Ärgernis

„Gemetzel“ an Bäumen erbost

Die Straßenmeisterei hat zwischen Sulz und Glatt mehrere kreiseigene Bäume geschnitten – aus Sicht von Baumfachwarten völlig unsachgemäß. Von Cristina Priotto

08.02.2019

Von Cristina Priotto

„Gemetzel“ an Bäumen erbost

Gemetzel“, „Gruselkabinett der besonderen Art“, „schnittgesetzmäßig absolute Katastrophe“: Die Facebook-Kommentare zur Ende Januar erfolgten Baumschnittaktion der Straßenmeisterei Rottweil entlang der Kreisstraße K5512 zwischen Sulz und Glatt zeugen von Fassungslosigkeit. Alexandra Rau hat im Internet Fotos der Maßnahme gepostet. Darauf sind überwiegend alte Obstbäume mit großen Schnittwunden an der Rinde oder einseitig gestutzte Bäume zu sehen.

Enttäuschung und Entsetzen

Rau ist empört: „Wir Fachwarte, Streuobstpädagogen, Streuobstfreunde sowie viele private Streuobstwiesen-Besitzer, der Landschaftserhaltungsverband und das Landwirtschaftsamt setzen uns seit Jahren dafür ein, dass die vom Aussterben bedrohten Streuobstwiesen fachlich richtig gepflegt werden, damit diese erhalten werden können.“ Die Art und Weise, wie Mitarbeiter der Straßenmeisterei die kreiseigenen Apfel- und Birnbäume an der K5512 zurückgeschnitten haben, nennt Rau „ein Gemetzel der besonderen Art“.

Die Bergfelder Streuobstfreunde, die eine Baumwiese gegenüber betreuen, kümmerten sich seit zwei Jahren als Paten um die Apfelbäume: „Das sind wunderbare Äpfel von wertvollen Sorten“, schwärmt Alexandra Rau.

Als Grund für die Schnittaktion hatte die Straßenmeisterei angeführt, unter den Bäumen so besser mähen zu können, um den Pflegern die Ernte zu erleichtern. Dieses Argument will Rau aber nicht gelten lassen: „Im vergangenen Sommer wurde auch gemäht, ohne dass die Bäume so stark zurückgeschnitten worden wären“, berichtete die Bergfelderin am gestrigen Donnerstag der SÜDWEST PRESSE.

Die Liste mit den Kritikpunkten der Baumschnittexpertin, die in einer Baumschule arbeitet, ist lang: „Es ist alles falsch gemacht worden“, fasst die Baumfachwartin zusammen. „Man sollte solchen alten Bäumen nicht solche großen Wunden zufügen“, nennt Alexandra Rau einen Fehler. Wenn dies aus Gründen der Verkehrssicherheit nötig sei, müsse die Säge möglichst weit weg vom Stamm angesetzt und trotzdem ein Ast stehen gelassen werden. „Sonst kann ein Pilz in den Baum eindringen – und das wird so kommen“, befürchtet die Bergfelderin.

Der zweite Kritikpunkt betrifft den aus Raus Sicht einseitigen Schnitt: „Man sollte bei einem Baumschnitt das Gleichgewicht erhalten: Drei bis vier Leitäste um den Baum verteilt und eine Stammverlängerung sollten erhalten bleiben“, erklärt die Mitarbeiterin einer Baumschule. Wenn ein Obstbaum im Spätsommer voller Äpfel hängt, sollte sich das Gewicht in alle Richtungen verteilen. „Bei einem einseitigen Schnitt kippt der Baum auf die schwerere Seite, die Äste brechen ab, und der Baum erholt sich womöglich nie wieder“, warnt Alexandra Rau.

Das bislang gute Verhältnis zwischen dem Landratsamt und den Streuobstfreunden Bergfelden hat aus Sicht der Baumschnittexpertin durch die unsachgemäße Stutzaktion einen herben Dämpfer erlitten. Die Obstbäume an der Kreisstraße zwischen Sulz und Glatt gehören nämlich dem Landkreis Rottweil.

Wolfram Rösch, einer von zwei Vorsitzenden des Landschaftserhaltungsverbands Rottweil, hatte sich im Herbst dafür eingesetzt, dass die Bäume für die gesamtstädtische Sammelaktion für den „Sulzer Drei-Täler-Saft“ zur Ernte freigegeben wurden.

Die Bergfelder Streuobstfreunde hatten dem Landratsamt Rottweil einen Baumschnittkurs speziell für die Mitarbeiter der Straßenmeisterei angeboten. Sechs Leute wurden angemeldet, doch dann wurde der Kurs abgesagt.

Ulmschneider: Zum Mähen nötig

Ewald Ulmschneider, Leiter der Straßenmeisterei, hat den Gehölzausschnitt in Auftrag gegeben, das Ergebnis aber noch nicht selbst gesehen. Auf Nachfrage unserer Zeitung erklärte Ulmschneider gestern: „Grundsätzlich können wir keinen Pflegeschnitt vornehmen, sondern müssen die Bäume so schneiden, dass wir die Grasflächen darunter mit Fahrzeugen mähen können“. Deshalb seien die Apfel- und Birnbäume so hochgeastet worden. Der Chef von 25 Mitarbeitern, darunter viele mit Baumschnittkurserfahrung, weiß aber: „Jeder macht es anders, der eine nimmt zuviel, der andere zuwenig weg. Das ist eine Gratwanderung“. Im Frühjahr würden die Äste aber wieder nachwachsen, glaubt Ewald Ulmschneider.

„Gemetzel“ an Bäumen erbost
„Gemetzel“ an Bäumen erbost
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Erstellt:
08.02.2019, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 48sec
zuletzt aktualisiert: 08.02.2019, 01:00 Uhr

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