Get Out

Get Out

Der Hollywood-Film erzählt von Rassismus und weißer Scheinheiligkeit im Gewand eines raffinierten Psychoschockers.

19.03.2017

Von Klaus-Peter Eichele

„Wissen deine Eltern, dass ich schwarz bin?“ Wissen sie nicht, antwortet Rose Arbitage (Allison Williams) ihrem besorgten Verlobten. Doch die alten Herrschaften seien liberal, ihr Vater zweifacher Obama-Wähler. Dass ihre Tochter mit einem Dunkelhäutigen zusammen sei, werde sie nicht im Geringsten stören. So begibt sich das New Yorker Paar guten Muts auf die Reise zum Antrittsbesuch in die tiefe amerikanische Provinz.

Das von den Kritik bejubelte (und in den USA auch kommerziell sehr erfolgreiche) Regie-Debüt des Komikers Jordan Peele beginnt als eine Art Update des Sixties-Klassikers „Rat mal, wer zum essen kommt“. Während eine ähnliche Situation damals rauf und runter problematisiert wurde, wird der Afroamerikaner des 21. Jahrhunderts (Daniel Kaluuya) von seinen weißen Schwiegereltern in spe wie erwartet herzlich willkommen geheißen. Rassismus? Vorbehalte gegen Mischehen? Das war einmal.

Und doch gibt es vieles, was diesen Chris (und mit ihm den Zuschauer) irritiert und beunruhigt. Warum, zum Beispiel, beschäftigen die Arbitages auf ihrem herrschaftlichen Anwesen ausschließlich schwarzes Dienstpersonal, das mit Chris‘ Verbrüderungsversuchen jedoch überhaupt nichts anzufangen weiß? Warum wird beim abendlichen Palaver so penetrant auf dem Thema Rasse herumgeritten? Und weshalb ist die Mutter der Braut so versessen darauf, dem Gast mittels Hypnose das Rauchen abzugewöhnen?

Noch bizarrer wird die Situation, als die Eltern am nächsten Tag eine Gartenparty für ihre Nachbarn schmeißen. Die weißen Gäste überschütten den Afroamerikaner mit Komplimenten, in denen es vor Stereotypen nur so wimmelt. Instinktiv reift in Chris der Entschluss, so schnell wie möglich von diesem Ort zu verschwinden – doch das ist leichter gedacht, als getan.

Von der alltagsnahen Ausgangslage aus entwickelt der Regisseur eine grimmige Satire auf den Rassismus des weißen Bürgertums, der von der nunmehr politisch korrekten Oberfläche in die Tiefen des Unbewussten beziehungsweise Verheimlichten gesickert ist. Anders formuliert: von der guten Stube in den Keller, womit der Boden für einen alptraumhaften Horrorschocker bereitet wäre.

Der ist dann zwar nicht mehr ganz so subtil, doch das Endresultat reicht locker, um den Film in eine Reihe mit Genre-Höhenflügen wie „The Shining“ oder „Rosemary’s Baby“ zu stellen. Zudem gehört „Get Out“ zu jenen Filmen, auf die sich ein zweiter Blick unbedingt lohnt. Denn erst mit Kenntnis der ganzen Geschichte wird deutlich, wie raffiniert Peeles soziopolitischer Kommentar zur Lage der amerikanischen Nation bis in die Details hinein konstruiert ist.

Enthüllt im Horrorgewand die Post-Obama-Variante des weißen Vormachtsstrebens. Superb.