Freunde ja, Genossen nein - wuchtiges Politdrama aus Brasilien.

Fast wie zwei Brüder

Freunde ja, Genossen nein - wuchtiges Politdrama aus Brasilien.

24.11.2015

Von che

Fast wie zwei Brüder

Drei Mal kreuzen sich die Wege des dunkelhäutigen Jorge aus den Favelas und von Miguel, weiß und aus gutem Hause, in dem brasilianischen Film „Quase dois irmãos?. Fast wie Brüder sind sie als Kinder in einer Kaschemme, wo der Samba die Klassenschranken zu neutralisieren scheint. ? 15 Jahre später, 1970, sind die beiden Häftlinge im berüchtigten Gefängnis Ilha Grande: Miguel als revolutionärer Kämpfer gegen die Diktatur, Jorge als ordinärer Dieb. Die Versuche, aus „Politischen? (weiß) und „Kriminellen? (schwarz) eine Einheitsfront zu schmieden, scheitern kläglich. Jorge, der zunächst zwischen den Gruppen laviert, muss sich irgendwann entscheiden. ? In der Jetztzeit schließlich ist Miguel ein Senator mit Oberschicht-Attitüde; Jorge sitzt weiterhin im Knast, wo er mit dem Handy die Drogengeschäfte im Ghetto dirigiert und auch vor Mordbefehlen nicht zurückschreckt. Wie wird er auf Miguels Ansinnen reagieren, ein Sozialprojekt gegen die Gewalt im Viertel zu unterstützen?

Nach einem Drehbuch von „City Of God?-Autor Paulo Lins konzentriert Regisseurin Lúcia Murat 50 Jahre brasilianischer Geschichte im Brennglas dieser Männerfreundschaft. Das Resultat ist deprimierend. Obwohl sich die beiden zeitweise fast so nahe stehen wie Brüder, bleiben sie doch in ihren gegensätzlichen sozialen Welten eingemauert. Die Revolte der Bürgerkinder (und ihr späterer Wandel zu Sozialdemokraten) bleibt dem einen so fremd wie dem anderen das Bestreben, wenigstens die Macht im Ghetto an sich zu reißen. Was sich auf Papier etwas spröde parabelhaft anhören mag, gewinnt in Murats Inszenierung große Wucht. Die artistisch ineinander verschachtelten Zeitebenen, der Wechsel zwischen dichtem Kammerspiel und aufbrausender Dynamik sorgen dafür, dass der Film so gut auf den Kopf zielt wie in den Bauch ? und doppelt trifft.