José Carreras besuchte die Kinderklinik

Hinter diesem Mann stehen Millionen

José Carreras kam am Dienstag nach Tübingen. Nicht als Tenor, sondern als erfolgreicher Spendensammler für die Leukämie-Therapie.

18.10.2016

Von Ulla Steuernagel

José Carreras im Trio, aber nicht als „die drei Tenöre“, sondern hier mit den beiden Leukämie-Patientinnen Salina (19)und Mathilda (5).Bild: Metz

José Carreras im Trio, aber nicht als „die drei Tenöre“, sondern hier mit den beiden Leukämie-Patientinnen Salina (19)und Mathilda (5).Bild: Metz

Im Flur zwischen Station 14 und 16 der Tübinger Kinderklinik herrschte am Dienstagnachmittag aufgeregte Feststimmung. Rund achtzig Kinder, Eltern, Pflegekräfte, Ärzte, Ärztinnen und Chefärzte standen hier, fixierten die Aufzugtüren und warfen immer wieder Blicke auf die Uhr. Mit etwas Verspätung traf dann jener Mann ein, den alle sehnlichst erwarteten und der für die Weiterentwicklung der Leukämie-Forschung und -Behandlung schon riesige Geldsummen zusammengetrommelt hat: José Carreras.

Fast schüchtern, sehr klein und zart wirkend trat der berühmte Tenor schließlich aus dem Aufzug und auf diese ungewöhnliche Bühne. Hinter dem Mann, der vor fast 30 Jahren selber an Leukämie erkrankte, steht ein wahres Spendenimperium. Die José-Carreras-Leukämie-Stiftung sammelte in den zwei Jahrzehnten ihrer Existenz schon 200 Millionen Euro, die für Stipendien, Forschung und Behandlung des Blutkrebses ausgegeben wurden. Tübingen profitierte schon mit rund fünf Millionen Euro von dem Stiftungsgeld. „Ich bin zutiefst begeistert, wie Ärzte, Wissenschaftler und Pflegekräfte hier zusammenarbeiten“, sagte der 69-Jährige mit seiner volltönender Stimme. Es sei ihm eine große Ehre, dass die Station 16 der Kinderklinik, die Station für Knochenmark- und Stammzelltransplantation nun nach ihm benannt werde.

Nicht nur zur Enthüllung der Namenstafel war er nach Tübingen gekommen, sondern auch um hier einen der Einspieler für seine nächste Gala-Show aufzunehmen, die am 14. Dezember live aus Berlin auf SAT 1 übertragen wird. Dafür wurde Carreras zum ersten Mal Zeuge einer Stammzelltransplantation. Danach eilte er noch weiter zum ebenfalls von der Stiftung geförderten José Carreras „Elternhaus“ in die Frondsbergstraße.

Einer der Leuchttürme

bingen gehört zu den führenden Kliniken europaweit, die schon seit 1997 haploidente Transplantationen, also Übertragungen von Eltern auf Kinder, vornehmen können. Der medizinische Grundstock dafür wurde mit der allogenen, also der Übertragung von Stammzellen von Spender an Empfänger gelegt. In Tübingen geschah dies erstmals unter dem ehemaligen Chef der Kinderklinik, Prof. Dietrich Niethammer, der ebenfalls zur Feier gekommen war und allseits freundschaftlich begrüßt wurde.

Prof. Rupert Handgretinger, Direktor der Kinderklinik, Prof. Michael Bamberg als Chef des Klinikums und Prof. Peter Lang als Leiter der Abteilung für Stammzelltransplantation richteten warme Dankesworte an Carreras und seine Stiftung. Prof. Karl Welte vom wissenschaftlichen Beirat der Stiftung lobte zurück: Tübingen sei „weltweit einer der Leuchttürme“ in der Diagnostik und Therapie
des Blutkrebses.

Zwei junge Patientinnen, die von den Erfolgen der Stammzelltherapie profitiert haben, enthüllten zusammen mit Carreras die Stationstafel, die nun mit dem Namenszug des Katalanen ausgezeichnet ist.

Der 19-jährigen Salina wurden in der Tübinger Klinik schon zwei Mal Stammzellen transplantiert, die letzte Transplantation war vor einem Jahr. Wie lange sie denn in dem abgeschirmten Bereich der Station 16 bleiben musste, in dem die Infektionsgefahren durch Schleusen gebannt werden? „Ich war mit sechs Wochen eine recht schnelle Patientin“, so die muntere junge Frau. „Mir allerdings kam es recht lang vor.“ Für den Raum, in dem sie untergebracht war, hat sie eine scherzhafte Bezeichnung parat: „Ich nenn’s auch ganz gerne Knast!“ Allerdings hat dieser Spezialknast ihr nicht etwa eine Klinik-Abneigung eingepflanzt. Sie selber, die nun zunächst als Bufdi, also im Bundesfreiwilligendienst arbeitet, möchte künftig noch viel mehr Klinikluft schnuppern. „Ich würde gerne MTA werden.“

Auch die fünfjährige Mathilda ist eine ehemalige Patientin der Station 16. Ein halbes Jahr, so berichtete ihr Vater Alexander Grützner, sei sie von 2013 bis 14 in der Kinderklinik gewesen. Mittlerweile geht sie in den Kindergarten in Herbertingen. Einziger Unterschied zu den anderen Kindern: Infektionen sind für sie gefährlicher. Doch die Blutwerte der Kleinen verbessern sich stetig und so sollten auch für sie Schniefnasen bald kein Problem mehr sein.

José Carreras im Zehn-Minuten-Interview

Ein paar Fragen ließen sich noch in den eng getakteten Zeitplan Carreras quetschen. Am Abend zuvor hatte er ein Konzert in Stuttgart, Nun blieb gerade von 13.30 bis 16 Uhr Zeit für Tübingen.

Wie lange wollen Sie noch Konzerte geben?

Carreras: Ich will noch zwei, drei Jahre singen, danach werde ich mich noch mehr auf die Stiftungsarbeit konzentrieren.

Könnten Sie auch für andere Krankheiten Spenden sammeln?

Alle Krankheiten verdienen Aufmerksamkeit, aber ich möchte mich so lange der Leukämie widmen, bis sie einmal zu hundert Prozent heilbar ist.

Hat die eigene Erkrankung ihre Einstellung zum Leben verändert?

Grenzsituationen verändern Menschen. Man ist zwar der gleiche Mensch, aber man wird reflektierter und reifer.

Sie sind Fußballfan. Wer gewinnt die Bundesliga?

Hertha Berlin? Wäre gut, wenn es nicht immer Bayern München wäre.

Was halten Sie als Katalane vom Stierkampf?

Im 21. Jahrhundert sollten nationale Feste sich nicht darauf berufen, dass Tiere zu Tode kommen.