Coronavirus

Teneriffa: Goldener Käfig mit Meerblick

Hotel unter Quarantäne: Die zwei Emmendinger Katrin und Bernd Walser sitzen seit dieser Woche mit ihren Töchtern auf Teneriffa fest.

28.02.2020

Von Hannah Waltersberger

Kartenspielen, Lesen und über die Balkone kommunizieren: Die Gäste im Hotel H10 Costa Adeje Palace auf Teneriffa haben viel Zeit. Foto: Arturo Rodriguez

Kartenspielen, Lesen und über die Balkone kommunizieren: Die Gäste im Hotel H10 Costa Adeje Palace auf Teneriffa haben viel Zeit. Foto: Arturo Rodriguez

Santa Cruz de Tenerife/Emmendingen. Ein großer halbrunder Pool mit türkisblauem Wasser, umgeben von weißen Liegestühlen und hohen Palmen. Die Sonne scheint auf die Chill-Out-Terrasse mit Meerblick, fast alle Liegen sind besetzt an diesem Donnerstagmorgen auf Teneriffa. Doch bei genauerer Betrachtung dieser vermeintlichen Ferien-Idylle wird klar: Der Schein trügt. Fast alle Badegäste tragen Mundschutz, liegen in separaten Grüppchen, und Beamte der spanischen Polizei patrouillieren in regelmäßigen Abständen um die abgeriegelte Anlage.

Das Hotel „H10 Costa Adeje Palace“ steht seit Dienstag unter Quarantäne, nachdem bei einem Gast das Coronavirus festgestellt worden war. Unter den fast 1000 im Paradies gefangenen Gästen sind auch Katrin und Bernd Walser aus Emmendingen nördlich von Freiburg.

Um seinen 60. Geburtstag zu feiern, hatte der Familienvater seine Frau und die zwei Töchter in das Vier-Sterne-Hotel eingeladen. Eigentlich wollten sie nur eine Woche bleiben und am Samstag wieder zurück nach Südbaden fliegen. Doch jetzt ist klar: Ihr Aufenthalt auf Teneriffa verlängert sich ungewollt um mindestens elf weitere Tage.

Nichts ahnend fand Bernd Walser am Dienstagmorgen einen Zettel vor der Zimmertür. „Darauf stand nur, dass wir aus gesundheitlichen Gründen das Zimmer nicht verlassen dürfen – ich habe gar nichts verstanden.“ Auch an der Rezeption erhielt die Familie keine weiteren Informationen, blieb aber die nächsten eineinhalb Tage wie angeordnet in den Hotelzimmern. „In dieser Zeit waren alle Flure menschenleer, das war richtig gespenstisch“, erinnert sich der 60-Jährige.

Austausch über „Balkon-Funk“

Die Informationspolitik sei vor allem in den ersten zwei Tagen katastrophal gewesen, sagt Katrin Walser: „Die haben uns immer nur brockenweise Infos zu geworfen, wir mussten alles selbst im Internet recherchieren.“

Außerdem tauschte sich das Paar mit anderen Hotelgästen über den „Balkon-Funk“ aus. Auch Zigaretten habe er so mit einem Engländer auf einem höher liegenden Balkon gehandelt, erzählt Walser. Doch sein Zigarettenvorrat neige sich langsam dem Ende zu. „Bald fängt hier noch der kalte Entzug für mich an.“

Mit Mundschutz in der Hotelanlage: Katrin und Bernd Walser. Foto: privat

Mit Mundschutz in der Hotelanlage: Katrin und Bernd Walser. Foto: privat

Direkt am ersten Tag in Quarantäne waren zwei junge Ärztinnen mit Schutzanzügen und Atemmasken auf die Zimmer der Familie gekommen, um mit einem „Fieberthermometer, das aussah wie eine riesige Taschenlampe“, die Körpertemperatur zu messen. Seither sind die Hotelgäste aufgefordert, dreimal am Tag eigenständig Fieber zu messen – direkt auf das Virus getestet werden nur Urlauber mit ersten Symptomen oder erhöhter Temperatur.

Auch sonst hat das Hotel einige Vorsichtsmaßnahmen getroffen: Atemmasken für alle, Desinfektionsmittel am Hoteleingang und Einweghandschuhe am Büffet. Doch nichts ist verpflichtend. „Von Tag zu Tag tragen weniger Gäste den Mundschutz – nicht mal beim Essenholen im Speisesaal“, sagt Katrin Walser (54) leicht empört. Man habe schließlich auch eine Verantwortung für die restlichen Urlauber.

Auch der kostenlose Alkohol, den es seit kurzem gibt, mache manche Urlauber nicht gerade vorsichtiger. „Manche sind jetzt schon mittags betrunken, aber jeder geht eben unterschiedlich mit Stresssituationen um.“

Noch sind die vier Emmendinger gesund und vertreiben sich die Zeit im abgeriegelten Hotel mit Kartenspielen und Lesen. „Und wenn wir uns doch anstecken, werden wir es überleben“, sagt Vater Bernd. Nach seiner Rückkehr nach Hause will das Paar gleich in den Supermarkt – um Vorräte für eine mögliche Quarantäne in Deutschland zu bunkern.

Während ganz Spanien auf Teneriffa schaut, gibt es die ersten Corona-Fälle auf dem Festland: Mindestens zwei sind es in Barcelona, zwei in Madrid, einen in Vila-real in der Region Valencia und einen in Sevilla. Hier – wie auf Teneriffa – mitgebracht aus Italien.

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Erstellt:
28.02.2020, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 47sec
zuletzt aktualisiert: 28.02.2020, 06:00 Uhr

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