Horb · Das Mittwochs-Interview

„Gepuzzelt habe ich lange nicht mehr“

„Im Plausch um Sieben“ sprach Tennisprofi Dominik Koepfer über seinen anderen Weg zum Tennisprofi. Der 26-Jährige holte sich die Turnierhärte auf einem US-College.

29.07.2020

Von Sascha Eggebrecht und Milos Kuhn

Ist fast immer positiv und voller Energie auf dem Platz: Tennisprofi Dominik Koepfer. Privatbild

Ist fast immer positiv und voller Energie auf dem Platz: Tennisprofi Dominik Koepfer. Privatbild

SÜDWEST PRESSE: Herr Koepfer, im Moment stehen Sie auf Rang 92 der ATP-Weltrangliste, wären also bei jedem Grand-Slam-Turnier im Hauptfeld. Wie sehr ärgert es Sie, dass Sie nun wegen der Corona-Krise nicht spielen können?

Dominik Koepfer: Naja, von Ärgern kann man da nicht reden. Das ist natürlich unglücklich, für alle Beteiligten und zwar in allen Sportarten und Berufen. Da sind die Tennisprofis außerdem gut dabei, es hätte uns deutlich schlimmer treffen können. Trotzdem wird es natürlich Zeit, dass es wieder losgeht.

Nun soll die Tour im August wieder ins Rollen kommen. Das Turnier in Washington, das Mitte August starten sollte, ist aber bereits abgesagt, da es wieder verstärkt Corona-Fälle gegeben hat. Die Organisatoren wollen dagegen Ende August die US Open ausspielen.
Eine gute Entscheidung?

Ob es eine gute Entscheidung ist oder nicht, weiß ich nicht. Wenn sie stattfinden, dann werden die Bedingungen so sein, dass jeder sicher ist und eine Art Bubble kreiert wird. Die Verantwortlichen werden ihr bestes geben, da bin ich mir sicher. Jeder kann entscheiden, ob er spielen will oder nicht und vielleicht kommen auch nicht alle Spieler aus Europa. Man muss noch ein bisschen abwarten und sehen, was passiert.

Deutschlands Frauentennis-Chefin Barbara Rittner sagte in einem Interview: „Und wäre ich eine unabhängige Topspielerin, würde ich auch nicht in die USA fliegen wollen, um dort ein Tennisturnier zu spielen.“ Können Sie diese Aussage von ihr verstehen, Herr Berrer?

Michael Berrer: Das ist eine individuelle Entscheidung. Als Topspieler ist es schwierig, nicht zu den US Open zu gehen. Ein Nadal oder ein Djokovic werden sich schwertun, nicht mitzumachen. Ich gehe davon aus, dass die USA alles für die Sicherheit tun wird.

Herr Koepfer, Sie wohnen ja in
Tempa, Florida, und können die Lage wegen Corona sehr gut einschätzen. Ist die Situation derzeit wirklich
richtig kritisch?

Stimmt, für die US Open wäre das natürlich eine leichte Anreise. Im Vergleich zu anderen Ländern ist es hier etwas chaotischer und nicht so strukturiert wie zum Beispiel in Deutschland. Bei Tests sind die Auflagen geringer und es gibt mehr Fälle. Die Kurve wird nicht wirklich geflacht. Trotzdem fühle ich mich in meinem Umfeld recht sicher.

Können Sie auf öffentlichen Plätzen trainieren oder ist dies nur auf
privaten möglich?

Wir sind auf Privatplätzen aktiv. Man muss aber dazu sagen, dass das unsere Entscheidung ist, die öffentlichen Plätze sind wieder offen, Tennis ist ja eine der sichersten Sportarten. Das ist mittlerweile kein Problem mehr.

Haben Sie ihre Fersenprobleme
behoben?

Das hat zeitlich gut gepasst. Ich habe, als die Probleme angefangen haben, fast drei Monate versucht, herauszufinden, woran es liegt. Seit einem knappen Monat bin
ich nach Lasertherapie wieder schmerzfrei. Die Pause war gut für meinen Körper.

Auch wenn es zur Austragung
kommen sollte, werden die Spieler ein Problem kriegen, wenn sie zum Beispiel nach Europa zurückkehren. Eine Quarantäne wird dann mit Sicherheit anstehen. Eine ordentliche Vorbereitung scheint dann auf die French Open nicht möglich zu sein. Müssen sich die Profis also für ein Turnier entscheiden, um erfolgreich spielen zu können?

Ins Land reinzukommen, ist kein Problem. Das Problem ist, dass die 1000 Leute, die dabei sind, danach direkt nach Europa müssen. Die Regierung würde für so etwas ungern Ausnahmegenehmigungen geben wollen. Sie versuchen, die Entscheidung nach hinten zu pushen. Wenn die US Open abgesagt werden würden, würde ich entsprechend versuchen, so schnell wie möglich nach Europa in Quarantäne zu gehen, sodass ich schnellstmöglich an Turnieren teilnehmen kann.

Es könnte somit sein, dass nicht die besten Spieler an den US Open teilnehmen werden. Wird es die Chance für einen Underdog sein, das Turnier zu gewinnen?

Klar, auf jeden Fall. Da sind einige dabei, die sich lieber auf die Sandplatzsaison vorbereiten. Es gibt aber auch Spieler, die angewiesen sind auf das Geld. Spieler, die wie ich neu im Ranking sind, werden auf alle Fälle versuchen, nach oben zu kommen, jahrelangen Spielern ist das, glaube ich, nicht so wichtig.

Herr Berrer, wie schätzen Sie die Chancen der Underdogs dann ein? Berrer: Das ist schwer zu sagen. Koepfer hoffe ich natürlich. Er hat einen mega Einstieg gemacht, gerade beim Grandslam. Das war gutes Gefühl, oder?

Koepfer: Auf jeden Fall ja. Das waren die ersten US Open und mein dritter Grandslam und ich bin
direkt in die vierte Runde
gekommen. Da lief einfach alles. Das war toll.

Da Sie ja schon in Florida sind, werden Sie ja keine Probleme haben, die US Open zu spielen. Dort werden Sie an den Ort Ihres größten Erfolges zurückkehren. Im vergangen Jahr spielten Sie sich über die Qualifikation bis ins Achtelfinale vor. Sicherlich werden Sie gern an den Ort Ihres größten Erfolges zurückkehren. Aber nun gibt es auch Druck. Denn Sie müssen die Punkte aus dem Achtelfinale
verteidigen. Wie gehen Sie mit dieser
Situation um?

Die Corona-Pause war natürlich perfekt für mich. Ich musste keine Punkte verteidigen. Das hätte nicht besser laufen können. Der Druck ist insgesamt natürlich gestiegen, niemand hat mich wirklich gekannt. Was ich dann in Asien gezeigt habe, war, dass ich nicht so gut damit umgehen konnte. Die Erwartungen an mich selbst waren zu hoch. Ich habe dann früh die Saison beendet, um mental auf Vordermann zu kommen. Vor allen Dingen Anfang des Jahres in Australien habe ich Druck auf mich selbst aufgebaut. Das war einfach eine neue Erfahrung, aus der ich lernen muss. Anfang Februar habe ich dann einen besseren Job gemacht. Das dauert einfach ein bisschen. Das war ein anderes Level. Da musste ich mich dran gewöhnen.

2019 standen Sie dann im Fokus der Medien – eine neue Erfahrung für Sie. Sie sagten, es war anstrengend. Hat sich der Rummel danach dann auch negativ auf Ihre Leistung auf dem Platz ausgewirkt?

Das war auf jeden Fall eine neue Situation, die Medien wollten mehr wissen. Mit so einem Volumen von Medien hatte ich zuvor nie zu tun. Das dauert, bis man sich daran gewöhnt.

Seit über einem Jahr arbeiten Sie mit einem Mentaltrainer zusammen. Konnte er auch in diesem Fall
helfen?

Auf jeden Fall. Ich arbeite seit über anderthalb Jahren mit ihm zusammen. Ich bin ja eigentlich ein ziemlicher Hitzkopf auf dem Platz. Das wurde besser. Auch Off-Court hat sich das gebessert. Ich bin nicht so hart mit mir selbst. Mit Niederlagen gehe ich beispielsweise besser um.

Hat der Mentaltrainer auch dafür
gesorgt, dass Sie nicht mehr Puzzlen müssen? Ihr Collegetrainer Booras hat Ihnen ja ein Puzzle gegeben, um ruhiger zu werden.

Naja, geduldig bin ich immer noch nicht. Aber es wird besser. Gepuzzelt habe ich trotzdem schon lange nicht mehr (lacht).

Sie sind ja den Weg in den Profisport übers College gegangen. Da Sie in der Jugend kaum Turniere gespielt haben, war es schwer für Sie, ein College zu finden. Letzten Endes war die einzige Wahl nämlich die Tulance University in New Orleans ein
Glücksfall für Sie oder?

Auf jeden Fall. Mit 16 habe ich mich das erste Mal damit beschäftigt. Meine Eltern wollten, dass ich studiere, außerdem war ich früher im Tennis einfach nicht gut genug. Ich habe zu viel nebenher gemacht: Ski, Golf und keinen Fokus auf das Tennis gelegt. Trotzdem war es für mich die beste Option. Viele Colleges gehen nur nach Ranking, die TU nicht. Es war eine gute Entscheidung.

In den Jahren 2012 bis 2016 haben Sie von 132 Spielen 103 gewonnen. Eine beeindruckende Bilanz. Was war der Grund für die Siege?

Es hat tatsächlich nicht gut angefangen. Das erste Jahr hab ich fünf Einzel und Doppel verloren. Ich dachte schon, der Coach schickt mich wieder nach Deutschland. Das Team hat mir aber wirklich geholfen. Gemeinsam morgens im Krafttraining und auf dem Platz. Ich habe mehr als je zuvor gespielt. Das ist schon auch anstrengend, hat mir aber auf jeden Fall geholfen. Im College kann jeder spielen, weil alle viel trainieren. Insgesamt war es eine Mischung aus viel Training, der Teamumgebung und den Matches.

Sie sprechen immer davon, ein Teamplayer zu sein. Im College sei es wie in einer Familie gewesen. Auf der Tour sind Sie nun allein. Kommen Sie damit zurecht?

Das war anfangs nicht so leicht und hat eine Weile gedauert, nur entweder allein oder mit Coach unterwegs zu sein. Das war schon eine Challenge. Viel Freizeit, mit der ich nichts wusste anzufangen. Ich musste selbstständiger sein.

Da muss es für Sie ja wie ein Gang zurück in die Vergangenheit gewesen sein, als Sie Ihr erstes Davis-Cup-Spiel in Düsseldorf bestritten haben. War es vom Teamgedanken genauso schön, wie am College?

Ja, es hat Riesenspaß gemacht, dort einfach dabei und ums Team herum zu sein. Das war eine coole Truppe. Der Davis Cup in Deutschland war dann nochmal anders als der in Madrid. In Deutschland noch am Schluss spielen zu können, war sehr
besonders. Das werde ich nie
vergessen.

Als Sie 16 Jahre alt waren, hat wohl niemand damit gerechnet, dass Sie mal für Deutschland spielen würden. Bis dahin waren Sie eher der Typ Straßensportler. Sie haben es vorhin gesagt. Sie haben viel Sport getrieben, sind auch Skigefahren. Auf dem Tennisplatz waren Sie aber nur zwei Mal in der Woche anzutreffen. Haben Sie Ihre Einstellung erst geändert, als Sie bei der deutschen Jugendmeisterschaft 2010 völlig unerwartet den zweiten Platz erreicht
hatten?

Das war auf jeden Fall das Turnier, dass mir den Durchbruch gegeben hat. Ich habe realisiert, dass ich recht gut im Tennis bin. Ich hatte damals sogar die falsche Kopfgröße am Schläger. Trotzdem hat alles gepasst. Dann wurde ich zur U16-Europameisterschaft nominiert. So kam dann auch der Gedanke mit dem College.

Herr Berrer, bei Ihnen war es ähnlich, dass Sie erst sehr spät das Tennistraining intensiviert haben. Zuvor hatten Sie auch noch Fußball gespielt. Ist die späte Spezialisierung der richtige Weg oder sind Sie mit Dominik Koepfer eine Ausnahme?

Berrer: Das weiß ich auch nicht. Da gibt es keine Pauschalantwort. Es macht Sinn nicht so früh anzufangen, sonst wird man zu früh satt, weil das Spielen meistens nicht intrinsisch vom Kind aus motiviert ist. Wenn du selber Bock drauf hast, ist es längerfristig gesehen schon besser.

Herr Koepfer, Sie wollen, wenn die Tour wieder komplett läuft, die Top 50 anvisieren. Was fehlt Ihnen noch, um beständig in dieser Ranglistenregion zu spielen?

Erstmal natürlich der Glaube, dass ich gegen solche Leute gewinnen kann und nicht nur zweimal im Jahr ein gutes Turnier spiele. Dann noch Konstanz und einige Details in meinem Spiel. Das wird entscheidend sein, dass ich mithalten kann. Ich arbeite hart auf dem Platz, damit ich mental und physisch auf einem Top-Level bin.

Zur Person

Dominik Koepfer, ist 26 Jahre alt und wurde in Furtwangen geboren. Im Juni 2019 feierte er seinen bisher größten Erfolg, als er das Challenger-Turnier von Ilkley im Finale gegen Dennis Novak in drei Sätzen gewinnen konnte. Durch diesen Sieg erhielt er zudem eine Wildcard für das Grand-Slam-Turnier in Wimbledon, seinem ersten Einsatz auf diesem Niveau. Dort konnte er in der Ersten Runde Filip Krajinovic besiegen, scheiterte dann aber in der zweiten Runde an Diego Schwartzman. Bei den US Open 2019 konnte sich Koepfer über die Qualifikation in das Hauptfeld spielen und erreichte dort nach Siegen gegen Jaume Munar, Reilly Opelka und Nikolos Bassilaschwili überraschend das Achtelfinale, welches er gegen den späteren Finalisten Daniil Medwedew nach vier Sätzen verlor.

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Erstellt:
29.07.2020, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 6min 57sec
zuletzt aktualisiert: 29.07.2020, 01:00 Uhr

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