Hand-Werk
Hoch hinaus
Was 1914 in Metzingen als kleiner Malerbetrieb begann, ist heute eine internationale Unternehmensgruppe mit knapp 6300 Beschäftigten. Heinrich Schmid hat rund 175 eigenständige Standorte in fünf Ländern und ist in mehr als 16 Handwerksgewerken aktiv. Viele davon sind auch in Reutlingen zu finden, neben den gemeinsamen Dienstleistungen für die Gruppe, welche in vierter Generation in Familienbesitz ist.
Als Firmenzentrale möchte die Unternehmensgruppe Heinrich Schmid ihre 2012 bezogenen Verwaltungsgebäude im Reutlinger Industriegebiet „In Laisen“ nicht bezeichnen. Denn „Handwerk ist lokal und geschieht vor Ort“, sagt Gesellschafter Max Schmid. Firmenintern spricht man vielmehr vom „Systemhaus“. Dort sitzen in der Siemensstraße unter anderem Personal- und Rechnungswesen, Finanz- und IT-Verwaltung sowie die Kommunikationsabteilung der Unternehmensgruppe, die an rund 175 Standorten in fünf Ländern knapp 6300 Mitarbeitende hat und im Geschäftsjahr 2021 voraussichtlich zirka 650 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet haben wird.
Was 1914 in Metzingen als kleiner Malerbetrieb begann, ist heute eine internationale Unternehmensgruppe, die in mehr als 16 Gewerken arbeitet. Neben Maler- und Lackierarbeiten sind das beispielsweise Trocken- und Komplettbau, Fliesenlegen, Brandschutz und Wärmedämmung. Seniorchef Carl-Heiner Schmid, Malermeister und promovierter Betriebswirt, vergleicht das gerne mit den Apps eines Smartphones. „Wir haben verschiedene Handwerkskulturen miteinander verbunden, damit wir Service aus einer Hand bieten können“, sagt Gesellschafter Max Schmid, einer seiner Söhne. So würden sich die Kollegen kennen, die Teams seien eingespielt – und könnten sich gegenseitig die Bälle zuspielen.
Seniorchef Carl-Heiner Schmid hat 2011 seine Gesellschaftsanteile den Kindern überschrieben. Die drei Söhne Heinrich, Max und Carlo sind nun Gesellschafter, nur die Tochter arbeitet nicht im Unternehmen. Alle Kinder haben Ausbildung und Meisterbriefe bei Heinrich Schmid gemacht, in unterschiedlichen Gewerken, und für den theoretischen Background dazu noch studiert. Die Söhne haben heute jeweils Führungsaufgaben inne. Auch ihr Vater Carl-Heiner Schmid, der Seniorchef, kommt mit 80 Jahren noch jeden Tag ins Büro und montags um 6 Uhr ins Lager, um Kontakt zu den gewerblichen Mitarbeitern zu halten, erzählen die Söhne.
Heinrich Wilhelm Schmid, der Sohn des ursprünglichen Gründers, eröffnete nach dem Zweiten Weltkrieg, als er aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft zurückkehrte, die Firma in Reutlingen neu – nach einem kurzen Zwischenspiel in Heidenheim im Ostalbkreis. Lange Zeit saß die Malerwerkstatt in seinem Wohnhaus in der Lederstraße. „Das war wie ein kleines Labyrinth. Sein Büro war seine Wohnung“, erinnert sich sein Enkel, der heutige Gesellschafter Heinrich Schmid.
Weitere Standorte in der Umgebung kamen dazu. Heute beschäftigt das Unternehmen allein im Landkreis Reutlingen etwa 450 Mitarbeitende, davon rund 150 im Reutlinger Systemhaus. Unter Seniorchef Carl-Heiner Schmid begann die Gruppe in den 1960er-Jahren, international zu expandieren und neue Gewerke aufzunehmen. Heute hat sie außer in der Bundesrepublik auch Standorte in Österreich, der Schweiz, auf Mallorca und im Elsass. Künftig sei geplant, in diesen Ländern weiter zu wachsen und dort neue Standorte zu gründen, sagt Gesellschafter Max Schmid. Unter anderem will die Gruppe ihre Fühler auch ins Landesinnere Frankreichs ausstrecken. Frühere Expansionsversuche in weiteren Ländern seien bislang zumeist an sprachlichen und kulturellen Barrieren gescheitert.
Für die Zukunft werde es neben weiteren Expansionen vor allem um die Digitalisierung gehen. So soll beispielsweise die Zettelwirtschaft auf den Baustellen künftig digital abgelöst werden, etwa übers Handy, ebenso die Stundenerfassung sowie die Berichte vom und die Pläne für den Bau. Auch Roboter könnten irgendwann einmal auf Baustellen eingesetzt werden – als ein mögliches Fertigungsverfahren neben anderen, sagen die Gesellschafter.
Das Ziel sei, junge Menschen für das Handwerk zu begeistern, entsprechend auszubilden und idealerweise für Heinrich Schmid zu gewinnen. Denn immer noch gebe es bundesweit viel zu wenig Handwerker. Deshalb möchte man auch einstmals eher untypische Zielgruppen wie Abiturienten ansprechen: „Wir wollen vermitteln, dass Handwerk cool ist“, sagen die Gesellschafter – passend zur entsprechenden Imagekampagne des Zentralverbands des Deutschen Handwerks. Es gelte, akademisches Denken und praktisches Handeln miteinander zu verbinden. Die Unternehmensgruppe lockt überdies mit internen Aufstiegsmöglichkeiten.
Die einzige notwendige Hürde auf dem Weg zur Führungskraft ist das Erlangen des Meisterbriefs – daran will man bei Heinrich Schmid nicht rütteln. Ansonsten stünden die Karrierewege offen, für jede Stufe gebe es Weiterbildungen. Heinrich Schmid betreibt schon seit 1988 eine interne Akademie, die Mitarbeiter und angehende Führungskräfte schult. Ein Großteil des Führungspersonal besteht bei der Unternehmensgruppe deshalb aus Eigengewächsen. „Sie kennen unsere Mentalität und Kultur, sie haben die Chance aufzusteigen und stoßen nicht irgendwann an die gläserne Decke“, unterstreicht Gesellschafter Heinrich Schmid. Beispielsweise könnten sie neue eigene Standorte gründen – je nachdem, wo es sie privat hinziehe. Das nennt man bei den Gesellschaftern „organisches Wachstum aus der Motivation der Mitarbeiter heraus“. Als ein Wachstum, das den Beschäftigten Perspektiven biete – zugleich dezentral und dennoch abgesichert von der Unternehmensgruppe Heinrich Schmid.