Horb · Gewerbeentwicklung

Hartmut Göttler: „Ich war geschockt“

In den Unterlagen der Gemeinderat-Sondersitzung taucht plötzlich ein alternativer Standort zur „Hau und Holzwiese“ auf. Die Informationen liegen bereits seit mehr als einem Jahr in der Verwaltungsschublade

17.10.2020

Von Benjamin Breitmaier

Seit Jahren ist die Gebietskulisse mit der Ziffer 1 bekannt. In den Unterlagen zur Sondersitzung am kommenden Mittwoch stellt die Stadtverwaltung Horb nun auch das Gutachten zu einem „Alternativstandort“ vor (Ziffer 2). Es existiert bereits seit mehr als einem Jahr, war aber bisher nicht Gegenstand der Diskussion.

Seit Jahren ist die Gebietskulisse mit der Ziffer 1 bekannt. In den Unterlagen zur Sondersitzung am kommenden Mittwoch stellt die Stadtverwaltung Horb nun auch das Gutachten zu einem „Alternativstandort“ vor (Ziffer 2). Es existiert bereits seit mehr als einem Jahr, war aber bisher nicht Gegenstand der Diskussion.

Hartmut Göttler wirkt erschöpft. Er musste am gestrigen Freitagmorgen einige Telefongespräche führen, die Tage seit dem vergangenen Dienstag stecken ihm in den Knochen. Es war der Tag, an dem die Sitzungsunterlagen der Gemeinderat-Sondersitzung den Räten zur Verfügung gestellt wurden. An der Ahldorfer Grillhütte fällt Nieselregen. Hinter Göttler liegt das Naherholungsgebiet „Hau und Holzwiese“. Der dunkle Wald entfaltet im Herbst seine volle Schönheit. Um ihn streitet seit Jahren ein ganzes Dorf mit der Horber Verwaltung. Doch der Blick von Ahldorfs Ortsvorsteher richtet sich nicht auf die riesigen Bäume. Göttler schaut in die entgegengesetzte Richtung. In einiger Entfernung ziehen die Lastwagen auf der A81 entlang.

Vor ihm liegen Felder, die in Anlage 9 der Unterlagen zur Sondersitzung des Horber Gemeinderats mit einer roten „2“ versehen sind – der Alternativstandort. Niemand scheint von ihm gewusst zu haben bis das Gutachten des Hydrogeologischen Büros Thomas Reichel im den Eingängen der Gemeinderäte aufschlug.

„Ich war geschockt“, meint Göttler im Vor-Ort-Gespräch mit der SÜDWEST PRESSE. Nach Jahren des Einsatzes für den Wald, nach hunderten Gesprächen, Diskussionen und Aktionen soll nun innerhalb weniger Tage am kommenden Mittwoch über eine neue Gebietskulisse entschieden werden, da die Stadtverwaltung eine Alternative zum Gebiet „Hau und Holzwiese“ „aus dem Hut gezaubert hat“, wie es Göttler beschreibt.

Ganz am Anfang der Diskussion sei laut Ahldorfs Ortsvorsteher von einer potenziellen Erweiterungsfläche die Rede gewesen, doch selbst diese ging nur bis zur Kreisstraße und nicht bis zur A81. Die Situation sei nun eine völlig andere. Göttlers Aussage deckt sich mit der Legende zur Karte im Gutachten. Hier heißt es: „Bereits 2017 war östlich des Standorts „Hau“ und „Holzwiese“ (Standort 1) ein optionaler Erweiterungs-/Alternativstandort vorgesehen, welcher bis zur K4769 reichte (siehe Karte). Der in dem folgenden Bericht betrachtete Alternativstandort wurde noch bis zur BAB 81 erweitert.“

„Zuerst war ich geschockt“, nahezu der gleiche Satz, dieses Mal aus dem Mund von Christina Nuss, Fraktionsvorsitzende der Bürger im Mittelpunkt (BiM) und Chefin der Bürgerinitiative Hau und Holzwiese, „diese zweite Fläche hat mich total überrascht“.

Göttler und Nuss sind wohl die beiden wichtigsten Köpfe im Kampf gegen eine Gewerbeansiedlung an der B32 bei Ahldorf. Beide mussten jüngst wie der restliche Horber Gemeinderat feststellen, dass sich ihr Schlachtfeld verändert hat.

Die Sondersitzung am kommenden Mittwoch in der Horber Rundhalle – auch ohne die aktuellen Entwicklungen wären die Entscheidungen über die Zukunft der Gewerbeansiedlung in Horb wegweisend. Mit dem „Alternativstandort“ zur Hau und Holzwiese haben sie eine neue Qualität.

Gutachten: Standort 2 „erheblich besser geeignet“

Wenngleich der Wald auf den neuen Flächen fehlt, hält Göttler diese für „genauso wenig tragbar“, „an der Stelle falsch“, für „völlig ungeeignet“. Ahldorf würde „erdrückt werden“, meint er, „das macht unsere Gemarkung total kaputt“.

Darüber hinaus geht aus den Gutachten hervor, dass die Entwicklung des Geländes durch Erdaufschüttungen und aufwendigeren verkehrlichen Anschluss deutlich teurer sein würde. Wörtlich steht im Gutachten: „Es ist jedoch zu beachten, dass eben die recht unruhige Morphologie am Standort 2 vermutlich deutlich höhere Erschließungskosten (massive Geländeauffüllungen etc.) aufwirft.“ Ein Grund, warum der Fokus in den vergangenen Jahren bei der Planung auf dem Gebiet „Hau und Holzwiese“ lag. Abschließend merken die Gutachter des Büros Reichel an, im Vergleich zum ursprünglichen Gebiet, „ist der Alternativstandort 2 sogar als erheblich besser geeignet zu bewerten.“ Diese Information liegt der Stadt Horb seit mehr als einem Jahr vor. Es wäre durchaus möglich gewesen, die Öffentlichkeit über den Alternativstandort schon im Dezember 2019 zu informieren.

Im Gespräch mit der SÜDWEST PRESSE meint Horbs Oberbürgermeister Peter Rosenberger: „Inhaltlich hätten wir auch schon im Dezember entscheiden können.“ Der Aufschub sei einvernehmlich mit dem Rat erfolgt, dann kam Corona. Allerdings war ein Alternativstandort nie derart explizit in der Diskussion. Frage an Göttler: Ist das Vorgehen transparent? „Ganz sicher nicht.“

Er verweist auf Empfingen, wo die Bürger von Anfang an in den Entwicklungsprozess des Interkommunalen Gewerbegebiets einbezogen wurde. In Horb sei dies nicht geschehen.

Christina Nuss geht noch einen Schritt weiter: Die BiM-Fraktionsvorsitzende spricht von einem Coup: „Natürlich haben wir als BiM einvernehmlich wegen Corona verschoben, aber dass die Gutachten schon im Sommer vorlagen, obwohl wir regelmäßig danach gefragt haben, das erschüttert mich“. Sie gibt sich kämpferisch: „Das BI-Orgateam war schon vor Ort. Wir haben uns das angekuckt, haben die Karte angekuckt und aufmerksam die Gutachten gelesen.“ Für die Sitzung am kommenden Mittwoch hätten sie bereits mobil gemacht: „Wir haben Herrn Rosenberger schon im September angekündigt, dass wir für die Sitzung aufrufen und werden das auch über die beiden Zeitungen und Soziale Medien tun.“

Rosenberger selbst weist, angesprochen auf die Vorwürfe, jede Kritik von sich: „Nachdem uns klar wurde, dass der Wald ja so heilig ist, haben wir gesagt, lasst uns doch die Flächen nebendran legen und schauen, ob das möglich ist. Uns war klar, dass die Gutachten bis Ende 2019 fertig sind. Aber wir haben vereinbart, sie nicht während der Haushaltsberatung zu diskutieren. Danach kam Corona.“

Diese Sicht teilen allem Anschein nach nur wenige Mitglieder des Rates. Sogar Teile der CDU-Fraktion äußerten sich überrascht.

Hartmut Göttler wird in den kommenden Tagen mit hoher Wahrscheinlichkeit noch einige Diskussionen führen. Angesprochen auf die Sitzung in der kommenden Woche wird Ahldorfs Ortsvorsteher deutlich: „Ich appelliere an alle Räte, diesen Beschlussvorschlag abzulehnen.“

Hartmut Göttler: „Ich war geschockt“
Hartmut Göttler: „Ich war geschockt“

Die Sitzung und Corona

Die richtungsweisende Sitzung des Horber Gemeinderats am kommenden Mittwoch, 21. Oktober, könnte nach Aussage von Oberbürgermeister Peter Rosenberger vom aktuellen Pandemie-Geschehen beeinflusst werden. „Seit heute ist Pandemiestufe 3“, erklärte Rosenberger am gestrigen Freitag. Aktuell rechne er für die Sitzung mit mehr als 100 Gästen. Wie schon im August hat die Bürgerinitiative dazu aufgerufen, zur Sitzung zu kommen. Aktuell sei die Inzidenz in Horb über 50, gerade überprüfe sein Haus, was man machen könne. „Aktuell würden wir die Menge in die Halle bringen“, erklärte Rosenberger. „Ich bin guter Dinge, dass wir das wieder hinkriegen.“

Hartmut Göttler: „Ich war geschockt“ Gewerbeentwicklung In den Unterlagen der Gemeinderat-Sondersitzung taucht plötzlich ein alternativer Standort zur „Hau und Holzwiese“ auf. Die Informationen liegen bereits seit mehr als einem Jahr in der Verwaltungsschublade.