Angelique Kerber

„Ich denke jetzt positiver“

Angelique Kerber über die Höhen und Tiefen der Saison – und den Aufstieg zur Nummer eins.

22.10.2016

Von CLAUS-PETER ANDORKA

Angelique Kerber ist 20 Jahre nach Steffi Graf die erste deutsche Spielerin, die im Tennis den Sprung auf Platz eins der Weltrangliste geschafft hat. Foto: Getty für Porsche

Angelique Kerber ist 20 Jahre nach Steffi Graf die erste deutsche Spielerin, die im Tennis den Sprung auf Platz eins der Weltrangliste geschafft hat. Foto: Getty für Porsche

Angelique Kerber geht im WTA-Finale in Singapur, bei dem die acht erfolgreichsten Tennisspielerinnen des Jahres von Sonntag an um sieben Millionen Dollar Preisgeld kämpfen, als Favoritin an den Start. „Ich will so viele Matches wie möglich gewinnen und das beste Jahr meiner Karriere mit einem Erfolg beenden“, sagt die Nummer 1 der Welt im Interview mit der SÜDWEST PRESSE. „Und danach gönne ich mir einen schönen Urlaub mit Sonne und Strand.“

Wie schwer ist es nach den vielen Spielen und den großen Erfolgen, die Sie dieses Jahr errungen haben, sich für das letzte Turnier zu motivieren?

Angelique Kerber: Überhaupt nicht. Ich bin immer voll motiviert, ganz egal, wann und wo ich auf dem Platz stehe. Es war ein sehr intensives und irgendwie auch verrücktes Jahr für mich, und ich freue mich darauf, wenn ich danach den Schläger für einige Zeit in die Ecke stellen und mich erholen kann. Doch hier werde ich versuchen, alle meine Kraftreserven zu mobilisieren, die ich am Ende dieser anstrengenden Saison noch habe.

Wann haben Sie gespürt, dass es Ihr Jahr werden könnte?

Die Nummer eins zu werden und Grand Slams zu gewinnen, war schon immer mein Ziel. Ich habe auch fest daran geglaubt, dass ich es eines Tages schaffen kann, und die Menschen, die mir wichtig sind, haben mich darin bestärkt. Obwohl ich in den letzten Jahren auch viele Rückschläge verkraften musste, habe ich nie daran gezweifelt, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Um die ganz großen Erfolge erreichen zu können, reicht es nicht, nur gut zu spielen. Da müssen viele Dinge zusammenpassen. Bei mir war das in diesem Jahr der Fall. Der Sieg bei den Australian Open hat mir gezeigt, dass ich wirklich an der Weltspitze angekommen bin und niemandem mehr etwas beweisen muss.

Sie waren in Ihrer Karriere nie an einem Punkt, an dem Sie gezweifelt haben, ob Sie ihre ehrgeizigen Ziele erreichen können?

Ich hatte schwierige Zeiten, das schon. 2011 war so ein Jahr, in dem mir nicht viel gelungen ist. Ich habe bei vielen Turnieren gleich in der ersten Runde verloren. Doch ich wollte nicht einfach aufgeben und mich davonschleichen. Ich war trotz allem immer noch davon überzeugt, dass ich es schaffen kann. Also habe ich mir überlegt, was ich ändern kann, um wieder erfolgreicher zu werden. Kurz danach erreichte ich das Halbfinale bei den US Open. Von da an wurde alles anders.

Fünf Jahre später sind Sie die Nummer 1, haben in einem Jahr die Australian Open und die US Open gewonnen, standen im Finale von Wimbledon und bei Olympia in Rio. Was war Ihr größter Glücksmoment?

Das ist schwierig zu sagen, es gab in diesem Jahr viele solcher Momente. Ich habe ja auch noch meinen Titel beim Porsche Tennis Grand Prix in Stuttgart verteidigt, was nicht einfach war und mich ebenfalls sehr glücklich gemacht hat. Jeder Erfolg ist etwas Besonderes. Der emotionalste Moment war sicher der Sieg in Australien. Mein erster Grand-Slam-Erfolg hat sehr viel Druck von mir genommen. Er war eine einzige Erlösung für mich, ein unglaubliches Glücksgefühl.

Trotzdem blieben danach auch Enttäuschungen nicht aus.

Ja, die French Open zum Beispiel. Es war eines der Turniere, bei denen ich nicht mein bestes Tennis abrufen konnte. Ich bin in der ersten Runde ausgeschieden, das war wirklich bitter. In Paris zu gewinnen, ist deshalb eines meiner großen Ziele für 2017.

Sie haben, als es nicht so gut lief Steffi Graf und André Agassi in Las Vegas besucht. Was haben sie Ihnen mit auf den Weg gegeben?

Sie haben mir geraten, es weiter auf meine Art zu versuchen, mir treu zu bleiben, egal was die anderen sagen. Ich weiß jetzt, wie wichtig es ist, nach einem Misserfolg nicht alles in Frage zu stellen.

Wirken die Gegnerinnen in den Duellen mit der Nummer eins eher eingeschüchtert oder noch motivierter?

Sie haben nichts zu verlieren und sind dadurch noch motivierter. Jede will dich schlagen. Du musst noch härter um jeden Punkt kämpfen. Doch diese Herausforderung nehme ich gerne an.

Was hat sich dieses Jahr in Ihrem Leben grundlegend verändert?

Äußerlichkeiten. Die Menschen erkennen mich öfter auf der Straße und wollen Autogramme, ich habe viel mehr Termine mit den Medien und Sponsoren. Doch das ist es, was ich immer wollte. Ich wollte diese Erfolge und ich freue mich, wenn sich die Menschen für mich interessieren, wenn sie zu den Turnieren kommen, um mich spielen zu sehen. Ich selbst habe mich nicht verändert. Ich bin immer noch dieselbe Person.

Und als Spielerin?

Ich bin in diesem Jahr noch fitter geworden. Ich weiß, ich kann drei, vier Stunden auf dem Platz laufen, ohne dass es mir wehtut. Das gibt mir sehr viel Selbstvertrauen. Das versuche ich auf dem Platz auch durch meine Körpersprache auszustrahlen. Auch mental bin ich stärker geworden. Ich denke jetzt viel positiver und komme auch besser damit klar, wenn es mal nicht so gut läuft.

Welche Rolle spielt Ihr Trainer Torben Beltz, der ständige Begleiter?

Er ist großartig, als Mensch und als Coach. Wir kennen uns schon so lange, er weiß genau, wie ich ticke. Ich bin nicht immer einfach. Wenn ich mir etwas in den Kopf setze, will ich es auch genau so durchziehen. Doch er weiß, wie er mit meinen Emotionen umgehen muss. Er ist der positivste Mensch, den ich kenne.

Das WTA-Finale war für Sie noch keine Erfolgsgeschichte. Warum wird es in diesem Jahr besser?

Im vergangenen Jahr hat mir im letzten Gruppenspiel ein einziger Satzgewinn zum Einzug ins Halbfinale gefehlt. Daraus habe ich sehr viel gelernt. Ich werde mir nie wieder so viel Druck machen.

Serena Williams musste verletzt absagen. Macht es das leichter?

Es ist schade, dass Serena nicht dabei ist. Ich hätte sie sehr gerne wiedergesehen und gegen sie gespielt. Ich wünsche ihr alles Gute und hoffe, dass sie 2017 gesund auf die Tour zurückkehrt. Doch auch ohne sie bleiben immer noch sieben sehr starke Gegnerinnen übrig. Der Weg ins Finale wird nicht einfacher.

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Erstellt:
22.10.2016, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 11sec
zuletzt aktualisiert: 22.10.2016, 06:00 Uhr

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