Studium Generale

Grüne Lunge, blaues Herz

In Südosteuropa wächst und flattert es wie nirgends in Europa: Darum geht es diesen Herbst an der Rottenburger Forsthochschule.

11.10.2016

Von Kathrin Löffler

Hier wächst ein Urwald. In Rumänien. Dank deutscher Holzfirmen könnte das bald anders aussehen. Bild: ST

Hier wächst ein Urwald. In Rumänien. Dank deutscher Holzfirmen könnte das bald anders aussehen. Bild: ST

Erneuerbare Energien sind ein Todesurteil. Jedenfalls für Fische in Südeuropa. Bisher haben sie dort ein schönes Leben: Durch Kroatien, Mazedonien oder Albanien schnörkeln sich noch glasklare Bäche und wilde Flüsse, mit tiefen Schluchten und verwucherten Auen drumrum. Auf dem Balkan, sagen Geografen, schlägt das blaue Herz Europas. Damit könnte bald Schluss sein. Die Energiewirtschaft plant entlang der östlichen Adria zahlreiche Wasserkraftwerke. Alle paar Kilometer ein neuer Staudamm, alle paar Kilometer Turbinen. Gut für die Energiegewinnung. Katastrophal für die Fauna. „Die Fische können nicht mehr wandern und werden zerfleddert“, sagt Prof. Stefan Ruge von der Hochschule für Forstwirtschaft.

Am Donnerstag, 10. November (siehe Kasten), sind die bedrohten Flüsse auf dem Balkan Thema eines Vortrags auf dem Schadenweilerhof. Um Südost- und Osteuropa geht es dort den ganzen Herbst. Ruge und sein Kollege Prof. Rainer Luick haben diesen Schwerpunkt für das Studium Generale im Wintersemester ausgewählt. Grund: Dort gibt es noch viele sogenannte ökologische Hotspots. Das sind Regionen mit einer besonders hohen Konzentration verschiedener Tier- und Pflanzenarten, so naturnah wie sonst kaum auf dem Kontinent. Laut Ruge hat das auch historische Gründe: Wegen der früheren Armut und geringen Besiedlungsdichte in diesen Gebieten. Ruge und Luick waren jüngst häufig mit Studierenden dort. Es entstanden Kontakte. In den kommenden Wochen kommen nun verschiedene osteuropäische Forscher und Umweltschützer nach Rottenburg und sprechen über ihre Einsatzgebiete.

Zuerst geht es um Urwälder. Die gibt es nämlich nicht nur in Tropen, sondern auch in den Karpaten. Was es dort nicht gibt: Schutzbestimmungen für dieses Naturerbe. Das sozialistische Regime brach zusammen, Rumänien trat der EU bei und österreichische und deutsche Holzhandelsfirmen streckten ihre Finger nach dem riesigen Rohstofflager aus. Häufig sind sie dort illegal zugange, nachhaltig aber nie. Der Biologe Gabriel Paun engagiert sich dafür, dass in den karpatischen Urwäldern nicht vogelwild gerodet werden darf. Dafür bekommt er auf der Insel Mainau von der Stiftung Euronature den Naturschutzpreis 2016 verliehen – und zwar einen Tag, bevor er am 13. Oktober an der Forsthochschule von seiner Arbeit erzählt.

Allerdings, erzählen: Ruge will keine schnarchlangweiligen Vorlesungen im Studium Generale und verspricht auch visuelle Medien und „brillante Bilder“ im Hörsaal. Von Piotr Malczewksi etwa. Der ist Absolvent der Hochschule Posen, Schwerpunkt Fotografie. Sein Können beweist er am Beispiel seiner Heimat: den Seen- und Flusslandschaften im Nordosten von Polen, an der Grenze zu Litauen.

Dieser Nordosten gilt gleichzeitig als grüne Lunge des Landes. Schilf, Wiesen, Moore. Der Ornithologe Przemyslaw Bielicki erzählt von ihren Bewohnern. Die sind einigermaßen erstaunlich. Oder hätten Sie gewusst, dass Elche auch außerhalb Skandinaviens und ganze 30 Prozent der Weltpopulation des sogenannten Seggen-Rohrsängers in polnischen Sümpfen vorkommen?

Das Programm im Studium Generale

Gabriel Paun spricht am Donnerstag, 13. Oktober, über „Turbulenzen im Paradies – Was ist los in den letzten europäischen Urwäldern in den Karpaten?“. Am Donnerstag, 20. Oktober, geht es bei Przemyslaw Bielicki um „Die grüne Lunge Polens: Die Nationalparke Biebrza, Narew und Bialowiesza“.Piotr Malczewski stellt am Donnerstag, 27. Oktober „Impressionen aus den Seenlandschaften im Nordosten von Polen“ vor. Gabriel Schwaderer erklärt am Donnerstag, 10. November, „Das blaue Herz Europas: Bedrohte Flüsse auf dem Balkan“. Der Vortrag von Lucian Alexandra Curtu am Donnerstag, 24. November, heißt „Die Wälder in Rumänien, ihre Bedeutung für das europäische und globale Naturerbe und ihre Bewirtschaftung“. Die Vorträge sind jeweils um 18 Uhr in der Aula der Hochschule für Fortswirtschaft. Hinterher lädt der Verein der Freunde der HFR zum Umtrunk.