Fridays for Future · Tübingen

„Fehlstunden verkraften wir, Klimawandel nicht!“

Rund 2600 junge Menschen folgten dem Aufruf der Initiative „Fridays For Future“ und blieben am Freitagvormittag der Schule fern.

15.03.2019

Von Felix Seitzer

Die Passanten staunten nicht schlecht, als der Demonstrationszug an ihnen vorbei zog. Viele hatten ihr Handy für Fotoaufnahmen gezückt, Menschen drängten sich an den Fenstern der Häuser in der Mühlstraße, um einen Blick auf die Menge erhaschen zu können — denn die machte ordentlich Lärm. Die jungen Demonstrantinnen und Demonstranten waren mit Vuvuzelas, Trommeln und kreativen Plakaten gekommen. Aus einem Lautsprecher war, passend zur Thematik, „The Final Countdown“ zu hören. Immer wieder wurde skandiert: „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut!“

Rund 2600 überwiegend junge Menschen hatten dem Regen getrotzt und sich am Freitagvormittag vor dem Kepler-Gymnasium in der Uhlandstraße versammelt, um für besseren Klimaschutz zu streiken. Ihr Demonstrationszug führte sie, nach einem Zwischenstopp an der Neuen Aula, zur Kundgebung auf den Holzmarkt. Die Demonstration war Teil der bisher größten Aktion der Klimaschutzinitiative „Fridays For Future“. Weltweit gab es in über 1700 Städten Proteste. Demonstriert wurde auf allen Kontinenten, sogar in der Antarktis. Die Bewegung geht auf die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg zurück, die mittlerweile sogar für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen worden ist. Die Idee ihrer Initiative ist, während der Schulzeit für konsequenteren Klimaschutz zu streiken, um die Aufmerksamkeit der Politik zu gewinnen.

Der Umgang mit den Schulstreiks ist ein schwieriges Unterfangen für die Schulen und sorgte auch in Tübingen für reichlich Gesprächsstoff. „Wir sind in einem Dilemma“, sagt Ulrike Schönthal, Schulleiterin des Kepler-Gymnasiums. Auf der einen Seite stehe die Meinungsfreiheit, auf der anderen aber halt auch die Schulpflicht. „Persönlich verurteile ich das ja nicht, aber als Schulleiterin muss ich den Schülern klar sagen, dass sie dafür dann auch die volle Verantwortung tragen.“ Ähnlich sieht es der Schulleiter des Uhland-Gymnasiums Andrejs Petrowski: „Dass die Schüler sich da so engagieren, finde ich erst einmal gut, sie müssen dann aber halt auch damit leben, dass sie Unterricht verpassen.“

Den Organisatoren ist dieses Reizthema durchaus bewusst. Andreas Giannokidis, Moderator der Kundgebung und Schüler am Kepler-Gymnasium ist aber überzeugt: „Nur durch Schulstreiks erfährt die Bewegung die Aufmerksamkeit durch die Politik, die sie verdient hat.“

Von den Politikern fühlen sich die meisten Demonstrierenden bisher nicht ernst genug genommen. Der vor wenigen Tagen veröffentlichte Tweet von FDP-Politiker Christian Lindner, Klimaschutz sei etwas für Profis, wurde von den Rednerinnen und Rednern auf der Kundgebung immer wieder aufgegriffen. „Herr Lindner, Sie hätten sich vor der Insolvenz Ihrer Firma Moomax lieber einmal Profis holen sollen“, rief Adrian Lächele, ebenfalls Schüler am Kepler-Gymnasium der jubelnden Menge entgegen. „Wir wollen nicht, dass die Welt Insolvenz anmelden muss!“ Auch Moderator Giannokidis nahm Bezug auf Lindners Aussage: „Wir haben die Profis auf unserer Seite“, kündigte er die Doktorandinnen Merlen Reuter und Miriam Keppner an, welche eine Stellungnahme der Initiative „Scientists for Future“, verlasen. „Eure Anliegen sind berechtigt“, sagte Reuter. Mehr als 23 000 Wissenschaftler haben die Stellungnahme, die die Forderungen der Demonstrierenden unterstützt, bereits unterzeichnet.

Maya Ihle vom Organisationsteam hielt ein leidenschaftliches Plädoyer für den Klimaschutz. „Ohne funktionierende Umwelt ist der Planet unbewohnbar“, sagte sie. Denjenigen, die behaupten, Klimaschutz bedeute Verzicht, könne sie nur entgegnen: „Klimaschutz bedeutet Gewinn, Gewinn für unsere Zukunft!“

Für gute Unterhaltung sorgte ein Poetry-Slam von Leonardo Martins-Hegele, der humoristisch die Notwendigkeit einer Verkehrswende, herausstellte. Die Band „DieVagari“ brachte die Menge zum Tanzen.

Die nächste große Aktion von „Fridays For Future“ ist am 24. Mai. Dann sollen, zwei Tage vor der Europawahl, Menschen in ganz Europa mobilisiert werden.