Zweitliga-Derby

Gefährliches Spiel

Ein Großaufgebot an Polizisten und Ordnungskräften soll bei der ausverkauften Partie des VfB Stuttgart in Karlsruhe für Sicherheit sorgen. Die Stimmung ist nach Hassparolen explosiv.

29.10.2016

Von WOLFGANG SCHEERER

Krawall beim letzten KSC-Heimspiel: Ultras des 1. FC Nürnberg lösten den Tumult der beiden Fanlager aus, der zur Unterbrechung der Partie führte. Verhaftet wurden danach zwei Karlsruhe-Anhänger. Foto: Imago

Krawall beim letzten KSC-Heimspiel: Ultras des 1. FC Nürnberg lösten den Tumult der beiden Fanlager aus, der zur Unterbrechung der Partie führte. Verhaftet wurden danach zwei Karlsruhe-Anhänger. Foto: Imago

Karlsruhe. Zeigt der Fußball sein schlimmstes Gesicht? Die erbitterte Rivalität zwischen Karlsruher SC und VfB Stuttgart hat traurige Tradition – und schon vor dem Zweitliga-Derby, das morgen um 13.30 Uhr im Wildparkstadion angepfiffen wird, eine neue Dimension erreicht: Hassplakate von KSC-Ultras („Tod dem VfB“), die in Stuttgart auftauchten und zur Anzeige gebracht wurden, haben die Nervosität bei beiden Klubs, den Sicherheitsleuten und der Polizei noch vergrößert. Ein Großaufgebot von rund 1000 Beamten aus dem ganzen Land soll schon durch Abschreckung dafür sorgen, dass das erste baden-württembergische Duell seit sieben Jahren möglichst sportlich über die Bühne geht.

Doch die Stimmung ist mächtig aufgeheizt. Vor, während und nach diesem „Hochrisikospiel“ kann es rund gehen. Der erfahrene Polizei-Einsatzleiter Fritz Rüffel hat deshalb nicht nur zahlreiche Besprechungen mit den Verantwortlichen beider Vereine hinter sich, sondern mit seinen Leuten auch „verschiedene Szenarien durchgespielt“. Krawallmacher, nicht nur die des KSC, waren schon beim Heimspiel zuvor, dem 0:3 gegen den 1. FC Nürnberg, extrem negativ aufgefallen.

Nach den Auseinandersetzungen während der Partie am 16. Oktober waren zwei so genannte KSC-Fans vorübergehend festgenommen worden. Die Polizei setzte Schlagstöcke und Pfefferspray ein. Mehrere Menschen erlitten Augenreizungen. Club-Ultras waren es, die etwa zehn Minuten vor dem Ende mit Feuerwerkskörpern den Tumult zwischen beiden Fanlagern auslösten. Der Schiedsrichter unterbrach die Partie für mehrere Minuten.

2008 die eigenen Fans angezeigt

Solche Szenen sind es, die auch morgen drohen. Um besser den Überblick zu behalten, hat die Polizei darauf bestanden, dass das Spiel bei Tageslicht ausgetragen wird, nicht im Zweitliga-Dunkel von Freitag- oder Montagabend. Mit wechselseitigen Hasstiraden ging es zuletzt im Internet weiter – kein wirklich geeignetes Medium, wenn es um Deeskalation geht. Daran versucht sich nun sogar die Evangelische Landeskirche Baden mit einem „Friedenszeichen“: Auf einem Plakat sind zwei weibliche Fans der gegnerischen Mannschaften zu sehen, die den Arm umeinanderlegen. „Ich bin so frei . . . andere zu mögen, auch wenn sie nicht meine Farbe tragen“, steht über dem Bild.

Allerdings ist das Verhältnis zwischen einigen Gruppen aus dem VfB- und dem KSC-Block seit Jahren geprägt von Provokation und Konfrontation. In einem Fall hatte das sogar schon skurrile Züge: Verteidiger Christian Eichner, zu Karlsruher Bundesliga-Zeiten einer der Publikumslieblinge, war beim Gastspiel in Stuttgart kurz nach der Winterpause 2008 nur knapp von einer bis zu 1000 Grad heißen Leuchtrakete verfehlt worden – nur eine von mehreren, die in der KSC-Kurve gezündet worden waren, und auf dem Rasen aufschlugen.

Natürlich galt die Attacke nicht dem damals 25-Jährigen, der seine Karriere inzwischen beendet hat. Dennoch stellten Eichner und der Verein Strafanzeige gegen Unbekannt wegen versuchter schwerer Körperverletzung. „Diesen Kriminellen muss das Handwerk gelegt werden“, forderte der Profi, „Es kann nicht sein, dass friedliche Leute im Stadion Angst haben müssen, bei diesen hochgefährlichen Übergriffen schwer verletzt zu werden.“

Um genau diese Angst dreht sich beim baden-württembergischen Derby morgen wieder alles, wenn rund 3000 Gäste-Fans und 26 000 KSC-Anhänger das ausverkaufte Stadion füllen.

Dass sich VfB und KSC nach langer Pause erst jetzt durch den Stuttgarter Abstieg wieder gegenüberstehen, hat die Gemüter nicht im Mindesten beruhigt. Im Gegenteil. Deshalb gilt für das Großaufgebot an Ordnungskräften und Polizei nun wieder höchste Alarmstufe. Auch finanziell ist der Aufwand immens. Mit Einsatzkosten zwischen 300 000 und einer halben Million Euro wird gerechnet.

Rein sportlich geht es für beide Vereine um viel: Der Karlsruher SC braucht einen Erfolg, um Abstand zum Tabellenkeller zu bekommen, der VfB Stuttgart, um den Anschluss an die Spitze zu halten. Doch ein Ziel haben die Klimavergifter bereits erreicht: Dass auch Fußball gespielt wird, ist bereits stark in den Hintergrund gedrängt.

Zum Artikel

Erstellt:
29.10.2016, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 55sec
zuletzt aktualisiert: 29.10.2016, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Newsletter los geht's
Nachtleben, Studium und Ausbildung, Mental Health: Was für dich dabei? Willst du über News und Interessantes für junge Menschen aus der Region auf dem Laufenden bleiben? Dann bestelle unseren Newsletter los geht's!