Gastronomie

Fast so bekannt wie das Original

Die „Blaue Grotte“ feiert das 65-jährige Bestehen. Wirtin Evangelia „Litsa“ Stefani betreibt das Sulzer Kult-Lokal seit 30 Jahren – mit derselben Ausstattung, vielen Stammgästen und immer wieder neuen griechischen Gerichten.

10.08.2018

Von Cristina Priotto

Prost zum Doppeljubiläum: Evangelia Stefani veranstaltet am Samstag, 11. August, ab 17 Uhr in und vor der „Grotte“ ein Griechisches Straßenfest mit Live-Musik und Spezialitäten aus ihrer alten Heimat. Bilder: Priotto

Prost zum Doppeljubiläum: Evangelia Stefani veranstaltet am Samstag, 11. August, ab 17 Uhr in und vor der „Grotte“ ein Griechisches Straßenfest mit Live-Musik und Spezialitäten aus ihrer alten Heimat. Bilder: Priotto

Blau ist die „Grotte“ in Sulz nur von außen, seit Evangelia Stefani das Gebäude 2009 neu streichen ließ. Kultcharakter genießt das Lokal mit dem einzigartigen höhlenartigen Interieur in der Bergstraße aber schon seit Langem.

Genauer gesagt seit 65 Jahren, davon seit 30 Jahren mit „Litsa“, wie der Spitzname der Wirtin seit der Kindheit in der üblichen griechischen Abkürzung lautet, an vorderster Front. Dieses Doppeljubiläum der legendärsten Sulzer Wirtschaft wird am morgigen Samstag mit einem Griechischen Straßenfest mit Grill und Gyros-Gerät im Freien vor dem und im Restaurant groß gefeiert.

Die Geschichte des Lokals begann im Jahr 1953, als Albert Keck unter dem italienischen Namen „Grotta Azzurra“ in der Bergstraße 21 eine Taverne eröffnete. Keck griff das Fernweh der Nachkriegszeit auf – und holte einen kreativen Nachbau der gleichnamigen Höhle auf Capri in die Neckarstadt. Um der Kneipe ein unverwechselbares Ambiente zu verpassen, schuf der Besitzer eine außergewöhnliche Verkleidung von Decke und Wänden mit Pappmaché auf Holzgestellen. Das Erstaunlichste an der Konstruktion ist, dass das Interieur seit mittlerweile sechseinhalb Jahrzehnten nahezu unbeschadet überdauert hat. „Ich habe nur ein paar Mal mit Sprühdosen die Farbe erneuert“, erzählt Evangelia Stefani. Nachgeschaut, was sich darunter verbirgt, hat „Litsa“ in all den Jahren nur einmal: „Da ist nur Staub“, erzählt die Wirtin lachend.

Stefani stammt aus Chrysoupoli, wo die Eltern eine Obst- und Gemüseplantage besaßen. Dort halfen die kleine „Litsa“ und ihre Geschwister bei der Ernte – und so entwickelte die heutige „Grotte“-Wirtin die Leidenschaft für die Zubereitung frischer Lebensmittel aus der griechischen Küche.

1984 zog die junge Frau nach Berlin und arbeitete im griechischen Restaurant des Bruders mit.

Durch Bekannte wurde die passionierte Köchin wenige Jahre später auf eine Wirtschaft ohne Pächter in Sulz aufmerksam und übernahm im Dezember 1988 die „Blaue Grotte“, wie das Lokal seit den zweiten Pächtern hieß. „Es war Liebe auf den ersten Blick und hat mir sofort gefallen“, erinnert sich die Wirtin. Anfangs servierte „Litsa“ den Gästen in dem Nachtlokal nur Kleinigkeiten. Seit 2003 ist die „Grotte“ eine Taverne mit griechischer Küche und 50 Sitzplätzen. Die beliebtesten Gerichte sind Gyros, Souvlaki und Bauernsalat. Ouzo wird seltener bestellt, aber eine Flasche wird im Schnitt pro Abend ausgeschenkt.

Trotz der vielen Restaurantbesucher haben sich die Tische und Bänke seit 65 Jahren gehalten, nur die Polster und die einst dunklen Vorhänge hat die Wirtin ersetzt.

Regelmäßige Gäste in Mannschaftsstärke sind nicht nur die Handballer der HSG Neckartal, sondern auch Teile des Gemeinderats und der Verwaltung, die sich dort montags zur „Nachsitzung“ treffen sowie der Musikverein, die Jedermänner des VfR oder das Akkordeon-Orchester.

Was wünscht sich „Litsa“ für die Zukunft? „ Es soll einfach nur so bleiben“, sagt die Mittfünzigerin nach kurzem Nachdenken. In der Küche stehen und servieren möchte Evangelia Stefani so lange wie möglich: „Irgendwann werde ich mit dem Tablett auf dem Rollator bedienen“, scherzt die Wirtin. An sechs Abenden in der Woche bis Mitternacht zu arbeiten, das ist für die „Grotte“-Inhaberin kein Problem. „Ich liebe das Kochen und genieße die Abende – und dafür kann ich ausschlafen“. Anfang des Monats hat sich Evangelia Stefani eine Verstärkungskraft für die Küche geholt, zudem beschäftigt die Wirtin zwei feste Mitarbeiter und zwei Aushilfen. Bei besonderen Anlässen wie an der Fasnet oder dem bevorstehenden Doppeljubiläum greifen auch Tochter und Sohn der Mutter unter die Arme, obwohl beide sonst nicht in der Gastronomie tätig sind.

Seit 30 Jahren arbeitet Stefani nicht nur in der „Blauen Grotte“, sondern wohnt auch in dem Gebäude. Das Original auf Capri kennt die Griechin jedoch nicht. „Ja, das wäre mal ein Wunsch: Ein Besuch in der Grotta Azzurra, denn die habe ich bislang nur auf Fotos gesehen“, verrät Evangelia Stefani. Sagt’s und eilt in die Küche: Erst ruft die Sulzer „Grotte“.

Generationen von Handballern hängten die Toilettentür in der „Grotte“ aus und stellten ihreleeren Gläser darauf ab. 2013verewigten sich die HSGler mit dem „Grotte-Lied“ darauf.

Generationen von Handballern hängten die Toilettentür in der „Grotte“ aus und stellten ihre leeren Gläser darauf ab. 2013 verewigten sich die HSGler mit dem „Grotte-Lied“ darauf.

Original in Italien

Die „Blaue Grotte“ ist nach der „Grotta Azzurra“ auf Capri in Italien benannt. Diese Höhle ist 52 Meter lang und 30 Meter breit, das Wasser ist darin 15 Meter tief. Der Zugang ist durch ein 1,50 Meter hohes Felsloch vom Meer aus möglich. Die seit der Antike genutzte Grotte wurde 1826 wiederentdeckt durch August

Kopisch. Das Wasser schimmert in

einem besonderen blauen Farbton.