Spielfilm über einen der ersten Kulturzusammenstöße zwischen Alter und Neuer Welt.

Hans Staden

Spielfilm über einen der ersten Kulturzusammenstöße zwischen Alter und Neuer Welt.

24.11.2015

Von ST

Hans Staden

Einen bitterbösen Verriss („Euro-Schmarren?, siehe unten) holte sich der vom Tübinger Arsenal-Verleih in die Kinos gebrachte Künstlerfilm „Klimt? via die Presseagentur AP in unserem überregionalen Feuilleton ab. Das ist insofern nachvollziehbar, als Regisseur Raul Ruiz sein Publikum nicht bei der Hand nimmt, um ihm in 90 Minuten das Wichtigste aus dem Leben des Wiener Jugenstil-Malers (1862 bis 1918) aufzutischen. Ausgehend von Klimts Sterbebett unternimmt Ruiz in ausgeklügelt komponierten Tableaus eine psychoanalytische Interpretation seines Werks, in der sich biografische Schlüsselstellen, Ausgeburten der Fantasie und Bildmotive untrennbar vermischen. Wer das durchschaut, kann durchaus seine Freude haben an all den cleveren Anspielungen, Allegorien und Insider-Scherzen und wird auch die angeblichen Klischees auf ihren Sinn und Zweck abzuklopfen wissen. Wer nicht, braucht sich deswegen nicht zu schämen und sollte einfach in einen anderen Film gehen. Zumal ihm dann die bleierne Performance John Malkovichs in der Titelrolle erspart bleibt. (che)


Mosaikbilder fürs Wachkoma
Being Gustav Klimt: John Malkovich in der Rolle des schilldernden Maler-Genies, das klingt reizvoll. Doch die mosaikhafte, allzu wirre Filmbiografie "Klimt" des Chilenen Raoul Ruiz verliert sich in verzopften Wien-Klischees. Da hilft auch Veronica Ferres als Muse nicht weiter.
Es liegt im Wesen des Genies, verkannt zu werden. Der Laie etwa denkt beim Namen Klimt: Das war doch der mit dem Goldfimmel. Auch aus dem neuen Film über den Jugendstilmaler erfährt der gewöhnliche Kunstbanause leider nicht mehr von Gustav Klimts Werk als eben dessen Vorliebe für byzantinisch angehauchtes Geglitzer.
Statt die Lebensgeschichte aufzuarbeiten, will sich Autorenfilmer Raoul Riuz assoziativ in die Gehirnwindungen des syphilitischen Genies hineinwühlen. Das impressionistische Porträt, das Klimts letzten beiden Lebensjahrzehnte umfasst, beginnt mit seinem Dahinsiechen im Wiener Spital im Jahre 1918. Der Todgeweihte verliert sich in Fieberträumen, in denen sich Realität und Fantasie verfilzen. Doch der wirre Rückblenden-Reigen, den Ruiz, laut eigener Aussage inspiriert von Klimts Mosaiktechnik, zusammenstückelt, lässt auch den Zuschauer trotz angestrengter geistiger Klimtzüge bald ins Wachkoma fallen.
Tote Künstler bieten eine dankbare Projektionsfläche für die Fantasien cineastischer Bewunderer. Und das Potpourri schwül-verstaubter Boheme- und Fin-de-siecle-Klischees des Klimt-Verstehers Ruiz ist noch öder, als es das brave Abhaken von Lebensdaten wäre. Klischee Nummer 1: Frauen reißen sich um Künstler (sofern diese nicht, Klischee 1 a, schwul sind). Deshalb wandelt alle fünf Minuten eine somnambule Nackte durchs Atelier. Zudem zieht sich immer mal wieder eine anämische Tänzerin, ein weibliches Mysterium mit gefrorenem Lächeln, aus. Sie ist so zombiehaft wie Veronica Ferres als Klimts Muse Emilie Flöge. Vielleicht liegt es an Ferres grauenhafter brauner Perücke, dass die Beziehung platonisch und Ferres zugeknöpft bleibt.
Ein phantomhafter "Sekretär", der Klimt bedeutungsschwanger vor der Obrigkeit warnt, dient als Leitfaden zum Klischee Nummer 2: Künstler liegen mit Autoritäten im Clinch. So platt wie im Schüleraufsatz klappert der von vier Ländern koproduzierte Euro-Schmarren die Schlagworte zur "Wiener Moderne" ab - mit ästhetisch-politischen Debatten, Wiener Secession, Arthur Schnitzler, mit Nikolai Kinski, der mit irrem Kinski-Blick Egon Schiele gibt, und so weiter - alles im Cafehaus, versteht sich. Vom Antisemitismus übers Bordell bis hin zum Wiener Schnitzel auf dem Mittagstisch der selbstredend irren Mutter wird ein opulent ausgestattetes, durchdringend dekadentes Sammelsurium von Gemeinplätzen vorgeführt, in dem nur der alte Freud fehlt: so spannend, wie Ölfarbe beim Trocknen zuzuschauen.
Kein Wunder, dass selbst ein John Malkovich wie versteinert durchs Studio läuft. Klischee Nummer 3 (Künstler haben unglücklich zu sein) bewahrheitet sich so ganz von selbst. Über Herrn K. erfahren wir nur noch, dass er etliche uneheliche Kinder hatte. Zur Ehrenrettung sei darauf hingewiesen, dass der ursprüngliche "Directors Cut" um eine halbe Stunde gekürzt wurde, was vielleicht einiges erklärt. Ansonsten wäre das österreichische Filmförderbudget für den Rückkauf jener Klimt-Gemälde, die im April nach langem Rechtsstreit an eine Erbin in Kalifornien gingen, sinnvoller angelegt gewesen.

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Erstellt:
24.11.2015, 12:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 00sec
zuletzt aktualisiert: 24.11.2015, 12:00 Uhr

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