Rollerfahrer schwer verletzt

Führte ein Notfall zum Unfall in Tübingen?

Am Dienstag wurde ein Rollerfahrer angefahren. Er brach sich das Schlüsselbein und zwei Rippen. Der Autofahrer macht einen Notfall geltend. Das spielt für die Polizei keine Rolle.

15.02.2019

Von job

Symbolbild: ©Heiko Küverling - stock.adobe.com

Symbolbild: ©Heiko Küverling - stock.adobe.com

Am Dienstagabend gegen 19 Uhr fuhr ein 30-Jähriger mit seinem Opel Astra von der Bismarckstraße Richtung Tübinger Innenstadt. Dabei hielt er an einer roten Ampel nicht an und brachte in der Friedrichstraße einen Rollerfahrer zu Fall. Anschließend fuhr er weiter, ohne sich um den Schwerverletzten zu kümmern. Schließlich ließ er seinen Wagen mit kaputtem Hinterrad in der Rümelinstraße stehen. So schilderte es die Polizei in einer Pressemitteilung (wir berichteten).

Das bestreitet auch der Opel-Fahrer im Prinzip nicht, der sich nach der Veröffentlichung auf www.tagblatt.de in der Redaktion meldete. Über die Meldung hatte er sich trotzdem geärgert. Denn die Polizei erwähnt mit keinem Wort, warum er bei Rot über die Ampel gefahren sei. Es habe sich um einen echten Notfall gehandelt. Gegenüber dem TAGBLATT schildert er die Situation so: Im Auto, das mit Warnblinker unterwegs war, saß hinten seine weinende Frau mit der erst sieben Tage alten Tochter auf dem Schoß.

Die habe sich vorher an der Muttermilch verschluckt gehabt und nicht mehr geatmet. Beim Anblick des leblos erscheinenden Kindes seien sie in Panik geraten: Anstatt den Rettungsdienst zu alarmieren und auf den Notarzt zu warten, sprangen sie ins Auto und wollten in die Klinik. Immer wieder fragte er seine Frau, ob das Baby noch atme, sie aber habe nur geweint. Den Unfall habe er gar nicht wahrgenommen. Als sein Opel liegen blieb, habe er Rettungsdienst und Polizei angerufen und sei dann mit in die Klinik gefahren, da seine Frau kein Deutsch spricht. Das Kind wurde behandelt und ist wieder wohlauf.

Bei dem Rollerfahrer, der laut seiner Aussage eine Schulterprellung erlitt, habe er sich entschuldigt.

Rollerfahrer meldet sich beim TAGBLATT

Am Freitag meldete sich der Rollerfahrer in der Redaktion: Er habe nicht nur eine Schulterprellung erlitten, sagte er, sondern eine Schlüsselbeinfraktur und zwei gebrochene Rippen. Wahrscheinlich, so der Mann, müsse er auch noch operiert werden.

Die Polizei ermittelt weiter wegen Unfallflucht, fahrlässiger Körperverletzung sowie Straßenverkehrsgefährdung. Sie sucht unter 07071/9728660 weiterhin nach Zeugen.

Bei der Meldung habe man sich bewusst auf das Unfallgeschehen beschränkt, so Polizeisprecher Christian Wörner: Die Polizei ermittle Tatsachen, bewerten müsse das dann ein Richter. Auch ein Notfall „entbindet nicht von der Verkehrssicherungspflicht“.

Dass man als Autofahrer nichts von einem solchen Unfall merke, sei kaum nachvollziehbar. Zum Zeitpunkt des Presseberichts sei der Rollerfahrer als schwerverletzt gemeldet gewesen. Wie gravierend die Verletzungen tatsächlich sind, werde die Vernehmung des Mannes zeigen.

Der 30-Jährige habe durch die Fahrt sein Kind eher in Gefahr gebracht: „Es wäre besser gewesen, er hätte die 112 gerufen.“

Was gilt im Notfall?

Bei Gefahr dürfen Verkehrsregeln und Gesetze übertreten werden. Im Strafgesetzbuch (§34) und im Ordnungswidrigkeitengesetz (§16) gibt es dafür Regelungen. Allerdings gelten sie nur dann, wenn der Gesetzesbruch ein „angemessenes Mittel“ ist, die Gefahr abzuwenden. Außerdem muss das, was in Gefahr ist, wichtiger sein als das, was durch die gebrochene Regel geschützt werden soll: Ein Notarzt darf beispielsweise im Halteverbot parken, weil die Gesundheit eines Verletzten wichtiger ist als die Verkehrsregel.

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Erstellt:
15.02.2019, 14:30 Uhr
Aktualisiert:
15.02.2019, 14:58 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 36sec
zuletzt aktualisiert: 15.02.2019, 14:58 Uhr

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