Freudenstadt · Innovation

High-Tech und Tannenduft verbinden

Der Campus Schwarzwald in Freudenstadt wurde gestern Abend feierlich eröffnet. Die Presse warf vorab einen Blick in das Zentrum für Digitalisierung, Führung und Nachhaltigkeit.

04.12.2019

Von Dunja Bernhard

Im Produktionslab wird praktisch geforscht. Im darüber liegenden Kaizenlab können die Abläufe digital simuliert werden. Bild: Karl-Heinz Kuball

Im Produktionslab wird praktisch geforscht. Im darüber liegenden Kaizenlab können die Abläufe digital simuliert werden. Bild: Karl-Heinz Kuball

Der Campus Schwarzwald basiert auf einer völlig neuen Kooperation von Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. Diese Art der Zusammenarbeit von Universität, Unternehmen, Landkreis und Stadt sei bundesweit einmalig, sagte Prof. Hansgeorg Binz, Prorektor für Lehre und Weiterbildung der Universität Stuttgart. In den Bereichen Wissenstransfer, Forschung und Lehre arbeiten Universität und Industrie auf dem Campus zusammen.

Der Campus Schwarzwald ist zunächst Masterstudenten der Studiengänge Maschinenbau und Technologiemanagement vorbehalten. Der Schwerpunkt der Lehre und Forschung liegt auf Digitalisierung, Führungsqualitäten und Nachhaltigkeit. Es ist ein forschungsbasiertes Lehren und Lernen, erläuterte Binz. Das mache den Unterschied zur Dualen Hochschule, bei der auch Unternehmen und Bildungseinrichtung kooperieren. Der Schwerpunkt liegt dort aber auf der Praxisvermittlung. Ab 2020/21 wird auf dem Campus Schwarzwald in Kooperation mit der Hochschule Pforzheim eine berufsbegleitende Fortbildung angeboten.

Wohnheim mit 48 Appartements

Die beteiligten Unternehmen richten am Standort Freudenstadt eine Stiftungsprofessur ein. Neben Vorlesungen und Seminaren soll der Campus Studierenden vor allem für ihre Studien- und Masterarbeiten dienen. Insgesamt dauern Arbeiten und Praxissemester bis zu einem Jahr. Deshalb sollen neben dem jetzigen Gebäudekomplex 4 Wohnheime entstehen mit 48 Appartements. Im Januar soll der Gemeinderat den Beschluss dafür fassen. Ein halbes Dutzend Investoren seien interessiert, sagte Oberbürgermeister Julian Osswald. Ein Teil der Appartements soll zunächst als Boardinghouse, Appartement mit hotelähnlichen Leistungen, der Wirtschaft zur Verfügung gestellt werden.

Von einem Glückstag, sprach Dr. Kurt Schmalz. Als Initiator sei er zufrieden, dass sie schon an dem Punkt angekommen seien, an dem die Unternehmen zusammenarbeiten und Synergien entstehen. Als er selbst an der Uni Stuttgart studiert hat, habe er über Führung nichts gelernt. Mit einem Mentorenprogramm werden nun Führungskräfte für Studierende zur Verfügung gestellt. Der Campus sei für die Unternehmen ein niederschwelliger Ansatz, an universitäre Forschung heranzukommen. „Für den Mittelstand ist das nicht so einfach.“

Gestalten und nicht nur reden

Die Unternehmen haben die Problemlösung für den Fachkräftemangel selbst in die Hand genommen, sagte Martin Keppler, Hauptgeschäftsführer der IHK Nordschwarzwald. Spitzentechnologie brauche Spitzenkräfte. „Die gewaltigen Veränderungen in der Wirtschaft werden hier abgebildet.“

Landrat Dr. Klaus Michael Rückert sprach von einem herausragenden Tag für den Landkreis. Auf dem Campus verbinden sich Hightech und Tannenduft. „Hier wird Zukunft gestaltet und nicht nur geredet.“ Dass die Wirtschaft gute Ideen hat, gebe es überall. Dass hochinnovative Unternehmen Ideen mit eigenem Geld umsetzen, gebe es nur in Freudenstadt. Der Landkreis hat die Trägerschaft übernommen und stellt das Gebäude zur Verfügung. Landkreis und Stadt sind mit jeweils 250000 Euro beteiligt. Die Unternehmen finanzieren, was in den Räumen ist.

OB Osswald sagte: „Heute geht ein Traum in Erfüllung.“ Seit 2008 habe ihn eine Studienmöglichkeit in Freudenstadt beschäftigt. Früher sei eher an eine Tourismus-Hochschule gedacht worden. Als er dem Gemeinderat vorgeschlagen habe, das Gelände, auf dem der Campus errichtet wurde, von der EnBW zu kaufen, habe er noch nicht gewusst, was daraus werden soll. Doch der Gemeinderat sei die „vorausschauende Bodenpolitik“ mitgegangen. „Wir haben jetzt Zukunftschancen, die ich 2008 nicht für realisierbar gehalten habe.“ Freudenstadt sei nicht nur ein Tourismusstandort. „Es ist unglaublich, wie viele Weltmarktführer wir hier haben.“ Der Schwarzwald müsse als Wirtschaftsstandort vermittelt werden.

Für Ausgründungen und Start-ups gibt es auf dem Campus nicht nur das nötige Know-how, sondern auch Arbeitsplätze und Büros, die angemietet werden können. Im 600 Quadratmeter großen Produktionslabor werden Prozesse für die Zukunft optimiert. Hier geht es um 5G-Komponenten, autonome Zellen und intelligente Maschinen. Im Kaizenlab, können die Produktionsstätten digital in Betrieb genommen werden. Kaizan steht für „jeden Tag besser werden“.

16 Monate nach dem Spatenstich fertig gestellt

Die Geschichte des Campus‘ Schwarzwald begann 2014. Prof. Klaus Fischer und Dr.Kurt Schmalz stellten ihr Konzept der IHK Nordschwarzwald vor. 2015 kam die Universität Stuttgart dazu. Es folgten Gespräche mit der Freudenstädter Verwaltung und weiteren regionalen Unternehmen.

Im Mai 2016 gründete sich der Verein Hochschulcampus Nordschwarzwald.

Als Investor konnte die Kreissparkasse Freudenstadt gewonnen werden. Ein knappes Jahr später begannen die Planungen für den Campus. Im Juli 2018 war Spatenstich, im Februar 2019 Richtfest. Der Freudenstädter Campus kooperiert mit der Universität Stuttgart und mit der Hochschule Pforzheim. Am 7.November war die erste Vorlesung.

Knapp 1000 Quadratmeter Nutzfläche haben renoviertes Bestandsgebäude und Neubau mit Laborhalle zusammen. Das Campusgrundstück umfasst 3200 Quadratmeter.