Spiel der Spiele für Kevin Großkreutz: VfB gegen BVB im Pokal-Viertelfinale

Heiß auf die alte Liebe

Er ist Dortmunder, der BVB sein Herzensverein. Heute Abend wird Kevin Großkreutz, 27, das ausblenden. Mit dem VfB will der neue Stuttgarter Verteidiger die Borussen stoppen. Großes Ziel: das Pokal-Halbfinale.

09.02.2016

Von WOLFGANG SCHEERER

Neue Verteidiger-Kollegen: Kevin Großkreutz (rechts) mit Georg Niedermeier nach dem 4:2 des VfB in Frankfurt. Foto: dpa

Neue Verteidiger-Kollegen: Kevin Großkreutz (rechts) mit Georg Niedermeier nach dem 4:2 des VfB in Frankfurt. Foto: dpa

Stuttgart. Kevin allein im Internet. Da ist er der "Dortmunder Jung", und da existiert noch die gut aufgemachte Webseite http://www.kevin-grosskreutz.de. Nur gibt es damit ein kleines Problem: Dieser Auftritt des Fußballprofis wird seit 2013 nicht mehr auf den aktuellen Stand gebracht. Der Abschied von der Borussia, das Wechsel-Debakel zu Galatasaray Istanbul und ganz aktuell die Rückkehr in die Bundesliga - all die Turbulenzen spielen keine Rolle.

Großkreutz neues (Berufs-)Leben findet seit dem 6. Januar in Stuttgart statt. Der VfB hat den Routinier für eine Million Euro aus der Türkei zurückgeholt, um im Abstiegskampf die Defensive zu stabilisieren. In Istanbul war er wegen einer Transfer-Panne zum Zuschauen verdammt. Nun, im Trikot mit dem roten Brustring, schauen heute alle auf ihn: Im Pokal-Viertelfinale (20.30 Uhr/ARD) geht es für den 27-Jährigen gegen die alte Liebe BVB. "Dortmund hat ein Weltklasse-Team. Nicht umsonst sind sie Zweiter", sagt Kevin Großkreutz. "Aber wir glauben an unsere Chance. Ich brenne auf das Spiel."

Er weiß, es ist vor allem auch seine Chance. Großkreutz hat ein Gespür dafür. Aufgewachsen im nördlichen Dortmunder Stadtteil Eving, dessen Wahrzeichen noch heute ein einstiger Förderturm ist, zieht es schon den Siebenjährigen mit Dauerkarte zum BVB. Als junger Spieler ist er ein Allround-Talent. 2009 geht sein größter Traum in Erfüllung: Großkreutz unterschreibt einen Profivertrag bei den Schwarz-Gelben, Stadtsilhouette und -wappen lässt er sich auf die rechte Wade tätowieren. Mit seinem Kampfgeist bringt er es auf 176 Bundesliga-Einsätze (23 Tore), bis er in den Planungen des neuen Trainers Thomas Tuchel keine Rolle mehr spielt.

Jetzt, in Stuttgart, ist Großkreutz wieder wer, gesetzt als Rechtsverteidiger. Bilanz seit dem Wechsel in der Winterpause: drei Punktspiele, drei Siege, zwei Gelbe Karten.

Er beißt wieder. Im positiven Sinn. "Den Großkreutz, den man vielleicht vor Augen hatte, den sehe ich hier nicht", sagt Sportvorstand Robin Dutt. "Es ist ja schon auch so, dass man ein Bild von einem Menschen hat, und wenn man vor ihm steht, merkt man: Das öffentliche Bild und das tatsächliche Bild passen nicht zusammen. Ein Enfant terrible steht da sicher nicht vor mir."

Es geht hörbar auch um ein neues Image. Trotz der "Pinkel-Affäre" hatte ihn der Bundestrainer schließlich mit zur WM nach Brasilien genommen, setzte Großkreutz aber nicht ein. Seitdem ist er "Der Weltmeister ohne Einsatzminute". Nach der Endspiel-Niederlage im DFB-Pokal gegen die Bayern 2014 hatte er sich, angetrunken, in einer Berliner Hotel-Lobby erleichtert - und damit den Fortgang seiner Karriere sehr erschwert.

Deren Glanzpunkte waren die Meisterschaft 2011 und das "Double" (Bundesliga-Triumph und Pokalsieg) 2012. Gute und weniger gute Erinnerungen hat Großkreutz also an den DFB-Pokal. Heute kommt eine neue Episode hinzu: Er trifft gleich in seinem zweiten VfB-Heimspiel auf seinen Herzensklub. Es geht um den Halbfinal-Einzug, den vorletzten Schritt auf dem Weg nach Berlin. Ein großes Spiel. Großkreutz liebt große Spiele.

Dutt nahm ihn unmittelbar davor erneut gegen Joachim Löws Kritik in Schutz. Der Bundestrainer hatte moniert, Großkreutz sei in der Istanbul-Zeit zu häufig heimgeflogen, habe so die professionelle Einstellung vermissen lassen. Dutt sagt: "Ich finde es nicht gut, wenn man so über einen unserer Spieler spricht." Löw hat zwar etwas zurückgerudert, EM-Kandidaten sind für ihn aber andere.

Kevin Großkreutz, den Mutter Mia und Vater Martin (beide BVB-Fans) heute in Stuttgart anfeuern, muss damit leben. "Man darf den Kopf nicht hängen lassen", sagt er sich. "Vielleicht tut es auch gut, so was durchzumachen. Das letzte Jahr war nicht das Beste, aber es lässt einen reifer werden." Beim VfB will er dafür den Beweis antreten.