Kirchen

Gedenktafeln in zwei Sprachen

Die katholische Kirchengemeinde ist erleichtert, die Leihglocke aus Píšt nun doch nicht zurückgeben zu müssen. Als Friedenszeichen und Symbol für die Versöhnung werden an beiden Gotteshäusern Infoschilder zur Geschichte angebracht.

15.03.2018

Von Cristina Priotto

Pfarrer Georg Lokay

Pfarrer Georg Lokay

Es war die Nachricht für die katholische Kirchengemeinde St. Johann, dass die Kirchengemeinde in Píšt an der polnisch-tschechischen Grenze völlig überraschend doch auf die Rückgabe der Leihglocke verzichtet, die im Zweiten Weltkrieg in den Kirchturm der Neckarstadt gelangte (wir berichteten mehrfach). Zuvor hatte Übersetzer Karl Boczek im Namen der Píšter Gläubigen im November 2015 um die Rückgabe des Läutwerks gebeten.

Pfarrer Georg Lokay hat in der jüngsten Sitzung den Kirchengemeinderat über die aktuelle Entwicklung informiert. „Die Mitglieder haben sich sehr gefreut“, berichtete der Präses auf Nachfrage der SÜDWEST PRESSE.

Das Geläut war im 18. Jahrhundert in Droppau gegossen worden und hing bis kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs im Turm der Kirche St. Laurentius in Píšt. Als die Nazis im Zweiten Weltkrieg zur Herstellung von Munition und Waffen Bronze benötigten, wurde die Glocke auf den Hamburger „Glockenfriedhof“ verfrachtet.

Das Deutsche Glockenarchiv hat das Läutwerk aus Píšt unter der Nummer 251826 verzeichnet. Durch Recherchen beim Glockenarchiv in Nürnberg war Boczek auf den Verbleib des in der heutigen Tschechischen Republik vermissten Geläuts gestoßen und hatte die Sulzer katholische Kirchengemeinde St. Johann daraufhin kontaktiert.

In St. Laurentius hängt seither eine Ersatzglocke aus Stahl, die jedoch Risse bekam, teilte Karl Boczek unserer Zeitung mit.

Die tschechischen Gläubigen schlugen der Diözese in Ostrava mehr als zwei Jahre nach der Anfrage mit Bitte um Rückgabe vor, die Glocke doch in St. Johann zu belassen. Pfarrer Lokay hatte den Píštern zuvor in einem Brief den hohen baulichen und finanziellen Aufwand geschildert, der mit dem Ausbau verbunden gewesen wäre.

Die Generosität der eigentlich rechtmäßigen Besitzer ist allerdings an eine kleine Bitte geknüpft: Die Kirchengemeinde von Píšt hatte Anfang Februar den Wunsch nach Anbringung von Gedenktafeln an beiden Gotteshäusern geäußert. „Die Glocke soll als Friedensglocke zur Erinnerung und als Mahnzeichen hängen bleiben“, betont Georg Lokay. Der katholische Pfarrer der Kirchengemeinde St. Johann Sulz wird sich in den nächsten Wochen mit Urs Thiel mit der Inschrift zur Historie befassen. Vorgesehen ist jeweils eine Version auf Deutsch für Sulz und eine Variante auf Tschechisch für Píšt. „Die Tafeln sollen in den Gotteshäusern angebracht werden“, erklärt Pfarrer Georg Lokay. Dies entspricht auch dem Wunsch Karl Boczeks nach „Werben für Verständnis und Verständigung“.

Einen genauen zeitlichen Horizont gibt es laut Lokay noch nicht, die Tafeln sollen aber dieses Jahr fertig werden. Die Höhe der Kosten ist unklar – aber sehr viel günstiger als der Austausch, der etwa 100000 Euro verschlungen hätte, werden die Tafeln allemal.

Die Kirchengemeinde Píšt wird übrigens demnächst durch einen Bischof zu einer Wallfahrtsgemeinde erhoben. Umso bedeutender wird daher der Beitrag zur Glockengeschichte aus Sulz.

Urs ThielArchivbilder

Urs Thiel Archivbilder

Kurzgeschichte der Leihglocke aus Píšt:

1743 hat der Glockengießer Frantz Stancke in Droppau (heute: Opava
in der Tschechischen Republik) die Glocke gegossen.

Bis 1944 befand sich das Geläut in der Kirche St. Laurentius in Píšt.

1944 kam die Glocke auf den
Hamburger „Glockenfriedhof“.

In den 1940er-Jahren gelangte das Läutwerk als „kriegsbedingt
verlagertes Kulturgut“ (Leihglocke)
in den Kirchturm nach St. Johann.