Florence Foster Jenkins

Florence Foster Jenkins

Meryl Streep spielt in der Komödie eine reiche Amerikanerin, die trotz fehlenden Talents unbedingt Opernsängerin werden möchte.

01.10.2016

Von Dieter Oßwald

In „Mamma Mia!“ hat Meryl Streep ihre Sangeskünste in Perfektion präsentiert. Nun muss sie das genaue Gegenteil unter Beweis stellen und so miserabel singen, wie es nur geht. Schließlich spielt sie Florence Foster Jenkins, die im New York der 1940-er Jahre als schlechteste Sängerin der Welt für Furore sorgte. Bis heute taugt ihr dissonantes Geträller zur Gaudi des You-Tube-Publikums. Die Klickzahlen werden nach diesem Biopic vermutlich explodieren.

Zugleich dürften aber auch Jenkins‘ Sympathiewerte steigen, denn ihrem Kampf gegen Windmühlen wohnt jener Zauber inne, der auch den als „Eddie the Eagle“ zu Kinoehren gelangten Skisprung-Zwerg Michael Edwards zur Kultfigur machte. Versager mit Visionen – das hat enormes Empathie-Potenzial. Ecken und Kanten sind schließlich spannender als Perfektion.

Der Traum der tragischen Heldin: umjubelte Opernsängerin. Das Problem: keinerlei Talent. Ihr Vorteil: viel Vermögen. So mietet Florence kurzerhand die riesige Carnegie Hall für ein Konzert – und ihr Gatte (grandios eitel: Hugh Grant) ordert heimlich die Claqueure und kauft die Kritiker gleich dazu.

Regisseur Stephen Frears („The Queen“) gelingt mit seiner amüsanten Hommage an diese selbsternannte Diva der Spagat zwischen Lachnummer und ernsthaftem Porträt. Er trifft, im Unterschied zu seiner Heldin, jeden Ton perfekt. So grotesk komisch dieser Trash-Gesang auch ist, bleibt Jenkins‘ Würde doch unangetastet.

Die exzentrische Schale der Figur bietet Meryl Streep eine komödiantische Steilvorlage. Daneben legt sie aber auch den sensiblen Kern einer verletzlichen Frau frei. Denn allem Reichtum zum Trotz hatte es die Dame in ihrem Leben nicht leicht. In jungen Jahren mit Syphilis infiziert, litt sie an den gravierenden Spätfolgen. Ihre Klavier-Karriere musste sie deswegen aufgeben. Umso beharrlicher realisiert sie ihren Opern-Traum. „Das ist es, wofür wir leben!“, sagt Florence vor ihrem Konzert.

Der Rezensent der „New York Post“, der Jenkins‘ Auftritt seinerzeit fluchtartig verlassen hat, dürfte seine Überheblichkeit derweil verfluchen. Schließlich gilt: „So lang die dicke Frau noch singt, ist die Oper nicht zu Ende.“

Wie schon Beethoven sagte: Falsche Töne sind verzeihlich. Der Mangel an Gefühlen jedoch nicht.