Tübingen

Getarnt als Preis

Eine Interpretation der Lucas-Preis-Vergabe an den ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck.

10.04.2017

Von Anton Brenner, Tübingen

Was kostet eine Rede von Ex-Politikern? 70000 für Schröder, 30000 für Joschka Fischer, laut Handelsblatt. Gauck muss irgendwie dazwischen liegen, dachte sich die Tübinger Evangelische Fakultät und überreicht ihm am 16. Mai 50000 Euro, getarnt als „Lucas-Preis“ für sein Auftreten „gegen eine Verzeichnung geschichtlicher Wirklichkeit“.

Deniz Yücel, der jetzt bei Erdogan im Gefängnis sitzt, schrieb vor fünf Jahren über den „eitlen Zonenpfaffen“: „Freilich hat sich Gauck nicht erst nach seiner gescheiterten ersten Kandidatur ideologisch zwischen Martin Walser, Erika Steinbach und Stefan Effenberg verortet. Ein reaktionärer Stinkstiefel war er schon vorher.

Gauck aber kann sich solchen Schmarren erlauben, weil er nicht im Verdacht steht, die Parteiendemokratie zu vertreten. Und das gereicht in Deutschland, wo die Existenz unterschiedlicher politischer Überzeugungen und konträrer gesellschaftlicher Interessen als schädlich gilt und ihr offener Konflikt als anrüchig, einem immer noch zum Vorteil." Jutta Ditfurth nannte Gauck den „Prediger für die verrohende Mittelschicht“.

Staats- und Obrigkeitsnähe der Theologen ist in Tübingen eine berüchtigte „geschichtliche Wirklichkeit“. Nicht nur der politische Islam hat die Aufklärung, die Trennung von Staat und Religion, bitter nötig. Den Kirchen wurde bei uns, so dachte man, der politische Giftzahn gezogen. Doch offensichtlich wächst dieser Giftzahn immer nach, wenn die Aufklärung erlahmt.

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Erstellt:
10.04.2017, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 10.04.2017, 01:00 Uhr

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