WM

Fatale Halbfinalträume

In Gedanken war Deutschland schon zwei Runden weiter. Ein schwerer Fehler, wie das überraschende Achtelfinal-Aus zeigt. Nun geht der Blick nach vorne.

24.01.2017

Von SEBASTIAN SCHMID

Die Stunde null: Nach der unerwarteten 20:21 gegen Katar mussten die deutschen Spieler konsterniert miterleben, wie die Kontrahenten, hier Abdulrazzaq Murad (rechts), ausgelassen auf dem Hallenparkett feierten. Foto: dpa

Die Stunde null: Nach der unerwarteten 20:21 gegen Katar mussten die deutschen Spieler konsterniert miterleben, wie die Kontrahenten, hier Abdulrazzaq Murad (rechts), ausgelassen auf dem Hallenparkett feierten. Foto: dpa

Paris. Das WM-Aus der deutschen Handball-Nationalmannschaft war gerade erst ein paar Stunden alt, als in einer Kneipe in Paris-Bercy ein älterer Herr sagte: „Weltmeister zu werden ist nicht einfach.“ Sein Nebensitzer nickte zustimmend. Das ist insofern erwähnenswert, weil es sich bei dem Herrn um Horst Spengler handelte, der 1978 als Kapitän Deutschland zum zweiten WM-Titel geführt hat, und er es zu Dominik Klein sagte, der 2007 bei der Heim-WM den dritten und bislang letzten Titel holte. Das Duo wusste also, wovon es sprach.

Um aus so einem Turnier als Sieger hervorzugehen, muss alles passen. Das war bei der mit hohen Ambitionen gestarteten deutschen Nationalmannschaft in Frankreich nicht der Fall. Nach einer Vorrunde, in der der Europameister kaum gefordert wurde und die er ohne Niederlage souverän meisterte, war im Achtelfinale gegen Außenseiter Katar mit 20:21 überraschend Schluss. Damit beendete Deutschland die WM als Neunter.

„Wir hatten uns vorgenommen, Weltmeister zu werden“, stellte Andreas Wolff nach dem Aus noch einmal klar. Der Keeper des THW Kiel war einer der wenigen Akteure, die an ihre starke EM-Form anknüpfen konnten. Auch Kai Häfner, Patrick Groetzki, Uwe Gensheimer, Jannik Kohlbacher und Silvio Heinevetter spielten ein solides Turnier. Andere wie beispielsweise Steffen Fäth, Julius Kühn, Paul Drux, Patrick Wiencek und Finn Lemke blieben vor allem gegen Katar unter ihren Möglichkeiten. „Wir wissen, dass wir besser sind“, sagte Häfner, mit 25 Toren bester Feldtorschütze des Teams.

Das frühe Scheitern trübt den Abschied von Bundestrainer Dagur Sigurdsson, der nun Japans Handballer auf das Olympische Turnier 2020 im eigenen Land vorbereiten wird und der Deutschland 2016 zum EM-Titel und Olympia-Bronze geführt hat. „Schade, dass es durch so ein Spiel zu Ende gegangen ist“, sagte DHB-Vizepräsident Bob Hanning, der nun einen Nachfolger finden muss. Aussichtsreichster Kandidat ist Christian Prokop, dessen Verein DHfK Leipzig vom DHB allerdings eine hohe Ablösesumme fordert. Als weiterer Kandidat wird Markus Baur vom TVB Stuttgart gehandelt. „Wir wollen die Gespräche jetzt zum Abschluss bringen, aber noch gibt es nichts zu vermelden“, sagte Hanning in Paris.

Sigurdsson wirkte gegen Katar ungewohnt hilflos und räumte Fehler ein: „Ich hätte am Ende noch eine Auszeit nehmen können, aber ich habe gezögert.“ Der letzte Angriff der Deutschen brachte keine klare Wurfsituation mehr. Außerdem stellte er in der Schlussphase die Abwehr nicht um, als Rafael Capote mit vier Treffern in den letzten fünf Minuten die Partie entschied.

Zudem gelang es Sigurdsson im Gegensatz zu den vorherigen Turnieren nicht, die Spieler so einzustellen, dass sie nur an das kommende Spiel denken. „Viele haben gedacht, dass wir jetzt richtige Chancen auf das Halbfinale haben“, sagte der Isländer: „Vielleicht haben wir, auch ich, zu weit gedacht.“ Keeper Wolff sah das ähnlich: „Wir wollten in dieser Halle das Halbfinale gegen Frankreich spielen, aber vielleicht waren wir mit den Köpfen zu weit in der Zukunft.“

Deutschland versäumte es gegen Katar mehrmals im Spiel, vorzeitig für klare Verhältnisse zu sorgen und musste am Ende mit strittigen Schiedsrichterentscheidungen leben. „Wir sind in der Schlussphase klar benachteiligt worden. Aber wir hätten es gar nicht erst dazu kommen lassen sollen“, sagte Hanning. Fäth gab zu: „Bei unserer Leistung brauchen wir über die Schiedsrichter gar nicht reden.“

Auch wenn die Enttäuschung über das Aus riesig ist, herrscht bei der Nationalmannschaft einhellig die Meinung, dass es keinen Bruch geben wird. „Ich habe immer gesagt, dass es nicht stringent nach oben gehen wird. Aber vielleicht hat die Mannschaft genau so ein Turnier gebraucht“, sagte Hanning mit Blick auf die Heim-WM 2019 und Olympia 2020: „Eine Medaille im eigenen Land und Gold in Tokio waren immer das Ziel, davon wird keinen Millimeter abgewichen.“