihre Mutter war ehrenamtlich engagiert; auch für die Tochter ist es selbstverständlich, sich fürs Gemeinwesen einzusetzen. „Das Thema Respekt ist megawichtig, wir sprechen mit Jungen und Älteren, sind am Feuersee, am Killesberg oder Marienplatz. Man kann weiterhelfen und ist jedes Mal im Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern.“

Wann Respektlotsen wie Idkhafif und Halimi konkret losziehen können, erfahren sie von den Projektverantwortlichen. Diese legen den Tag und den Einsatzort fest. „Wir laufen dann in kleinen Grüppchen und sprechen Leute an“, erklärt Halimi. Ziel sei es nicht, andere auf ein Fehlverhalten aufmerksam zu machen, sondern viele Grillfreudige, Badelustige oder Feierwillige in ein nettes Gespräch zu verwickeln. Die Lotsen im blauen T-Shirt plauschen mit den Leuten und erinnern ihr Gegenüber gelegentlich daran, ihre Musik etwas leiser zu drehen oder ihren Müll mitzunehmen. „Oft werden wir auch von den Leuten angesprochen“, sagt der FSJ'ler. Man wolle wissen, wer die Respektlotsen seien.

„Die Bürgerinnen und Bürger schätzen es, dass ihnen jemand zuhört“, hat Fatimazahra Idkhafif erfahren. Jüngere und Studierende haben ihr erzählt, dass sie wegen hoher Mieten kein Zimmer finden, Angst haben, keinen Job zu finden oder sich von Ausgehverboten gehörig beeinträchtigt fühlen. Für Frauen ist Sicherheit im öffentlichen Raum ein wichtiger Punkt. Oft gehe es in den Gesprächen auch um den Respekt gegenüber der Umwelt, erklärt Stabsstellenleiter Belgardt. Es gelte etwa, möglichst wenig Müll zu machen. „Die meisten reagieren interessiert und einsichtsvoll und wissen teils nicht, dass sie einen Fehler gemacht haben.“ Auch die Krawalle in der Stuttgarter City am 20., 21. Juni 2020 würden thematisiert.

Das Projekt ist noch bis Juli 2021 über das Europäische Forum für Urbane Sicherheit finanziert. Wie es weitergeht, war beim Pressegespräch noch offen. Belgardt ist aber „guter Dinge“, dass man die Respektlotsen auch nächstes Jahr sehen werde.

Gemeinsam im Projekt

Die Respektlotsen sind ein Projekt des städtischen Integrationsamts und der Kommunalen Kriminalprävention. Kooperationspartner sind: Förderverein Sauberes und Sicheres Stuttgart e.V., Stuttgarter Jugendhausgesellschaft, Gemeinschaftserlebnis Sport, Stuttgarter Bäderbetriebe.