Augenschmaus für alle, die sich ihre Radsportbegeisterung nicht nehmen lassen wollen.

Höllentour

Augenschmaus für alle, die sich ihre Radsportbegeisterung nicht nehmen lassen wollen.

24.11.2015

Von bs

Höllentour

Vor kurzem bei der deutschen Radmeisterschaft in Freiburg durfte einer im exklusiven Rennradler-Kreis mitfeiern und den neuen deutschen Meister Andreas Klöden herzen, der da eigentlich gar nicht rein passt. Doch seit die T-Mobile-Radprofis bei der letztjährigen Tour de France für die Dokumentation „Höllentour? die Rennstall-Tür ganz weit geöffnet haben, gehört Pepe Danquart dazu. Auch im Film hat der Regisseur jede Distanz zu seinen Helden verloren. Da geht's dem Filmemacher nicht anders als dem schreibenden Tour-Chronisten Hans Blickensdörfer oder den am Straßenrand mitfiebernden Massen.

Mitleiden oder wegschauen. Über den Tour-Mythos und über den Sinn des Leidens philosophiert im Film ein französischer Pfarrer in einer mit Radsport-Devotionalien gefüllten Kapelle. Angelehnt an die christliche Passionsgeschichte sei die Quälerei der Radprofis „positives Leiden? ? quasi die von den radelnden Stellvertretern vollbrachte Erlösung der Massen. Bei dieser mystischen Überhöhung bleiben die profanen Fragen auf der Strecke: Warum machen die das eigentlich? Und für wie viel Geld? Der französische Filmchronist weiß zumindest, warum sie's früher gemacht haben: Weil das Radfahren immerhin Ruhm, kaum aber weniger Plackerei oder mehr Geld versprach als die Arbeit im Bergbau.

Stark ist der Film, wenn Danquart den Protagonisten ganz nah auf den ausgezehrten Leib rückt. Wie sich die Zimmernachbarn Erik Zabel und Rolf Aldag gegenseitig die Zweifel nehmen oder mit Berliner und westfälischer Klappe ironisch Distanz gewinnen zum abartigen Spektakel. Anrührend die „Liebeserklärung? Zabels an seinen Domestiken, der ihm selbstlos die Getränke ranschleppt oder die Löcher zufährt: „Det is halt wie inner kleinen Ehe.?

In sprachloser Rolle glänzt auch T-Mobile-Masseur Dieter Ruthenberg. „Eule?, wie ihn die Rennfahrer liebevoll nennen, heilt nicht nur die äußeren Wunden. Sein „Das wird schon? ersetzt den Fahrern ein zweistündiges Gespräch auf der Psychologen-Couch.