Kino als Abenschule fürs Volk - auch filmisch rundweg überzeugend.

Faat Kiné

Kino als Abenschule fürs Volk - auch filmisch rundweg überzeugend.

24.11.2015

Von che

Faat Kiné

Die alten Männer werden fortgejagt! Eben hatten sie noch Respekt eingefordert, Ehrfurcht vor dem Alter, einen Kniefall der Jugend ? so wie es afrikanischer Brauch ist seit alters her. Doch Respekt wofür? In "Faat Kine", dem neuen Film des senegalesischen Regisseurs Ousmane Sembãne, haben sie auf der ganzen Linie versagt: Ihre Frauen sitzen gelassen und sich einen Dreck um die Kinder gekümmert. Aber jetzt, nachdem es die Gattin zu was gebracht hat und der Nachwuchs herzeigbar ist, kommen sie angekrochen und fordern Respekt. Nichts da: Die alten Männer werden fortgejagt.

Natürlich ist der Schluss von "Faat Kine" nicht nur auf jene paar Hanswürste im Film gemünzt, die ihrer privaten Verantwortung nicht gerecht geworden sind. Sie stehen stellvertretend für die afrikanische Bourgeoisie, die ? so Sembãne bei seinem letzten Besuch in Tübingen ? nur die Fortsetzung des Kolonialismus mit anderen Mitteln betreibt.

Man darf sich "Faat Kine" aber nicht als einen platten Thesenfilm vorstellen. Zu allererst ist er das Porträt einer afrikanischen Frau mittleren Alters, jener Faat Kine, die ohne Hilfe der Männerwelt ihre beiden Kinder zu patenten Abiturienten großgezogen hat und nebenher als resolute Business-Frau eine Tankstelle schmeißt. Mit fast fanatischer Zärtlichkeit stilisiert Sembãne diese Person zur Lichtgestalt. Trotz der Entbehrungen und Demütigungen, die ihr Leben begleitet haben, scheint sie glücklicher, als sie unter der Fuchtel eines Machos je hätte werden können.

Sembènes Film hebt sich wohl tuend ab von der Masse afrikanischer Filme, die die Wiederbelebung altafrikanischer Werte als Lösung der Probleme des Kontinents verkaufen wollen. Ganz im Gegenteil denunziert der Film das Traditions-Gefasel als einen plumpen Trick der alten Eliten, ihre Herrschaft zu zementieren. Auf der anderen Seite kommen aber auch die neureichen Kapitalismus-Gewinnler mit ihrer protzig zur Schau gestellten Westlichkeit nicht ungeschoren davon. Gesucht wird: ein dritter Weg zwischen dem Anbiedern an den Westen und afrozentristischer Kraftmeierei.

Sembènes Hoffnungen ruhen auf Frauen wie Faat Kine und der Jugend: Die selbstbewusst ihre Kultur behaupten, ohne einen Kult darum zu veranstalten. Es gab selten einen Film, der so elegant und nahezu unmerklich politische und soziale Anliegen mit einer spannenden Geschichte verknüpft. Mit so viel Ernst wie nötig und so viel Humor wie möglich skizziert der 78-jährige Regisseur die Problem-Gemengelage im heutigen Afrika. Spielerisch fließen kleine didaktische Exkurse ? etwa zum Thema Safer Sex oder über den Pseudo-Konflikt zwischen Christen und Moslems ? in die Handlung ein. Auch in diesem filmisch rundweg überzeugenden Werk spürt man den alten Anspruch des Regisseurs: das Kino als "Abendschule fürs Volk" zu nutzen.