Horb

Hier steckt Liebe drin

18.11.2017

Von nörgelt über Suppenzutaten.

Die Leute schmeißen heutzutage mit den schönen Gefühlen ja nur so um sich. Neulich beispielsweise beschrieb das Schild vor einem mittelmäßig hippen Restaurant in einer mittelmäßig attraktiven Unistadt neckarabwärts das tagesaktuelle Suppenangebot so: Auberginen seien da drin, Zucchini, noch so ein Gemüse und auf jedenfall „ganz viel Liebe“. Ich persönlich hätte ja ganz viel Rindergulasch ganz viel sinnvoller gefunden, aber das ist eine andere Geschichte. Suppe mit Liebe drin also. Die Sache ist kein Einzelphänomen.

„Depot“ etwa, das Bernsteinzimmer der postmodernen Inneneinrichtungslehre, verkauft Adventskalender, „für Sie mit Liebe zusammengestellt“. Die Autorin des Online-Auftritts „Handgemacht mit Liebe“ erklärt, wie sich banale Einweckgläser mit Farbe vollschmieren und in sogenannte Deko-Artikel verwandeln lassen. Das österreichische Namenspendant, „mitliebegemacht.at“, ist laut Selbstbeschreibung ein Blog über Naturkosmetik und altes Brauchtum. Hier erfahren Besucherinnen, dass Cellulitegräben auf Nimmerwiedersehen verschwinden, wenn sie nur kiloweise mit Liebe gemachtes Birkenpeeling auf ihre Problemschenkel klatschen. Und die Hamburger sind offenbar Ästheten genug um zu verstehen, dass es eine gute Idee ist, beim hanseatischen „Mit Liebe gemacht“-Markt Geld für Dinge auszugeben, die aus alten Spülschwämmen gebastelt wurden. Mittlerweile gibt es sogar „Mit Liebe gemacht“-Stempel, mit denen jeder zweifach linkshändige Volldepp seine Ramschgeschenke noch emotional ausstaffieren kann. An jeder Ecke wird mit Liebe gebacken und gehandwerkert und zusammengepanscht.

Das ist in der Tat einsichtig. Kein Mensch würde eine Suppe kaufen, stünde auf dem Wirtshausschild: „Da habe ich extra nach 34 Semestern mein VWL-Studium geschmissen, um mich in meiner Speisenmanufaktur mit der Zubereitung von nach aktuellem Moralkonsens einwandfreien weil fleischlosen Eintopfgerichten selbst zu verwirklichen, und merke jetzt erst, dass es den Intellektaufwand einer Bachstelze erfordert, um für einen Haufen akademischer Vegetariereumel politisch korrekte Nachtschattengewächse zu pürieren. Mann, hab’ ich sowas von keinen Bock, ey!!“

Dass alle Welt dem Markt versichert, wie irrsinnig viel Zuneigung beim Produktionsprozess im Spiel war, liegt an der Distinktionsgier der Kunden. Wir kaufen Liebe, wir sind die Guten!, können die sich beseelt beim Erwerb der mit Liebe zusammengebäppten Stoffbroschen zuraunen, während das jüngst bei Hennes & Mauritz erstandene und von Chemiecocktails einschnaufenden Bangladesher Minderjährigen zusammengetackerte Shirt stilsicher den westlichen Hipsterkörper umschmeichelt. Das inflationäre Herumgeliebe der Hersteller ist verheißungsvolles Versprechen, ein bisschen mitspielen zu dürfen im großen Kino der Kapitalismuskritik. Halt so, dass es nicht weh tut. Hier wird sich gekümmert! Hier herrscht Love, Love, Love, und mit so ein bisschen Love für 5,99 Euro lässt es sich gut einmummeln in honigverklebte Lebkuchenhausexistenzen, zu deren Pflichtrequisiten auch Malbücher für Erwachsene und „Sei-Du-selbst-außer-Du-kannst-ein-Einhorn-sein-dann-sei-ein-Einhorn“-Wandtattoos gehören.

Kleiner Wermutstropfen für Marketingchefs: Das mit Liebe ausgeführte Dienstleistertum funktioniert nicht branchenübergreifend (geht: alles mit Essen, geht nicht: Heckler & Koch). Sahnehäubchen für alle anderen: Irgendwo hineingedrechselte Liebe modelt stupides Dilettieren alsbald in grundsympathische Imperfektion um. Endergebnisse sind defekt, hässlich wie die Nacht, ein klein wenig salmonellenverseucht? Nur Kleingeister würden sich daran reiben! Hier hat immerhin jemand all seine Leidenschaft aufgeboten! Falls Ihnen also zirka 28 orthografische und semantische Unzulänglichkeiten in diesem Text schon das Augenlid nervös zucken lassen: Kriegen Sie sich ein. Ich habe sie mit ganz viel Liebe übersehen.

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Erstellt:
18.11.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 42sec
zuletzt aktualisiert: 18.11.2017, 01:00 Uhr

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