Nicht vom Staat leben

Flüchtlinge wünschen sich flexiblere Regelungen für die Arbeitsaufnahme

Flüchtlinge klagen über bürokratische Hemmnisse, eine Arbeitsstelle annehmen zu können. Ehrenamtliche Helfer wünschen sich flexiblere Regelungen.

26.04.2016

Von Andreas Straub

Der ehemalige Bürgermeister des Rottenburger Teilorts Dettingen, Egon Hartrampf (mit Mütze), und seine Frau Elsbeth (links) betreuen die Flüchtlingen Vladan Ilic und Wahid Saeedi (rechts). Sie fordern mehr Felxibilität für die Behörden, um Flüchtlingen die Arbeitsaufnahme zu erleichtern. Bild: Straub

Der ehemalige Bürgermeister des Rottenburger Teilorts Dettingen, Egon Hartrampf (mit Mütze), und seine Frau Elsbeth (links) betreuen die Flüchtlingen Vladan Ilic und Wahid Saeedi (rechts). Sie fordern mehr Felxibilität für die Behörden, um Flüchtlingen die Arbeitsaufnahme zu erleichtern. Bild: Straub

Rottenburg. Von Ehrenamt spricht Egon Hartrampf, 79, nicht gerne. Lieber möchten der frühere Dettinger Bürgermeister und seine Ehefrau Elsbeth als „freiwillige Helfer“ bezeichnet werden. Die beiden Dettinger betreuen in Rottenburg rund 25 Flüchtlinge. Sie helfen, Wohnungen einzurichten, fahren sie ins Einkaufszentrum oder gehen zu Ärzten und Behörden mit.

Elsbeth Hartrampf, 76, gibt einen Aphabetisierungskurs in Rottenburg, früher war sie Sekretärin bei Siemens in Stuttgart. „Ich will mich einbringen“, sagt sie. Eine Hauptschwierigkeit: wenn Flüchtlinge nur „Duldungs“-Status haben, wird laut Hartrampf in der Regel die Arbeitsbewilligung verwehrt. Die Duldung könne sich über Jahre erstrecken. „Arbeit bringt menschliche Anerkennung, man kann ein paar Euro verdienen und muss nicht nur rumhängen“, sagt die Rentnerin.

Daher schlagen sie und ihr Mann vor, die Regeln dahingehend zu ändern, dass grundsätzlich eine Art „vorläufige“ Arbeitsgenehmigung erteilt wird, die automatisch mit der Abschiebung erlischt. „Da blickt kein Mensch durch, das muss einfacher werden“, sagt Egon Hartrampf. Auch in der Koordination sieht Hartrampf noch einige Schwachstellen. „In unserer Stadt Rottenburg könnte man noch einiges dazu tun, um das Handeln der Arbeitsverwaltung, der Sozialverwaltung und auch der Schulungen in Deutschkursen besser zu koordinieren“, so Hartrampf.

Zwei „Schützlinge“ der Hartrampfs sind Vladan Ilic, 33, und Wahid Saeedi, 34. Beide möchten in Deutschland arbeiten. Ilic ist vor einem Jahr zusammen mit seiner Ehefrau und den beiden Kindern (10 und 6 Jahre alt) aus Serbien nach Deutschland gekommen. Als Roma sei er dort diskriminiert worden. „Deutschland ist besser für meine Kinder und für unser Leben“, sagt Ilic. Seine Ehefrau arbeitet als Reinigungskraft in der Bahnhofsapotheke. Auch er selbst hat nach zehn Monaten Deutschkurs bereits einen Job in einer Reinigungsfirma und in einem Restaurant in der Küche gefunden, jeweils auf Basis von 30 Stunden im Monat. In Serbien hat Ilic Schweißer gelernt, aber auch schon als Busfahrer gearbeitet. Für eine Vollzeitstelle als Hausmeister, auf die er sich beworben hatte, erhielt er dagegen keine Genehmigung der Ausländerbehörde. Ihm selbst und den Hartrampfs ist das unverständlich.

Der Afghane Saeedi kam vor acht Monaten nach Deutschland, ebenfalls zusammen mit seiner Ehefrau. Kinder hat das seit 13 Jahren verheiratete Paar keine. Saeedi war Bauarbeiter und würde gerne wieder etwas in diesem Bereich finden. Derzeit konzentriert er sich vor allem auf seinen Deutschkurs. „Rottenburg ist eine schöne, kleine Stadt“, sagt Saeedi. Es gefalle ihm viel besser als in Hamburg, Stuttgart oder Hannover, wo er auch schon war. Weder er noch seine Frau haben bislang Jobs gefunden. „Ich möchte nicht vom Staat leben, sondern unabhängig sein“, sagt Saeedi.

Falls er eine Stelle finde, so fürchtet Egon Hartrampf allerdings, dass er wegen seines Status’ (Duldung) keine Genehmigung erhält. Daher fordert Hartrampf in solchen Fällen mehr Ermessensspielraum für die Behörden. „Die Vorschriften sind zu eng“, sagt er. Dabei betont er ausdrücklich, die Mitarbeiter auf den unteren Ebenen der Behörden seien stets freundlich. Die seien mit den freiwilligen Helfern vergleichbar, die „Ameisen an der Front“.

Nach Auskunft der Bundesarbeitsagentur Tübingen/Reutlingen dürfen Asylbewerber in ersten drei Monaten nach ihrer Einreise nicht arbeiten. Nach dieser Zeit ist dies für „gestattete“ und „geduldete“ Einwanderer grundsätzlich möglich. Im ersten Jahr wird noch geprüft, ob es für die Stelle deutsche Bewerber gibt. Diese hätten dann Vorrang. Beispielsweise haben Asylbewerber kaum Chancen, als Produktionshelfer zu arbeiten, da es genügend deutsche Bewerber gibt.

Nach 15 Monaten Aufenthalt in Deutschland werden vier Jahren lang nur noch die Arbeitsbedingungen geprüft. In erster Linie geht es darum, dass die ortsübliche Bezahlung, die in der Regel über dem Mindestlohn liegt, nicht unterschritten wird. Das Arbeitsamt prüft immer nur im Auftrag und auf Anfrage der Ausländerbehörde, die letztlich entscheidet, wer arbeiten darf und wer nicht.

Personen mit einer Aufenthaltsgestattung, die verpflichtet sind in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, dürfen grundsätzlich keiner Beschäftigung nachgehen. Die sogenannte AE-Wohnverpflichtung gilt für sechs Wochen und kann auf höchstens sechs Monate verlängert werden.

Personen aus sicheren Herkunftsländern wie etwa den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, Albanien, Bosnien, Herzegowina, Ghana, Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Senegal und Serbien, die ihren Asylantrag nach dem 31. August 2015 gestellt haben, müssen während des gesamten Asylverfahrens (und im Falle der Ablehnung des Asylantrages in bestimmten Fällen bis zur Ausreise) in Aufnahmeeinrichtungen wohnen und dürfen keiner Beschäftigung nachgehen.