Tennis

Heimspiel für Metzingens große Kämpfernatur

Für Laura Siegemund weckt der Sandcourt in der Porsche-Arena Erinnerungen. Mit dem Fed-Cup-Team will sie die Fans in Stuttgart abermals begeistern.

20.04.2017

Von HELEN WEIBLE

Auf dunkelgrauem Sand beim Turnier in Charleston biss sich Laura Siegemund bis ins Halbfinale durch. Foto: dpa

Auf dunkelgrauem Sand beim Turnier in Charleston biss sich Laura Siegemund bis ins Halbfinale durch. Foto: dpa

Elf Uhr im Pressezentrum der Porsche-Arena: Erster Blitzlichtregen prasselt auf die frisch und ausgeschlafen wirkenden Gesichter von Angelique Kerber, Julia Görges, Carina Witthöft und Laura Siegemund. Es ist einer von fünf Vorbereitungstagen auf das Fed-Cup-Duell am Samstag (ab 12 Uhr) und Sonntag (ab 11 Uhr) gegen die Ukraine. Alle Spielerinnen wissen um die Wichtigkeit dieser Partie. Es geht darum, den Abstieg in die Zweitklassigkeit zu verhindern. Und weil es ein Heimspiel in Stuttgart ist, ist das Medieninteresse aus deutscher Sicht entsprechend groß.

Die 29-jährige Siegemund, die ein strahlendes Lächeln beim Fotoshooting gezeigt hat, nimmt sich viel Zeit für jede Interviewanfrage. Und davon kommen einige. Schließlich ist die in Filderstadt geborene und in Metzingen lebende Tennisdame „eine von hier“. Jeder will das „schlagfertige“ Tennis-Ass, das sonst um die halbe Welt reist, um aufzuschlagen, endlich mal live spielen sehen. „Viele Bekannte haben sich schon vor geraumer Zeit Karten gesichert“, erzählt Siegemund, weitere Anfragen für die anstehende Relegation müsse sie noch klären. Endlich auch gäbe es für ihre Eltern die Möglichkeit, sie von den Rängen aus anzufeuern. Die Tochter könnte theoretisch auch zu Hause übernachten – „ich wohne nur zehn Minuten von hier“ – aber das Team „macht alles zusammen“. Darum bleibt auch Siegemund über die Tage im Mannschaftshotel. Da wird auch zusammen gefrühstückt – um 9 Uhr gab es das volle Sportler-Programm, gluten- und laktosefreie Produkte wie etwa Mandelmilch inklusive. Und ganz so streng halten es die Fed-Cup-Mädels nun auch nicht mit der Ernährung. Siegemund gesteht, dass auch ein paar Schokoladeneier dran glauben mussten: „Das liegt hier alles im Hotel rum. Ein bissle Schoko habe ich schon genascht.“

Gestält durch harte Matches

Das kleine Fräuleinwunder hat vergangenes Jahr auf eine fast beendete Karriere ein Comeback der Sonderklasse hingelegt, sich nunmehr den 37. Rang (2016 sogar 27) im Weltranking erarbeitet und steht damit als zweitbeste deutsche Spielerin hinter „Angie“ Kerber – diese Entwicklung allein ist beeindruckend. Aber auch die jüngsten Matches lassen auf ein weiteres tolles Jahr hoffen. Beim Premierturnier in Charleston trumpfte die studierte Psychologin mächtig auf. Erst rang sie in ihrem Erstrundenmatch die Nummer zwei der Ukraine, Lesia Tsurenko (WTA 43), nieder. Dann bezwang die 1,68 m große Rechtshänderin Venus Willimas in einem hochdramatischen Duell. „Das waren Maximalmatches, wo es körperlich und psychisch ans Limit geht“, meint Siegemund, für die erst im Halbfinale von Charleston Schluss war. Aber diese kräftezehrenden Spiele habe sie gut verdaut, fühle sich fit und hungrig auf einen Einsatz, den sie ja als „Neue“ im Fed-Cup-Team nicht gepachtet hat. Ihre Teamchefin Barbara Rittner ließ noch offen, ob sie nicht doch lieber die ebenso hervorragend aufgelegte Julia Görges fürs zweite Einzel am Samstag beruft. „Ich bin schon aufgeregt. Es ist hier ja etwas Besonderes!“

Egal, der erste Schritt auf den roten Sand des Centercourts im Porsche-Rund ließ wieder etliche Erinnerungen bei Siegemund aufflammen. Nicht nur die Finalbegegnung im letztjährigen Tennis Porsche Grand Prix gegen ihre Fed-Cup-Kollegin Kerber. Auch die anderen, meist langwierigen und umkämpften Duelle, die sie hier in einmaliger Atmosphäre absolviert hatte. Sie zog die Fans in der Halle und am Bildschirm in ihren Bann. Manch' einer traute ihr gar den Coup gegen die gleichaltrige Kerber zu, die wohl das Tennis ihres Lebens spielte. Bis der äußerst ehrgeizigen wie durchhaltefähigen Dauerläuferin am Ende einfach die Kraft ausging. Als „unvergessen“ beschreibt Siegemund diese Momente in Stuttgart.

Das ganze Team trägt die Last

Aber im Fed Cup ist das anders. Da ist im Gegensatz zu Turnieren keine ganz auf sich allein gestellt, da gilt die Teamarbeit und wie Rittner bildlich betonte, „die Last wird auf allen Schultern verteilt“. Das sagte die Kapitänin, als es um die nicht nominierte Andrea Petkovic ging, eigentlich bislang eine feste Säule im deutschen Ensemble. Aber in diesem April einfach fernab von jeder Eignung, dem DTB-Team zu helfen. Dieses Mal könnte Siegemund helfen. Und von ihr geht man aus, dass sie Last und Druck gut verarbeiten kann. Schließlich – und das wurde schon zu genüge erzählt – schrieb sie über jenes Thema ihre Bachelorarbeit „Versagen unter Druck“. „Das ist ein Riesenevent hier für Stuttgart, und auch für mich persönlich.“ Und damit geht ein langer Tag bei einem gut bürgerlichen Abendessen im Restaurant Vetter zu Ende.