Flohmarkt für Hilfsleistungen

Vereine Die Horber Nachbarschaftshilfe „Nanuna“ wächst langsam, aber stetig. Das größte Problem bislang: Die Menschen haben Probleme, aufeinander zuzugehen.

15.11.2016

Von Fabian Schäfer

Wer Arbeit für andere leistet, erhält im Gegenzug eine „Zeittausch-Quittung“. Bild: Kuball

Wer Arbeit für andere leistet, erhält im Gegenzug eine „Zeittausch-Quittung“. Bild: Kuball

Zwei brave Katzen für drei bis sechs Monate bei sich aufzunehmen, weil sich die Besitzerin um ihr krankes Enkelkind kümmern muss? Klingt nach einer durchaus machbaren Aufgabe. Das dachte sich auch Marion Schaller, Vorstands-Mitglied bei der Horber Nachbarschaftshilfe „Nanuna“ (Nachbarn nutzen Nachbarn), und willigte ein. Doch an diesem Beispiel erfuhr sie am eigenen Leib, dass das System der „Zeit-Tausch-Börse“ auch seine Schwächen hat. „Die Besitzerin war in ihre Katzen verliebt und hat jede Stunde angerufen“, erzählt Schaller. Ob es den Tieren gut ginge, ob sie gefressen hätten und ob sie sich wohlfühlten, wollte die besorgte Dame wissen. „Das ging dann so weit, dass ich irgendwann gesagt habe: Ich glaube, es ist besser, wenn Sie die Tiere wieder zu sich nehmen“, berichtet Schaller. Man mache eben nicht nur gute Erfahrungen bei „Nanuna“.

Nur noch ein Treffen im Monat

Meistens funktioniert das System bei dem aktuell 24 Mitglieder zählenden Verein jedoch sehr gut. „Die Leute tauschen Zeit untereinander aus, man bietet Aktivitäten für andere an“, erklärt Schaller die Grundidee (siehe auch Info-Kasten). „Wir sehen das Ganze auch unter dem Aspekt, dass man vieles gerne vor sich herschiebt. Da ist es immer schön, etwas gemeinsam zu erledigen und es dann aus dem Kopf zu haben“, sagt Schaller. Aber natürlich wolle der Verein vor allem das Bürger-Engagement in Horb fördern und Menschen zusammenbringen. Nicht nur bei den einzelnen Tätigkeiten, sondern auch bei monatlichen Veranstaltungen. „Bisher gab es zwei pro Monat, nun reduzieren wir aber auf eine, da das immer recht zeitaufwendig ist“, erklärt Marion Schaller.

Ursprünglich sei die Idee gewesen, dass sich jüngere Menschen mit verschiedenen Tätigkeiten Zeit fürs Alter „ansparen“ können. „Aber wir haben gemerkt, dass das nicht funktioniert. Die Leute wollen relativ schnell auf ihr Guthaben zugreifen und sagen können: Ich habe schon jetzt was davon“, erklärt das Vorstands-Mitglied. So sei auch die Motivation deutlich größer.

Alles läuft aber noch nicht rund bislang, und das hat vor allem einen Grund: „Die Menschen haben Angst, weil sie nicht wissen, wer in ihr Haus oder ihren Garten kommt. Die Leute müssen sich öffnen für die Stadt Horb“, fordert Schaller. Dies sei unter anderem auch eine Folge der Anonymisierung unserer Gesellschaft, erklärt das Vorstands-Mitglied. „Man weiß nicht mehr, wer zwei Häuser weiter wohnt. Die Plattform ‚Mensch zu Mensch‘ geht verloren.“

Um diese Ängste zu beschwichtigen, gibt es laut Schaller eine einfach Lösung: „Die Menschen müssen sich kennenlernen, zum Beispiel auf den Mitgliedertreffen. Damit man weiß, wer hinter einem Namen oder einer Nummer steckt“, erklärt Schaller. Es gebe aber nun mal Regionen, in denen sich die Menschen leichter tun mit dem „Aufeinander-Zugehen“ als in Horb.

Verzögerungen bremsen aus

Mit der Entwicklung des Vereins ist Schaller bislang „zufrieden“, sie sagt aber: „Manches läuft ein bisschen zu langsam.“ Dies liege aber primär daran, dass die Beteiligten „Nanuna“ nicht berufsmäßig, sondern neben einem Vollzeit-Job und dem Haushalt betreiben. „Ich dachte, es geht schneller. Aber durch verschiedene Strömungen in der Gruppe ist es zu Verzögerungen gekommen“, erklärt Schaller. „Aber wir sind ein Verein und haben unsere Richtung. Wir wollen einen ‚Flohmarkt für Tätigkeiten‘ bieten und Menschen auf schnellstem Weg zusammenbringen.“ Die Leute sollen sich wieder trauen, ihre Wünsche zu formulieren, erklärt das Vorstandsmitglied.

Altersstruktur soll breiter werden

Für die Zukunft gibt es bereits viele Pläne: Am 27. November stellen Marion Schaller und ihre Vorstandskollegen „Nanuna“ im Rahmen der öffentlichen Sitzung des Kultur- und Sozialausschusses vor. Außerdem plane man eine Zusammenarbeit mit dem neueröffneten Horber Repaircafé. Allgemein wolle man sich mehr in der Öffentlichkeit sehen lassen, das Problem sei meist schlicht die Zeit. „Es müssen halt ein oder zwei aus dem Vorstand dabei sein, sonst bringt das nichts“, erklärt Schaller. Außerdem wolle man auch die Horber Ortsteile besuchen und sich dort nochmal gesondert vorstellen. „Wir haben beispielsweise ein sehr enges Verhältnis zu ‚Menschen in Ahldorf‘“, erzählt Marion Schaller. Auch in der Altersstruktur wolle man sich zukünftig breiter aufstellen und vor allem auch junge Menschen ansprechen.

So funktioniert die Zeittauschbörse von „Nanuna“:

Die Mitglieder von „Nachbarn nutzen Nachbarn e.V.“ verfügen alle über ein Mitgliedskonto. Egal welche Art von Tätigkeit sie für ein anderes Mitglied leisten, erhalten sie im Anschluss daran eine gewisse Zeitgutschrift. Nehmen sie selbst Leistungen in Anspruch, wird ihnen der entsprechende „Zeit-Betrag“ von ihrem Konto abgezogen. So ist es beispielsweise möglich, sich Zeitguthaben „anzusparen“, um es wiederum für größere Dinge wie Umzüge oder Ähnliches auszugeben. Wer sich neu anmeldet, erhält eine Start-Gutschrift von sechs Stunden, um das Ganze erst einmal auszuprobieren. Der Jahresbeitrag beträgt 7,50 Euro pro Mitglied.