Horb · Fasnetseröffnung

Gräfin entstammt edler Fasnetsdynastie

Horridoo, Narretei und Fröhlichkeit haben wieder ganz Horb erfasst. Zum Jubiläum der Hexengruppe wird ein junges, von den Fußnägeln bis in die Haarspitzen von Fasnet infiziertes Grafenpaar das Regiment übernehmen.

18.11.2019

Von Hans-Michael Greiß

Gräfin entstammt edler Fasnetsdynastie

Die Turbulenzen im abgelaufenen Jahr wurden keineswegs verdrängt, doch sichtbar harmonisch überwunden, als Christoph Baiker, einer der nunmehr vier gleichberechtigten Zunftmeister, in Jeans und weißem Hemd die Bühne im Steinhaus erklomm.

Sein erstes Narri erntete sofort ein vielstimmiges lautstarkes Echo im Saal, als hätten die hunderten Besucher nur auf diesen Moment hingefiebert, wieder in eine glückselige Fasnet einzutauchen. Ihnen versprach Baiker „einen traditionellen Auftakt mit gigantischem Programm“, obwohl er, wie er bekannte, noch gar nicht wusste, ob die Turmschurken sich überhaupt beteiligten oder vielleicht gerade übten. Die Horber Hexen scharrten derweil aufgeregt mit ihren Strohschuhen, denn sie waren ganz wild darauf, von der ersten Sekunde ihres 60. Lebensjahres „es so richtig krachen zu lassen“.

Als „Running Gag“ zog sich die Ansage eines begriffsstutzigen Daniel „Dany“ Wagner durch das Programm, dem Stefan „Foxi“ Fox in kryptisch verschlüsselten Andeutungen die Namen der bereit stehenden Gruppen einzuflüstern versuchte.

Da ihre Masken und das Häs noch in den Kratten verstauben, stürmten vier Schwiegermütterträume-erfüllende Mannsbilder und sechs elfengleiche Traumfrauen in Hexendessous – schwarzes T-Shirt, weißen Pluder-Unterhosen und rot-weißen Ringelsocken – die Szene. Zum harten Beat von „Engel“ der Gruppe Rammstein glossierten sie den Alkoholbedarf des Narrenrates oder die wetterabhängigen flauschig braunen Glockensound verbreitenden Stoibrecher. Doch hätten „endlich alle checkt, wir Horber Hexen sind perfekt“.

Mit einem Transparent machten sie auf die „richtig große Sause“ am 15. Februar 2020 in der Hohenberghalle aufmerksam. Der „Hammer-Helene“ (Fischer) folgen sie im Bekenntnis „Ich will immer eine Horber Hexe sein, mit 60 Jahren lädt die zum Feiern ein.“ Freund Foxi bemängelte zwar den „ausschließlichen Eigennutz des Auftritts“, erwartete dennoch einen regen Zulauf zum Hexenball.

Elke Grieb, Meisterin des Nähens

Als verlässlichste Geheimnisträgerin der Narrenzunft wurde Elke Grieb geehrt. Christoph Baiker lüftete dabei das Geheimnis der stets perfekt sitzenden Kleidung der Grafenpaare: Seit 20 Jahren hatte sie den eleganten Grafen-Habit der sportlich-hochgewachsenen Statur, wie er sich selbst im Jahr 2013 einschätzte, oder der „stämmig-gedrungenen des Letztjährigen“ angepasst.

Entsprechende Betrachtungen der Gräfinnen verkniff sich Baiker. Maß habe sie genommen, ihr scharfer Blick genügte, sie zipfelte kurz rum, dann passte alles. In strenger Diskretion habe sie immer in weiter Entfernung geparkt, um die Grafenpaare, von denen sie als einzige wusste, vor dem großen Moment der Proklamation nicht zu verraten. Mit dem großen Orden der Narrenzunft und einem Blumenstrauß in Orangetönen dankten Baiker und Wagner für die langjährigen Fasnet-gestaltenden Sticheleien.

Wer im vergangenen Jahr den Abgang von Thomas „Metze“ Kreidler von der Fasnetsbühne anzweifelte, lag goldrichtig, denn dieser Urfasneter kann einfach nicht so verschwinden. Bei Thomas Cook habe er einen Flug nach Ibiza gebucht, denn er suchte „endlich mal Ruhe, wollte weg von Mayk Herzogs Getue“. Doch genau mit diesem drohte er in der Arena einem besonders kampfwütigen Stier, „weil der sich mit Hornochsen so gut auskenne“. Vor dem Nacktbaden sei er zurückgeschreckt, es sei nicht auszudenken, hätte ein Horber Skandalreporter ihn dort gesichtet.

Die in bunte Lappenjacken gehüllten Schantle hatten für jeden ihrer Narrenzunft-Partner eine bissige Liebenswürdigkeit getextet. Die Hauptversammlung sei wohl nicht als Werbung für das Ehrenamt zu verstehen. Den Turmschurken fehlte der Nachwuchs, da können nun keiner mehr die Mädle aufreißen, doch ihre Schwallhallabar bleibe der Renner. Die braunfelligen Brecher machten auf dicke Hose, dabei seien sie nur die Stäpfleshopser für Große. Mit dem Ohrwurm-gefährlichen Reim auf der Nordseeküsten-Melodie „Wir sind Horber Schantle, an vorderster Front, gefleckt und ganz bunt, nicht nur bei der Fasnet geht’s rund“ landeten sie einen Volltreffer bei den Besuchern.

Dann zogen doch noch die Jungschurken unter Abspielen des Narrenmarsches ein, doch sogleich zogen Baiker und Fox geheimnisvoll den Vorhang zu, weil „die erst noch üben müssten“. Als freiwilliges Opfer hatten sie Gerd Munding auserkoren, dessen Kopf aus einem aufgespannten Tuch herausragte, Arme und Beine aber von anderen bewegt wurden. Da trafen Schnapsfäschchen, Bierglas oder Rollmops nicht auf Anhieb die angedachte Gesichtspartie, ganz übel geriet die Verteilung des Rasierschaums, für dessen Entfernung der so Geplagte stapelweise Wischtücher benötigte. Die meisten Lacher der niederträchtig schadenfrohen Zuschauer erhielt er jedenfalls dafür. Fox fand diesen Auftritt sogar „absolut sensationell“. Mit den ersten Plakaten lüfteten die Moderatoren das zweite Geheimnis. Die nächste Fasnetssaison trägt das maritime Motto: „Sintflut, Stausee, Strandexpress... Horb geht unter SOS“, was die Fantasie beflügele, was man dazu an oder auch ausziehen wolle, regte Baiker zu modisch-gewagten Überlegungen an.

Nun hatte sich Hofmarschall Daniel Wagner in seinen vornehmen senffarbenen Mantel gewandet, um „auf die Fasnet heiß wie Frittenfett“ zu dem großen Veranstaltungsangebot in der Stadt seinen Senf beizusteuern. „Beim Mudiator liegst im Dreck, beim Holi Day kriagsch d’Farb net weg“, kommentierte er die kulturellen Höhepunkte des Jahres, das auch Musiktage und Ritterspiele aufweise. Doch wenn man dies alles verpennt, bleibe noch der Horber Advent. Das Warenangebot in der Stadt lasse zu wünschen übrig, nur Frisur und Tattoo liefen besser, was er wegen seiner Glatze jedoch nicht benötige. Wer als Mann nix brauche, sei in Horb grad richtig.

Eines der jüngsten Grafenpaare

Ergingen sich in den Vorjahren die Berichte der Grafenpaar-Findung in Schilderungen nächtelanger Alkohol-Exzesse mit Fallstricken und Erinnerungslücken, so brachen die diesjährigen Regenten in wohltuender Weise mit dieser fragwürdigen Tradition, plauderte Wagner aus dem Nähkästchen. Als Vertreter der Hexengruppe hatten die Narrenräte den eng mit der Fasnet verbundenen Kameramann Nico Berger ausgewählt, den sie unverfänglich köderten, eine Filmidee für den nächsten Eröffnungsball zu kreieren.

Doch beim Besuch mit Bierkasten und Blumenstrauß fehlte die inaugurierte Gräfin, die war auf Geschäftsreise in Polen. Da griff der videotechnisch versierte Wahl-Adelige zum Handy. Statt des erwarteten anrufenden Schatzes blickte Sina David an der Hotelbar auf dem Display in die Gesichter der Regentenrekrutierer. Gräfin – never ever, war der erste Gedanke, doch dann überwog das Gefühl, einmal im Leben diese Rolle. Nun galt es, die verräterischen Indizien, Bierkasten und Blumen, vor den Eltern zu verstecken, nach zehn Minuten hatte Berger die Beiden aus dem Haus, Rausch, Kopfschmerzen und Aspirin vermieden.

Statt in bewährter Weise hinter der Kamera zu stehen, werden sich bis Aschermittwoch unzählige Objektive auf den sympathischen jungen Grafen Rudolf von Hohenberg und die taffe Gräfin Ita von Toggenburg richten. Das war bereits zu spüren, als das Narrenvolk, auf den Stühlen stehend mit Überschwang zu den Klängen des Marsches „Pomp an Circumstances“ den Einzug des Grafenpaares begrüßte.

Sina David entstammt einer hoch angesehenen Dynastie leidenschaftlicher Akteure der Horber Fasnet: Die Großeltern Johannes und Margit Hierath sind bis heute mit ihren legendären Auftritten zur Fasnet unvergessen, Onkel Achim Hierath führte 18 Jahre lang das Narrenvolk als Zunftmeister und Sina hat als Feuerhexe die Fasnet im Blut. Sie versprach in ihrer Antrittsrede, dieses Jahr ein anderes Feuer zu machen, als Gräfin lasse sie es richtig krachen.

Das Grafenpaar ist laut Hofmarschall eines der Jüngsten in der Geschichte der Horber Narren und wird sicherlich prägende Akzente setzen.

Bis zum Maskenabstauben am Dreikönigstag wird etwas Ruhe einkehren. Doch nach dem Eröffnungsball am 1. Februar 2020 und erst recht nach dem Hexenball am 15. Februar steht das närrische Horb in lodernden Flammen der jubilierenden Hexen. Um diesem prächtigen Regentenpaar ein angemessenes Geleit zu geben, forderte Narrenrat Nenad Resanovic alle freien Gruppen auf, sich am Rosenmontag am Umzug zu beteiligen und sich mit ihrem Motto bis Neujahr mit einer E-Mail an umzugsanmeldung@narrenzunft-horb.de anzumelden.

Gräfin entstammt edler Fasnetsdynastie
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18.11.2019, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 18.11.2019, 01:00 Uhr

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