Flaggenverbot

Hinter den Kulissen feiert Russland ganz ungeniert

Während die Athleten keinen Nationalstolz zeigen dürfen, nutzen Journalisten die Hintertürchen.

19.02.2018

Von MANUELA HARANT

TV-Moderator Dimitri Gubiernev (li.) feiert Medaillengewinner Nikita Trebukow mit einer Menge Russland-Flaggen. Foto: Screenshot: Manuela Harant

TV-Moderator Dimitri Gubiernev (li.) feiert Medaillengewinner Nikita Trebukow mit einer Menge Russland-Flaggen. Foto: Screenshot: Manuela Harant

Gangneung. Als Eisschnellläuferin Natalia Woronina von den Olympischen Athleten aus Russland (OAR) als Dritte die Ziellinie überquert, geht das Drama los: Eine Journalistin sackt plötzlich mit einem spitzen Schrei zu Boden und bricht lautstark in Tränen aus. Nach wenigen Sekunden springt die junge Dame mit dem großen Fotoapparat um den Hals durch die Mixed Zone.

Der Ort, an dem eigentlich die Sportler-Interviews stattfinden sollen, wird für die ganz offensichtlich russische Vertreterin zur großen Bühne. Theatralisch läuft sie einmal quer durch alle Journalistenreihen, dann sucht sie plötzlich den Ausgang und schlägt die Tür hinter sich zu. Das Gespräch mit ihrer Sportlerin interessiert sie zwar wohl nicht mehr. Doch nun sollte jedem der rund 150 versammelten Reporter klar sein: Bronze geht an Russland, auch wenn es offiziell so keiner sagen darf.

Das Verbot russischer Symbole durch die Doping-Sanktionen des IOC nimmt manchmal skurrile Züge an. Die Athleten dürfen zwar nur unter neutraler Flagge starten und halten sich auch daran. Doch hinter den Kulissen wird von russischer Seite jede Gelegenheit genutzt, um den Stolz aufs eigene Land zu zelebrieren. So auch Dimitri Gubiernev: Der russische TV-Moderator, seines Zeichens ausgewiesener Biathlon-Experte, tritt im Weltcup immer in der offiziellen Teamkleidung seiner Nation auf. Die grau-blauen, neutralen Klamotten der OAR trägt er in Pyeongchang dagegen nicht. Dafür demonstrativ eine Mütze in den Nationalfarben weiß, rot und blau. Offensichtlich darf er das als vermeintlich unpolitischer Vertreter, der allerdings von Putins Staatsfernsehen sein Gehalt bezieht.

Und weil das Internet ein rechtsfreier Raum zu sein scheint, feiert er „seine“ erfolgreichen Athleten auf Instagram und Co. umso ausgiebiger. Da stellt er sich mangels erfolgreicher Alternativen zur russischstämmigen, für die Slowakei startenden Silbermedaillengewinnerin Anastasia Kuzmina oder feiert Skeletoni Nikita Tregubow für seinen zweiten Platz mit nicht enden wollenden Russland-Flaggen im Online-Beitrag.

Matrojschkas vor roten Wänden

Der 43-jährige TV-Star Gubiernev sucht sich seine Nischen. Und die gibt es vor allem im Russland-Haus – offiziell „Haus des Sports“ – weit ab von den olympischen Wettkampfstätten in der Nähe der Küste von Gangneung. Dort ticken die Uhren so, wie sie aus russischer Sicht bei Olympia immer ticken sollten: Vor rot gestrichenen Wänden thronen riesige Matrjoschkas, im Hintergrund, die erfolgreichsten, teilweise des Dopings überführten Athleten der Sportgeschichte. Überall prangt der Spruch: „Russland im Herzen“.

Dort, wo die Sanktionen des IOC wegen des Dopingskandals nicht gelten, zeigt sich die wahre Haltung zu Flaggenverbot und Co. Schwer vorzustellen, dass nach der Schlussfeier mit der voraussichtlichen Wiederaufnahme in die olympische Familie Bescheidenheit und Demut in den russischen Sport einkehrt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Gubiernev und seine Kollegin vom Eisschnelllauf dann auch wieder in der Öffentlichkeit lauter für ihr Land schreien als je zuvor. Manuela Harant

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Erstellt:
19.02.2018, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 26sec
zuletzt aktualisiert: 19.02.2018, 06:00 Uhr

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