München

Falsche Hoffnungen

Neue Wege in der Alzheimertherapie werden in einer Studie an der Psychiatrischen Uni-Klinik erforscht: ein Team will herausfinden, ob Stoßwellen den Verlauf der Alzheimer-Erkrankung verlangsamen können („Stoßwellen für Gehirnzellen“, 12. März).

16.03.2018

Von Christoph Schmitz, Univ.Prof. Dr.med., München

Als Wissenschaftler mit mehr als 20 Jahren Erfahrung in der Stoßwellenforschung (LMU München) würde ich meine Angehörigen, wenn sie an der Alzheimer-Krankheit leiden würden, nicht an der Studie an der Psychiatrischen Uniklinik Tübingen teilnehmen lassen, und zwar aus folgenden Gründen: Meines Wissens nach ...

ist vollkommen unbekannt, wie viel von der applizierten Druckwellenenergie tatsächlich im Gehirn (das heißt jenseits der Schädeldecke) ankommt (das im Artikel gezeigte Gerät generiert überhaupt keine echten Stoßwellen; Perez et al., J Acoust Soc Am 2013; 134: 1663-1674);

kann die bei der Alzheimer-Krankheit besonders betroffene Region (entorhinale Rinde und Hippokampus) durch kreisende Bewegungen des Handstücks auf dem Kopf praktisch nicht erreicht werden, auf keinen Fall selektiv);

gibt es keine publizierten Studien, die positive Effekte von Stoßwellen an Alzheimer-Tiermodellen zeigen;

können Stoßwellen die sogenannte Blut-Hirn-Schranke und damit gesunde Nervenzellen schädigen; und

wurde kürzlich gezeigt, dass die Applikation von Stoßwellen am menschlichen Gehirn zu epileptischen Anfällen führen kann (Werner et al., Restor Neurol Neurosci 2016;34:561-569; bei einem von acht behandelten Patienten).

Hier ist meiner Meinung nach noch erhebliche Grundlagenforschung nötig, bevor man in klinischen Studien eventuell falsche Hoffnungen bei Patienten und deren Angehörigen weckt.