Landgericht · Tübingen

Hautärzte wegen Abrechnungsbetrugs zu Bewährungsstrafen verurteilt

Nach zehn Jahren Dauer ist am Mittwoch das Verfahren gegen neun Hautärzte aus der Region zu Ende gegangen. Sie wurden wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs zu zehn Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.

16.12.2020

Von job

Die Eingangstüre des Tübinger Gerichtsgebäudes in der Doblerstraße. Bild: Jonas Bleeser

Die Eingangstüre des Tübinger Gerichtsgebäudes in der Doblerstraße. Bild: Jonas Bleeser

Die Staatsanwaltschaft hatte den Hautärzten vorgeworfen, die Behandlung von Patienten in einem gemeinsamen Laserzentrum in Reutlingen mit der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg falsch abgerechnet zu haben. Dazu hätten sie sich abgesprochen und die Entfernung von Feuermalen als eigene Lesitung abgerechnet, obwohl sie durch eine angestellte Ärztin ohne Kassenzulassung erbracht wurde. So sei der Solidargemeinschaft ein Schaden rund 1,3 Millionen Euro entstanden.

Das Verfahren endete am Mittwoch mit einem Urteil, das durch eine Verständigung zustande kam: Angeklagte, Staatsanwaltschaft und Gericht hatten sich darauf geeinigt, dass die angeklagten Fälle als minderschwer eingestuft wurden. Dadurch konnten die ausgesprochenen Strafen unter einem Jahr Haft bleiben, so dass die Ärzte ihre Zulassung behielten. Im Gegenzug legten die Mediziner Geständnisse ab, um das ursprünglich bis in den Februar hinein geplante Verfahren deutlich abzukürzen. Um unter Pandemie-Bedingungen mit so vielen Prozessbeteiligten verhandeln zu können, war die Verhandlung in den Uhlandsaal des Tübinger „Museums“ verlegt worden.

Urteil im Tübinger Hautärzteprozess
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01:51 min
In Tübingen endete am Mittwoch der große Hautärzteprozess mit Bewährungsstrafen: Das Landgericht verurteilte neun Dermatologen wegen gewerbs- und bandenmäßigen Abrechnungsbetrugs bei der Behandlung von Feuermalen zu 10 Monaten Haft auf Bewährung. Video: Jonas Bleeser
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Alle Angeklagten wurden von der Kammer wie von der Staatsanwaltschaft gefordert zu Haftstrafen von zehn Monaten verurteilt, die auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurden. Außerdem müssen sie eine Geldauflage von 10.000 Euro an gemeinnützige Organisationen bezahlen. Die Äezte hatten geltend gemacht, dass sie die gesamten Rückforderungen bereits wieder an die KV bezahlt hatten. Patienten kamen nie zu Schaden: „Wir haben sie unterm Strich umsonst behandelt“, stellte einer der Mediziner fest.

Laut Urteil des Gerichts täuschten die Ärzte bei den Abrechnungen systematisch die Kassenärztliche Vereinigung bei der Behandlung von Kassenpatienten, indem sie eine angestellte Ärztin die Laserungen durchführen ließen, sie aber als eigene abrechneten. Dabei sprachen sie sich so ab, dass sie die Patienten intern weiterüberwiesen, ohne dass die überhaupt wussten, dass sie nun offiziell von einem anderen Arzt behandelt wurden. Denn die Behandlung von Feuermalen hätte jeweils nur einmal abgerechnet werden dürfen. Die Ärzte machten geltend, dass sie nur so Kassenpatienten eine Behandlung mit dem Farbstoff-Lasergerät ohne Zuzahlung hätten bieten können. Trotzdem sei durch die Abrechnungstrickserei die Solidargemeinschaft geschädigt worden, stellte die Vorsitzende Richterin fest: „Ein Kavaliersdelikt liegt hier nicht vor.“

Die ungewöhnlich lange und damit rechtsstaatswidrige Verfahrensdauer von zehn Jahren, in denen die Ärzte immer den Verlust ihrer Approbation und damit um ihre berufliche Existenz fürchten mussten, führte nun mit zu der Einstufung als minderschwere Fälle des gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs. Keiner der Angeklagten war vorbestraft oder hatte sonst jemals bei den Abrechnungen betrogen. Zwei Monate der Strafe gelten außerdem als bereits vollstreckt.

Die Geschichte des Verfahrens

2005 bis 2010: In diesem Zeitraum soll es zu dem mutmaßlichen Betrug gekommen sein. 2010: Die Polizei durchsucht Praxen und Wohnungen der Ärzte.

2014: Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage. Weil Verfahren, bei denen Angeklagte in Haft sind, bei Gericht Vorrang haben, wird zunächst nicht verhandelt.

2017/18: Ein erstes Verfahren beginnt und endet dann vorläufig mit einer Aussetzung.

2020: Das Gericht eröffnet den Prozess trotz Corona-Pandemie erneut.

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Erstellt:
16.12.2020, 14:02 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 30sec
zuletzt aktualisiert: 16.12.2020, 14:02 Uhr

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