Der Affront

Der Affront

Zwischen einem libanesischen Christen und einem palästinensischen Flüchtling eskaliert ein Streit, der für das Trauma eines Landes steht.

23.10.2018

Von Dieter Oßwald

Der Affront
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Eine banale Beschimpfung eskaliert dramatisch. Erst finden sich die beiden rechthaberischen Stur-Köpfe vor Gericht wieder – sehr zum Ärger ihrer Ehefrauen. Dann mutiert der Streit zwischen einem libanesischen Christen  und  einem Palästinenser zu politischen Protesten, die aus dem Ruder laufen. Brillante Parabel über die menschlichen Dummheit.  Grandiose Groteske über die Lächerlichkeit von verletzter Ehre, re ligiösem Eifer sowie Fanatismus jeder Art.

Es ist ein heißer Sommertag in Beirut. Yasser (Kamel El Basha) ist palästinensischer Flüchtling und ein gewissenhafter Vorarbeiter für die aktuellen Baumaßnahmen in der kleinen Straße. Toni (Adel Karam) ist Automechaniker, ein gebürtiger Libanese und bekennender Christ. Weil der illegale Abfluss auf seinem Balkon nicht den Vorschriften entspricht und ständig auf die Straße tropft, will Yasser das Problem spontan lösen und verlegt kurzerhand eine neue Leitung. Voller Wut zerschlägt Toni das frisch betonierte Rohr mit seinem Vorschlaghammer. Dass ihn der Bauarbeiter deshalb als Trottel beschimpft, bringt den Choleriker völlig aus dem Häuschen. Es folgt das übliche Geblöke von verletzter Ehre samt der obligatorischen Stolz-Hysterie.

Bei Quentin Tarantino gelernt

Der pragmatische Chef von Yasser hat die rettende Idee: Entschuldigung und Schwamm drüber! Fast hat er seinen widerwilligen Angestellten so weit. Eine gezielte Provokation von Toni lässt die Versöhnung jedoch in letzter Sekunde platzten. Nun fliegen die Fäuste und brechen Rippen. Danach reagiert die Justiz. Beim Richter hat Toni jedoch ziemlich schlechte Karten. „Es lohnt sich, Palästinenser zu sein!“, brüllt er seinen Frust heraus. Der Rechtsstreit geht in die nächste Runde.

Nun sind plötzlich sehr teure Star-Anwälte an der Seite des sturen Streithahns. Doch auch der Gegner rüstet juristisch auf. Für die klugen Frauen der Beteiligten ist das ganze Wichtigtuer-Theater ihrer aufgeplusterten Gockel längst lästig. Vor Gericht wird fortan immer mehr schmutzige Wäsche gewaschen. Bald mischen auch die Medien mit. Schließlich will der Präsident höchstpersönlich in dem Streit vermitteln.

Die Story ist so schlicht wie ergreifend. Als brillante Parabel über Rechthaberei, vermeintlich verletzte Ehre sowie religiösen Fanatismus funktioniert dieses bewegende Moral-Drama exzellent. Dass Regisseur und Autor Ziad Doueiri als Sunnit das Drehbuch gemeinsam mit der Christin Joëlle Tourma verfasste, erweist sich als cleverer Schachzug. Dass er sein Handwerk als Kameraassistent von Quentin Tarantino lernte, hat gleichfalls visuelle Spuren hinterlassen.

Als Sahnehäubchen erweist sich die Besetzung der sturen Streithähne. Der Beiruter Comedian Adel Karam sowie der populäre palästinensische Theatermann Kamel El Basha geben die fanatischen Widersacher mit großer Präzision und machen sie zu grotesken Figuren der lächerlichen Art. Wie schnell diese netten Nachbarn zu verbohrten Fanatikern mutieren, ist erschreckend. Und doch gibt es jene klitzekleine Szene der Versöhnung, die hoffen lässt.

Hervorragend besetzt und auf bewegende Art zeigt das Drama, wie schnell aus Nachbarn Fanatiker werden.

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Erstellt:
23.10.2018, 20:12 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 25sec
zuletzt aktualisiert: 23.10.2018, 20:12 Uhr

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