Nordstetten/Rottweil · Justiz

Fingerabdrücke eines Angeklagten am Tatort gefunden

Eine Sachverständige des Landeskriminalamts und eine Zeugin aus Nordstetten sagten gestern im Prozess um die Tötung des Nordstetters Michael Riecher aus.

29.10.2019

Von Manuel Fuchs

Skultpur vor dem Landgericht Rottweil. Bild: Manuel Fuchs

Skultpur vor dem Landgericht Rottweil. Bild: Manuel Fuchs

Den gestrigen Verhandlungstag eröffnete eine 44-jährige Kriminalhauptkommissarin des Landeskriminalamts Stuttgart, die als Sachverständige für Daktyloskopie – also Finger-, Hand- und Fußabdrücke – aussagte. Sie habe zwischen den 7. November 2018 und dem 21. Februar 2019 Untersuchungsaufträge aus dem Ermittlungskomplex „Riecher“ ausgeführt.

Die Sachverständige legte präzise und unaufgeregt dar, welche Spuren zu Vergleichmustern des Tatopfers Michael Riecher, der beiden Angeklagten sowie zweier weiterer Männer passten, die damals als tatverdächtig galten. Dabei blieb sie streng bei eigenen Beobachtungen, bezeichnete beispielsweise Spuren nur mit deren internen Codes. Für die Spurensicherung waren Kriminaltechniker zuständig gewesen, daher konnte sie beispielsweise über den Ursprung eines Handabdrucks keine unmittelbaren Aussagen treffen. Hin und wieder ergänzte der Vorsitzende Richter Karlheinz Münzer nach einem Blick in die Gerichtsakten diese Informationen.

In ihrer umfassenden Betrachtung zeigte die Sachverständige außerdem auf, welche Spuren ihr zur Analyse übertragen worden waren, aber entweder zur Untersuchung ungeeignet waren oder keine Rückschlüsse auf ihren Verursacher zuließen. Dies war bei der Mehrzahl der Hand- und Fingerabdrücke der Fall.

Zum Thema „Negativ-Abgleich“ hakte Alexander Hamburg, ein Anwalt des ersten Angeklagten ein: Ihm erläuterte die Sachverständige, die Analyse begnüge sich nicht mit hinreichend vielen Übereinstimmungen, sondern suche im Gesamtabdruck nach Unterschieden, um falsch-positive Ergebnisse zu vermeiden.

Richterin Dr. Grimm wollte wissen, wie beständig das Spurenmaterial sei. Darüber konnte die Sachverständige keine Auskunft geben, weil es von zu vielen unbestimmbaren Faktoren abhänge.

Summa summarum wurden in Michael Riechers Wohnung Finger- und Handabdrücke gefunden, die ihm zuzuordnen waren. Auch der erste Angeklagte, ein enger Vertrauter und häufiger Gast Riechers, hatte in der Wohnung und an der Terrassentür Abdrücke seiner Finger und Hände hinterlassen. Hingegen waren keine Spuren gefunden worden, die auf den zweiten Angeklagten hindeuteten.

Zeugin im Komplex „Grabungen“

Außerdem war gestern eine 74-jährige Nordstetterin als Zeugin geladen, die am Freitag, 4. Januar, auf ein Auto und einige Männer aufmerksam geworden war und die Polizei verständigt hatte.

Am nämlichem Tag habe sie etwa zwischen 9.30 und 10 Uhr von ihrer Wohnung aus einen älteren VW mit Ludwigsburger Kennzeichen vor der Volksbank in der Ritterschaftsstraße stehen sehen. Vier oder fünf Männer sollten dabeigestanden und sich immer wieder kurz entfernt haben. Das sei nicht ungewöhnlich, aber nachdem diese Vorgänge bis nach Mittag andauerten, habe sie auf dem Horber Polizeirevier angerufen: „Was man sonst eigentlich nicht so macht, dieses Hin- und Hergelaufe, das ist mir aufgefallen.“ Die Polizei habe die Beobachtungen der Zeugin jedoch als „nicht so relevant“ eingestuft.

Als drei der Männer am späteren Nachmittag auf dem benachbarten Platz eine Art Skizze in den Schnee zeichneten, wieder verwischten und zwei von ihnen den Parkplatz mit einer offensichtlich leeren Tasche verließen, habe sie erneut die Polizei angerufen. Diese sei recht schnell gekommen und habe einen verbliebenen Mann im Auto angetroffen. Der Polizist hatte hierzu am 14. Oktober vor der Kammer ausgesagt.

In ihrer polizeilichen Vernehmung hatte die Zeugin von einem Telefonat des im Auto verbliebenen Mannes berichtet, womit er seine Begleiter zurück ans Auto gebeten und auf die anwesende Polizei vorbereitet hatte. Vor Gericht erinnerte sich die Zeugin nicht, woher sie von diesem Gespräch gewusst hatte: Ob sie es gesehen oder mitgehört hatte – oder ob der Polizist ihr im Rahmen der Zeugenbefragung davon erzählt hatte, blieb offen.

In der polizeilichen Vernehmung hatte die Zeugin die Männer als kosovarisch oder albanisch beschrieben; vor Gericht verlegte sie sich auf den Iran oder Irak als Herkunftsländer. Rechtsanwalt Kristian Frank hinterfragte diese Diskrepanz; die Polizei hatte allerdings die Personalien der Männer festgestellt, sodass diesem Detail wenig Sachrelevanz zukommt.

Angeklagter will aussagen

Relevanter dürfte die Einlassung des zweiten Angeklagten werden, die für den 18. November angekündigt ist. Richter Münzer versuchte zwar, diese „im Sinne des Prozessfortschritts“ schon gestern zu Gehör zu bekommen, und stellte den Rechtsanwälten Kristian Frank und Wido Fischer großzügige Vorbereitungszeit in Aussicht. Fischer verwies jedoch auf die Strafandrohung für den verhandelten Tatvorwurf und wollte angesichts dessen „nichts übers Knie brechen“. Die Kammer setzt das Verfahren also am 18. November voraussichtlich mit einer Einlassung des zweiten Angeklagten fort.

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Erstellt:
29.10.2019, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 29.10.2019, 01:00 Uhr

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