Agit-Militanz tifft auf absurdes Theater. Für Diskussionsstoff ist gesorgt.

Göttliche Intervention

Agit-Militanz tifft auf absurdes Theater. Für Diskussionsstoff ist gesorgt.

24.11.2015

Von che

Göttliche Intervention

Da wird also ein Aprikosenkern aus dem fahrenden Auto geworfen, und im nächsten Augenblick explodiert ein am Straßenrand geparkter Panzer. Aber es kommt noch doller: Israelische Soldaten proben in einem Trainingslager das Totschießen von Arabern, als eine palästinensisch betuchte Ninja-Kämpferin den Spieß einfach umdreht. Gegen ihre archaische Steinschleuder kann selbst ein Hubschrauber nichts ausrichten, der lodernd vom Himmel fällt. Recht so: Hatte nicht eben erst ein jüdischer Herrenmensch am Checkpoint zwischen Ramallah und Jerusalem arme Palästinenser aufs Scheußlichste gedemütigt?

Wer Israel nicht für ein „zionistisches Gebilde? hält, sondern für einen Schutz-würdigen Staat, dem muss bei solchen Szenen der Atem stocken. Ist der palästinensische Regisseur Elia Suleiman, der dafür verantwortlich ist, etwa ein militanter Antisemit? Ist „Göttliche Intervention?, der in Cannes 2002 einen der Hauptpreise gewonnen hat, filmischer Flankenschutz für (selbst-) mörderischen Vernichtungswahn?

Man muss den Film wohl vor solchen Extrem-Interpretationen in Schutz nehmen. Denn sein Anliegen ist weniger der Kampf gegen Israel als eine sozialpsychologische Analyse der Befindlichkeit in den Palästinensergebieten. Und man kann nicht sagen, dass Suleiman mit den eigenen Leuten besonders zartfühlend umginge. Er zeichnet sie als apathisch, antriebslos, dauernd in sinnlosen Händel verstrickt, mit dem Arsch einreißend, was die Hände aufgebaut haben. Die Omnipotenz- und Vernichtungs-Fantasien sind insofern eingebettet in eine auf Ohnmacht und Erniedrigung gründende Kollektiv-Psychose.

Ausgewogen, gar um Versöhnung bemüht ist „Göttliche Intervention? trotzdem nicht. Während die Palästinenser alles in allem als schrullig durchgehen, sind die Israelis im besten Falle deppert, eher aber verschlagen und sadistisch. Suleiman rechtfertigt das mit Verweis auf die Kunst: „Als Künstler muss ich meine Arbeit nicht an Kompromissen orientieren. Ich bin nicht verpflichtet, den Friedensbotschafter zu spielen.?

Tatsächlich ist sein Film kein politisch irgendwie verwertbares Dossier über den Nahost-Konflikt, als vielmehr der Versuch, ihn als absurdes Theater vorzuführen. Fast alle Szenen haben einen surrealen, märchenhaften, tragikomischen Touch, überführen das Pathos der Propaganda ins slapstickhaft Groteske. Die Hauptfigur ist ein (von Suleiman selbst gespielter) Buster-Keaton-stoischer Palästinenser, der ungläubig staunend den Wahnsinn beobachtet. Er selbst muss mit seiner Freundin im Niemandsland beim Checkpoint Händchen halten, weil die Armee die Übergänge gesperrt hat. Bizarre Rache: Ein gasgefüllter Luftballon mit dem Konterfei Arafats, den er zum Ärger der Israelis über Jerusalem aufsteigen lässt.

Bei allem Spaß, den solche cineastischen Kabinettstückchen verursachen, bleibt dennoch ein bitterer Beigeschmack. Zumindest die Vorstellung, dass beim wie auch immer verfremdeten Juden-Bashing im Kino das Schenkelklopfen anhebt, ist ziemlich unerträglich.

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Erstellt:
24.11.2015, 12:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 17sec
zuletzt aktualisiert: 24.11.2015, 12:00 Uhr

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