Nationalmannschaft

Hängende Schultern, kapitale Fehlpässe und ein Beinschuss

Ungewohnt scharf kritisiert der Bundestrainer seine Spieler, die in der Partie gegen Brasilien keine richtige Gegenwehr leisteten.

29.03.2018

Von ARMIN GRASMUCK

Leroy Sane (Nummer 19) und lkay Gündogan (21), hier mit Brasiliens Superdribbler Philippe Coutinho (11) verpassten in dem WM-Testspiel in Berlin die Gelegenheit, sich als Stammkräfte der deutschen Nationalelf zu empfehlen. Foto: Nordphoto/Engler

Leroy Sane (Nummer 19) und lkay Gündogan (21), hier mit Brasiliens Superdribbler Philippe Coutinho (11) verpassten in dem WM-Testspiel in Berlin die Gelegenheit, sich als Stammkräfte der deutschen Nationalelf zu empfehlen. Foto: Nordphoto/Engler

Berlin. Das 0:1 im Duell mit Brasilien hat bei Joachim Löw deutliche Spuren hinterlassen. In den Minuten nach dem Schlusspfiff schien der Bundestrainer zu brodeln. Schmal die Augen, bissig formulierte er seine Analyse. Von dem Charme, mit dem er sonst selbst schwierige Passagen locker und flockig zu meistern scheint, war nur noch wenig zu spüren. „Das war nicht unser Tag“, sagte Löw. „Heute waren ein paar junge Spieler auf dem Platz, die ihre Erfahrungen gemacht haben und daraus ihre Lehren ziehen werden.“ Was ihn am meisten wurmte: Mancher Akteur schien keinen richtigen Zugang zu dem Spitzenduell mit dem fünfmaligen Weltmeister gefunden zu haben. „Unsere Körpersprache war nicht gut, die Dominanz, die Ausstrahlung, diese Sicherheit, das Verantwortungsgefühl, dagegenzuhalten“, erklärte Deutschlands höchster Fußballlehrer, was ungefähr so viel bedeutete wie: Ungenügend, setzen – Note sechs.

Ungewohnt scharf urteilte auch Toni Kroos, der Weltmeister, sonst ein Mann der ruhig vorgetragenen und sachlichen Argumente. „Alles“ habe ihm missfallen, sagte der Mittelfeldspieler. „Und das, obwohl wir ein paar Spieler auf dem Platz hatten, die die Möglichkeit hatten, sich auf diesem Niveau zu zeigen. Das haben sie nicht getan.“

Tatsächlich wirkte die deutsche Mannschaft, die der Bundestrainer vier Tage nach dem 1:1 gegen Spanien auf sieben Positionen verändert hatte, über die gesamte Spielzeit klar unterlegen. Es knirschte und krachte speziell in der ersten Hälfte in allen Bereichen. Im Kampf um einen der 23 Plätze, die Löw für die Weltmeisterschaft in Russland zu vergeben hat, konnte keiner der eingesetzten Akteure punkten.

Ilkay Gündogan, der sich als Alternative im Mittelfeld bewähren sollte, leistete sich kapitale Fehlpässe und Toptalent Leon Goretzka tauchte ab. Es war bezeichnend, dass der Schalker von Superdribbler Philippe Coutinho den Ball durch die Beine geschoben bekam. Enttäuschend war der Auftritt des Flügelstürmers Leroy Sané: hängende Schultern, kein Antritt, null Torgefahr. „Leroy hat bei Manchester City große Fortschritte gemacht“, sagte Löw. „Aber in der Nationalmannschaft ist es eine andere Situation, mit einem anderen Druck. Er ist ein junger Spieler, der vielleicht nicht so schnell in die Höhe schießt, wie alle denken.“

Dagegen versuchte Mario Gomez zumindest über aufrichtigen Einsatz, seine Position im deutschen Kader zu verbessern. „Die letzten Zentimeter haben vorne immer irgendwie gefehlt“, sagte der Mittelstürmer des VfB Stuttgart. „Wenn du da den Ball nur einen Tick anders triffst, landet er vielleicht im Tor.“ Seine Chancen auf ein Ticket für die WM, die für die deutsche Elf am 17. Juni in Moskau mit der Partie gegen Mexiko beginnt, betrachtete Gomez nüchtern: „Ich werde in den nächsten Monaten mein Bestmögliches anbieten, so wie ich es in den vergangenen Wochen getan habe. Wir sehen uns im Mai – und dann schauen wir mal.“

Im deutschen Fußballmuseum gegenüber dem Dortmunder Hauptbahnhof wird der Bundestrainer am 15. Mai sein vorläufiges WM-Aufgebot benennen. Die 23 Spieler, auf die er in Russland baut, müssen bis 4.?Juni beim Weltverband Fifa gemeldet werden. Anlass zur Sorge, dies betonte er an diesem gebrauchten Abend in Berlin mehrfach, gebe es keinen. „Ich weiß, was wir können und welche Mentalität wir in der Mannschaft haben“, sagte Löw. „Sie können sich sicher sein: Wir werden uns steigern.“

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Erstellt:
29.03.2018, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 40sec
zuletzt aktualisiert: 29.03.2018, 06:00 Uhr

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