Herrenberg/Gültstein

Ammertalbahn rammt Auto auf Gleis und fängt Feuer

Weil eine Betrunkene verwirrt ihren Wagen auf dem Gleis abstellte, kracht der Zug hinein – beide fingen Feuer. Das hat Folgen für den Bahnverkehr.

11.02.2022

Von Hannah Möller & Jonas Bleeser

Der durch das Feuer schwer beschädigte Triebwagen der Ammertalbahn. Bild: Jonas Heim

Der durch das Feuer schwer beschädigte Triebwagen der Ammertalbahn. Bild: Jonas Heim

„Der ganze Boden muss ausgetauscht werden“, sagte Jonas Heim von der Erms-Neckar-Bahn, stellvertretend zuständig für die Technik der Ammertalbahn. Durch die Kollision und den nachfolgenden Brand sei Benzin und verschmortes Plastik in den Boden im Bereich der Schienen eingedrungen.

Selbst vier Stunden nach dem Zugunglück hängt ein beißender Geruch von Benzin und Verschmortem in der Luft. Im Gleisbett liegen verstreut Glassplitter. Am Ende des Bahnsteigs ist zwischen den beiden Schienen ein großer schwarzer Fleck zu sehen. Geologe Moritz Fundinger vom Tübinger Ingenieurbüro IHB kniet über den Gleisen und entnimmt Bodenproben. Ein Eimer mit Schotter vom Gleisbett steht neben ihm. Die Steine schickt er später ins Labor. Dort wird geprüft, wie sehr der Boden mit Schadstoffen belastet ist.

Mit einem kleinen Spaten sticht er in die verkohlte Erde und riecht daran. Das Gras unterhalb der Gleise hat es glücklicherweise kaum erwischt, wie der Geologe feststellt. Es rieche kaum nach Benzin.

Notruf am frühen Morgen

Gegen 5.25 Uhr war die Ammertalbahn von Herrenberg kommend Richtung Entringen unterwegs gewesen. Aus einer Rechtskurve kommend fuhr der Zug in den Haltepunkt Zwerchweg bei Gültstein ein. Dort war eine 25-Jährige mit ihrem Peugeot auf die Gleise gefahren, anschließend verließ sie das Auto. Der Lokführer konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen: Sein Zug krachte gegen den Wagen und schob ihn auf dem Gleis etwa 60 Meter vor sich her.

Der Peugeot fing Feuer, die Flammen griffen auf den Führerstand des Triebwagens über. Glücklicherweise gelang es sowohl dem Zugführer wie auch zwei frühmorgendlichen Passagieren, die Bahn körperlich unversehrt zu verlassen. Auch die Autofahrerin blieb laut Polizeiangaben unverletzt. Der Lokführer allerdings erlitt einen Schock.

Die Wehr war schnell vor Ort

Die Feuerwehr Herrenberg und der Abteilung Affstätt traf noch vor der alarmierten Polizei am Unfallort ein. Einsatzleiter Marvin Binder lobte die größtenteils ehrenamtlichen Feuerwehrleute ausdrücklich: Die waren „sehr schnell früh morgens zum Feuerwehrhaus gekommen und zum Löschen ausgerückt“. Als sie am Unfallort ankamen, brannte das Auto bereits lichterloh. Die mit fünf Fahrzeugen und 16 Leuten angerückte Wehr löschte das Feuer, das zog sich mit Nachlöscharbeiten bis 6.55 Uhr. Anschließend überwachte sie noch die Bergungsarbeiten, damit keine der ausgelaufenen Flüssigkeiten Feuer fing, während ein Kran das Auto aus dem Gleis hob. Ihren Einsatz beendete die Feuerwehr gegen 9.50 Uhr.

Bis wieder ein Zug auf der Strecke fahren konnte, dauerte es allerdings noch: Erst um 11.47 Uhr fuhr die Ammertalbahn wieder. Den Schaden schätze die Polizei am Vormittag zunächst vorsichtig auf 150000 Euro. Warum die Frau auf die Gleise fuhr, blieb unklar: Die betrunkene und verwirrt wirkende Autofahrerin musste zur Blutprobe, anschließend brachten Polizisten sie in eine psychiatrische Einrichtung. Nun wird wegen gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr gegen sie ermittelt.

 



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Züge fahren wieder planmäßig

Vom Zugunfall betroffen waren nach Angaben des Zweckverbands der Ammertalbahn insgesamt drei Triebwagen, die abgeschleppt und zur weiteren Untersuchung auf vorhandene Schäden in die Werkstatt überführt wurden. Der in Brand geratene Triebwagen sei nach ersten Erkenntnissen nicht weiter einsetzbar.

Hierdurch werde es durch den Ausfall der drei Triebwagen in den nächsten Tagen zu Schwächungen im Regelbetrieb kommen, wie der Zweckverband am Freitagnachmittag mitteilte. Alle Züge werden voraussichtlich planmäßig fahren, allerdings mit weniger Kapazitäten als bisher.

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Erstellt:
11.02.2022, 08:50 Uhr
Aktualisiert:
11.02.2022, 18:52 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 11.02.2022, 18:52 Uhr

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