Für diesen märchenhaften Krimi könnte Herr Salvatore seinen zweiten Oscar kriegen. Wir drücken die Daumen!

Ich habe keine Angst

Für diesen märchenhaften Krimi könnte Herr Salvatore seinen zweiten Oscar kriegen. Wir drücken die Daumen!

24.11.2015

Von Steffi Wilhelm

Ich habe keine Angst

Gabriele Salvatore, vor zwölf Jahren für seinen Film „Mediterraneo? mit dem Oscar ausgezeichnet, präsentiert ein spannendes und atmosphärisches Kriminaldrama der besonderen Art. Wahrer Hintergrund der Geschichte ist die wirtschaftliche Spaltung Italiens in den siebziger Jahren. Entführungen von Kindern aus dem reichen Norden, um Lösegeld zu erpressen, waren keine Seltenheit. Vor dieser Kulisse handelt „Ich habe keine Angst? vor allem von der Desillusionierung eines Jungen. Und von der gehörigen Portion Mut, die man braucht, um in dunkle Löcher zu schauen und auch im Alleingang das Richtige zu tun.

Der zehnjährige Michele (herausragend: Giuseppe Cristiano) wohnt in einem winzigen Dorf im Süden Italiens. Die ärmlichen Verhältnisse, in denen die Menschen dort leben, tun seiner unbeschwerten Kindheit keinen Abbruch. Die gelben Weizenfelder und ein verlassenes Gutshaus werden zum Abenteuerspielplatz, wo er mit den anderen Kindern des Dorfes Wettkämpfe bestreitet und Mutproben besteht. Eines Tages entdeckt Michele ein großes Geheimnis. Unter einer Wellblechabdeckung findet er in einem Erdloch einen verwahrlosten Jungen, angekettet. Obwohl er sich keinen Reim darauf machen kann, verschweigt er seinen Fund und kümmert sich heimlich um den Jungen. Nur langsam kommt er dahinter, dass es sich hier nicht um ein Spiel, sondern um ein grausames Verbrechen handelt. Michele begibt sich selbst in große Gefahr, als ihm klar wird, dass alle Erwachsenen des Dorfes, auch seine Eltern, mit den Entführern unter einer Decke stecken.

Regisseur Salvatore gelingt, woran viele Erwachsene scheitern, wenn sie Filme über Kinder drehen: Er vermittelt dem Zuschauer glaubhaft die Welt aus der Sicht eines Zehnjährigen. Die Kamera verlässt nur selten die Augenhöhe des Buben und zeigt die Landschaft in leuchtenden Farben. Seine poetische und bisweilen ein bisschen zu symbolträchtige Erzählweise verleiht dem Film einen märchenhaften Touch, und in den stimmungsvollen Großaufnahmen von Igeln, Schlangen und Insekten spiegeln sich alle Facetten kindlicher Fantasie.