Nachruf

Horb-Dettingen verliert einen großen Kämpfer

Rudolf „Rudi“ Vees, einst Ortsvorsteher von Horb-Dettingen und ehemaliger CDU-Stadtrat in Horb, ist mit 89 Jahren verstorben.

09.02.2023

Von Willy Bernhardt

Rudi Vees kurz vor seinem 80. Geburtstag im Juli 2013. Archivbild: Karl-Heinz Kuball

Rudi Vees kurz vor seinem 80. Geburtstag im Juli 2013. Archivbild: Karl-Heinz Kuball

Die Historie, die Jagd und die Kirchenmusik hatten es dem einstigen Rektor besonders angetan. Von Rudolf Vees, nicht nur in hiesigen CDU-Kreisen noch besser bekannt als „Rudi“, ist tot. Der langjährige frühere Dettinger Ortsvorsteher, CDU-Stadtrat, örtliche Schulleiter, leidenschaftliche Historiker, Jäger und Kirchenmusiker verstarb am 28. Januar 2023 zu Hause in Dettingen im Alter von 89 Jahren im Kreise seiner Familie. Um ihn trauern seine Frau Heidemarie sowie die Kinder Judith, Peter und Marion sowie die Enkel. Am 29. Juli 2023 hätte Rudi Vees seinen 90. Geburtstag gefeiert. „Er ist zu Hause friedlich eingeschlafen, so wie er es sich gewünscht hatte“, erzählt Tochter Marion dieser Zeitung. Rudi Vees wurde auf eigenen Wunsch hin im engsten Kreise der Familie in seinem Wahlheimatort Dettingen beigesetzt.

Von 1980 bis 1999 war er nicht nur Ortsvorsteher von Dettingen, sondern auch CDU-Stadtrat in Horb, wobei er die CDU seinerzeit verließ, nachdem sich ausgerechnet sein Betraer Parteifreund Rolf Maier für die Abschaffung der unechten Teilortswahl eingesetzt hatte. Dass dieser kommunalpolitische Schritt später tatsächlich vollzogen wurde, erlebte er als Pensionär, Dorfarchivar, Kirchenorganist und Freund der Jagd eher am Rande. Dass unter anderem dies aber freilich ein Dauerbrenner bei den regelmäßigen Stammtischen der Altvorderen der Horber CDU am jeweils ersten Donnerstag an wechselnden gastronomischen Orten verbleiben sollte, verstand sich von selbst.

Zurückhaltung nach Rückzug

Doch das hielten Rudi Vees auch dessen politische Gegner, von denen es in Horb und Umgebung nicht wenige gab, hinterher zugute. Vees hielt sich mit der Niederlegung seiner politischen Mandate aus öffentlichen Diskussionen heraus und schwieg stattdessen. Eine Tugend, die im ansonsten gern zur Schwatzhaftigkeit neigenden Horb eine rühmliche Ausnahme blieb. Was Rudi Vees in den letzten Jahren seines Lebens ausfüllte, waren seine Hobbys. Insbesondere die Zusammenarbeit mit seinem Archivfreund Karl-Josef Sickler sollte zu einer überaus kreativen Phase avancieren.

Rudolf Vees erblickte als das mittlere von drei Kindern 1933 in Weitingen das Licht der Welt und wuchs im damaligen Gasthaus „Baurahaus“ auf. Sein Vater starb, als Rudolf knapp drei Jahre alt war. Seinen Stiefvater und seine Mutter unterstütze er von Kindesbeinen an und wurde sogar ein Jahr früher eingeschult als üblich, „denn das Gewicht hatte ich“.

Er erlebte den Einmarsch der Franzosen, und kam 1948 an die Oberschule für angehende Lehrer nach Nagold. Was nicht einfach war, aber Rudi Vees überzeugte bei der Aufnahmeprüfung mit dem ersten Satz einer Klaviersonate Mozarts.

Als kurz darauf überkonfessioneller Religionsunterricht eingeführt wurde, musste der Katholik Vees an die Lehreroberschule nach Bad Saulgau wechseln. Die Absolventen wurden in Sport, Musik und Kunst besonders gefördert, hatten öffentliche Auftritte und besuchten Ausstellungen in Zürich und Luzern. Allerdings nur ausgewählte: „Von Künstlern wie dem Aktmaler Egon Schiele hatte ich nie gehört“, erzählte er der NECKAR-CHRONIK anlässlich seines 80. Geburtstages vor knapp zehn Jahren.

Mit Hingabe spielte Rudi Vees, der als einer der wenigen in seinem Jahrgang freiwillig das Abitur – damals noch mit französischer Bewertung – abgelegt hat, in einer französischsprachigen Theatergruppe. Er erinnerte sich: „Für die weiblichen Rollen haben wir uns die schönsten Mädchen von der Saulgauer Oberschule ausgesucht.“

Vom Pädagogischen Institut in Weingarten, wo Rudi Vees erfolgreich die C-Prüfung an der Orgel ablegte, sollte es eigentlich zum Geschichtsstudium nach Tübingen gehen, doch dann verstarb sein Stiefvater. Als Junglehrer ging Rudi Vees nach Leinstetten, weil das Bezirksschulamt Horb dort einen Lehrer suchte, der zugleich orgeln konnte. Auch der Kirchenchor und der Gesangverein gehörten zu seinen Aufgaben. Zwei Jahre blieb er dort, ehe er seine „Wanderzeit“ als Krankheitsvertreter in Altheim, Ahldorf, Bettenhausen, Rexingen, Renfrizhausen, Dießen und Glatt fortsetzte.

Von Glatt wechselte er schließlich 1967 nach Dettingen, wo er 1968 Rektor wurde und es bis zu seiner Pensionierung 1993 ein Vierteljahrhundert lang blieb. Seit 1958 lebte er auch in Dettingen, wo er seine von dort stammende Frau Heidemarie Legler beim Trachtenfest kennen- und lieben lernte.

Dettinger Interessen

In jenen bewegten Zeiten entdeckte Rudi Vees auch sein Herz für die Kommunalpolitik, um so mehr deshalb, da er nach der Dettinger Eingemeindung nach Horb 1971 die Dettinger Interessen beim damaligen Ortsvorsteher Erich Henger nicht mehr nachhaltig genug vertreten sah. 1980 beerbte er Henger als Ortsvorsteher und bezielt dieses politische Ehrenamt dann bis 1999 inne.

Ebenso lange vertrat er Dettingen als CDU-Stadtrat in Horb. Dort freilich musste er noch live miterleben, wie ein damaliger Jungspund namens Michael Theurer mit seiner Wahl zum OB noch als Student ein CDU-Beben auslöste, von dem sich diese Partei nicht mehr erholen sollte.

Vor allem auf die Sanierung des Dettinger Kriegerdenkmals, den Bau der Aussegnungshalle sowie ganz besonders auf die Sanierung des Dettinger „Schlosses“ blickte Rudi Vees stolz und dankbar zugleich zurück. Und natürlich auf die von ihm maßgeblich vorangetriebene Entwicklung der Schloss-Scheuer, die über viele Jahre hinweg als „die gute Stube Horbs“ Anziehungspunkt für verschiedenste Festivitäten und Anlässe war.

Doch die Vielzahl seiner Aktivitäten forderte auch einen hohen gesundheitlichen Preis. Vor über zehn Jahren hörte er von jetzt auf nachher mit dem Rauchen auf, doch der Kämpfer Rudi Vees hat es geschafft. Und er hinterlässt ein politisches Vermächtnis, welches er dereinst gegenüber der NECKAR-CHRONIK so beschrieb: „Wer Dankbarkeit erwartet, darf nicht in die Kommunalpolitik. Und wenn du den Leuten goldene Trottoirs machen würdest... Man muss ehrlich sein: Entweder hältscht dei Gosch, oder du sagscht, was du denkscht. Zum Austeile war ich nie der Letschte“.

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Erstellt:
09.02.2023, 00:30 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 09.02.2023, 00:30 Uhr

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