Ghost in the Shell

Ghost in the Shell

Neuverfilmung des japanischen Trickfilm-Klassikers mit Scarlett Johansson als menschliche Maschine auf Verbrecherjagd.

15.01.2017

Von Klaus-Peter Eichele

Ghost in the Shell

Im Silicon Valley basteln sie noch an der Unsterblichkeit; im Kino gibt es sie schon – zumindest was die Hinfälligkeit des Körpers angeht. Nach einem Terrorangriff, so hat man ihr es jedenfalls im Nachhinein erzählt, wurde der schwer verstümmelten Mira (Scarlett Johansson) eine Ganzkörperprothese verpasst. Nur ihr Gehirn ist noch original human. Weil die neuen Bauteile voller technischer Finessen stecken, ist die in einer nicht allzu fernen Zukunft operierende Polizistin ihren Kollegen aus Fleisch und Blut und natürlich auch den gewöhnlichen Verbrechern haushoch überlegen.

Doch wirft die exzessiv betriebene plastische Chirurgie auch Probleme auf: Ist Mira 2.0 überhaupt noch ein Mensch oder vielmehr eine beliebig zu manipulierende Maschine? Hat sie einen freien Willen oder wird sie mittels implantierter Software ferngesteuert? Solche philosophisch angehauchten Fragen, die im japanischen Trickfilm-Original von 1995 noch einigen Raum einnahmen, sind im Hollywood-Remake von Regisseur Rupert Sanders („Snow White and the Huntsman“) aber nur das Beiwerk eines bildlich ambitionierten Cyber-Thrillers.

Dessen Story beginnt recht verführerisch mit der Figur eines Hackers, der aus zunächst unklaren Gründen in die Gehirne führender Mitarbeiter eines Robotik-Konzerns eindringt. Im zweiten Teil gerät sie aber auf eine konventionelle Bahn mit den üblichen Schurken-Verdächtigen und einigen Kitsch-Ausrutschern. Das ist jedoch verzeihlich, denn die Stärke der Neuverfilmung liegt eindeutig im Visuellen.

Superb ist das Design der Stadtlandschaft, das zeitgenössische Entwicklungen in Megacities, allem voran die Hyper-Kommerzialisierung des öffentlichen Raums, clever in die Zukunft verlängert. Die Visualisierung der Vernetzung zwischen Mensch und Maschine, wodurch etwa Reisen ins Bewusstsein anderer Leute möglich werden, bietet ebenfalls hohen Schauwert. Ein Blickfang ist natürlich auch Scarlett Johansson, die als Actionheldin mit Selbstzweifeln einmal mehr einen sehr guten Job macht.

Das Remake des japanischen Kult-Trickfilms bleibt erzählerisch brav, aber das Design ist die Kinokarte wert.

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Erstellt:
15.01.2017, 15:28 Uhr
Lesedauer: ca. 1min 56sec
zuletzt aktualisiert: 15.01.2017, 15:28 Uhr

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Peter Dorn 05.04.201721:59 Uhr

Das irrige Vertrauen in die Story. Die Geschichte plakativ im Vordergrund; ein Gehirn, der „Geist“, in einer mechanischen Hülle. Der Geist auf der Suche nach sich selbst, eingesperrt in einem Kunstkörper; GHOST IN THE SHELL. Scarlett „Major“ Johansson ist dieses Wesen, eine Frau ohne Geschlecht, ein Gehirn ohne Gedächtnis, eine Waffe mit Verstand im Körper einer elastischen Schaufensterpuppe. Dazu ein skrupelloser Waffenfetischist. Weitere Waffengefährten. Müde, klinisch saubere Kämpfchen ohne Härte. Und ein weißhaariger Takeshi Kitano als Majors Boss, alt, knarzig und unsynchronisiert. Etwas flau.
Weniger Story wäre mehr gewesen: Die Suche nach dem Selbst ist überhaupt nicht spannend und prickelnd. Der eigentliche Gegner ist zudem so simpel und lästig wie ein Taubenschiss. Das Leiden Majors ist zu harm- und folgenlos. Cyborgarme und Beine sind beliebig ersetzbar.
Die versteckte Botschaft: Majors vermeintliche Erkenntnis, dass man nur durch sein Tun sich selbst findet. In Wirklichkeit wird sie aber erst wieder „heil“, als ihr das eigene Gedächtnis injiziert wird. Erinnerung ist halt doch alles. Major heißt jetzt „Motoko“. Klingt auch viel schöner und ne Mama gibt’s dazu.
Immerhin: die Stadt. Das wahre eye candy. Pulsierendes Babylon der Zukunft. Alptraum aus Schluchten, Fassaden, Slums, wabernden Flächen und Lichtern. Hier ist 3-D im Kino richtig groß. Mehr Mut zu solchen Bildern! Mehr Bilder aus den Hinterhöfen der Zukunft! Höhepunkt: ein Zweikampf vor gigantischer Stadtkulisse auf flachem Wasser in edlem Slow-Motion-Look. Fein abgestimmte musikalische Untermalung durch Clint Mansell. Immer ganz dicht am psychedelischen Chor des Originals. In diesen Momenten dann doch ganz wuchtige Bilder. Und das ist nicht zu gering zu schätzen.